Christin Bursch ist allein in einem Männerberuf. Privilegien gibt es für sie aber nicht. In der Hafenwirtschaft herrscht für Frauen Nachholbedarf.
Hamburg. Am meisten beeindruckt Christin Bursch die robuste alte Technik. Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Ellerholzschleuse auf Steinwerder mitten im Hafen gebaut. Die meisten Hafenanlagen heute haben mit jenen von damals nichts mehr gemein. Aber die Ellerholzschleuse tut ihren Dienst wie eh und je. Dank guter Pflege. "Das Schmieren der beweglichen Teile, die Arbeit in den alten Stahlkonstruktionen ist schon sehr spannend, auch wenn es da unten zum Teil dunkel und eng ist", sagt Bursch, 24, Hamburgs einzige Schleusenwärterin.
Auf dem Computerbildschirm im Leitstand der Schleuse sieht Bursch eine Barkasse auf Hafenrundfahrt herankommen. Ein Doppelklick mit der Maus, und das offene Schleusentor schließt sich hinter dem Wasserfahrzeug. Auf der anderen Seite geht es wieder hinaus, ohne dass sich der Stand des Wasserspiegels verändert hat. Die Ellerholzschleuse und die anderen Anlagen im Hafen wie die Rugenberger Schleuse sind Sperrschleusen, die dem Strömungsschutz dienen. Sie sollen den inneren Hafenbereich vor Schlick und Sand schützen, die mit der Flut von der Elbe hereingespült werden.
Ob drinnen oder draußen auf der Schleuse, viel näher als an diesem Ort kann man dem Binnenverkehr im Hamburger Hafen kaum kommen. Insgesamt vier Anlagen werden von der Ellerholzschleuse aus per Monitor überwacht und gesteuert. Und die sind meist in Bewegung. Einsatz- und Baufahrzeuge von Wasserschutzpolizei, Feuerwehr oder Hafenverwaltung, Barkassen und Ausflugsdampfer mit fröhlichen Gästen, Hafentransporte und Sportboote - im Hafen herrscht reger Verkehr. 52.000 Schleusungen mit insgesamt rund 70.000 Fahrzeugen verzeichnet die Hafenverwaltung Hamburg Port Authority (HPA) für 2011.
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Doch es war nicht in erster Linie die Faszination des Hafens, die Christin Bursch an ihren Arbeitsplatz brachte. "Ich wollte gutes Geld verdienen, aber keinen typischen Frauenberuf wie Friseurin oder Arzthelferin ergreifen", sagt sie. So kam die junge Frau in eine fast noch reine Männerwelt. Anlagenwirtin für wasserwirtschaftliche Anlagen ist sie nun, wie ihre Tätigkeit offiziell heißt. Weil man dafür eine metallhandwerkliche Ausbildung braucht, ließ sie sich bei der HPA zur Industriemechanikerin ausbilden. Die Ellerholzschleuse kennt Bursch schon seit ihrer Ausbildung, denn die Anlage dient der HPA auch als Lehrschleuse.
"Es gibt für Frauen hier keine Privilegien, sie müssen die gleiche Arbeit verrichten wie die Männer", sagt Olaf Meier, 51, Leiter des Betriebs Unterhaltung im Bezirk Nord der HPA. Nach anfänglicher Skepsis hätten sich die männlichen Kollegen mittlerweile an weibliche Präsenz auf der Schleuse gewöhnt. Die HPA fördert die Ausbildung und den Einsatz von Frauen. Doch ein Anteil von bislang noch unter 20 Prozent an der Belegschaft macht deutlich, dass im männerdominierten Hafengeschäft viel Nachholbedarf herrscht.
In drei Schichten während der Woche und in zwei Schichten an den Wochenenden werden die Hafenschleusen rund um die Uhr in Betrieb gehalten. Besonders im Frühjahr und Sommer herrscht Hochbetrieb. "Während des Hafengeburtstags könnte man die Schleusentore eigentlich gleich offenlassen", sagt Bursch. Die meisten Wasserfahrzeuge, die täglich die Anlage passieren, werden von Profis gefahren. Aber es kommen auch Amateure. "Rowdys gibt es überall, auch hier im Hafen", sagt Bursch über Falschfahrer.
Nachdrücklich, direkt, aber stets höflich müsse der Umgangston sein. Schwierig ist das besonders bei jenen vielen Bootsbesitzern, die sich nicht mit den Schleusensignalen auskennen und die die Anlagen eher auf gut Glück passieren. "Wenn man 20-mal am Tag Boote ein- und ausweisen muss, schlaucht das die Stimme schon ein bisschen", sagt Bursch. Allerdings verursachen auch Berufsschiffer Unfälle, so wie die Barkassenführerin, die Anfang März bei einer Hafenrundfahrt in ein Tor der Ellerholzschleuse krachte. Angeblich ließ sich der Schiffsmotor nicht auskuppeln. Zwölf Menschen wurden verletzt.
Unten vor der Schleusenkammer kommt gerade die knallrote Hafenbarkasse "Tokyo Express" an. Bursch spricht über Funk kurz mit dem Kapitän und öffnet das Tor. Die Hafenschleusen werden derzeit von einer veralteten Schiffsradartechnik auf moderne Wärmebildkameras umgestellt. "Das ist praktischer und zuverlässiger auch bei Nebel", sagt Bursch vor der Wand mit den Monitoren.
Dabei sind die Tage der Ellerholzschleuse gezählt. In den kommenden Jahren soll im Zentrum des Hafens ein weiteres Großterminal gebaut werden. Das Central Terminal Steinwerder erhält seine Flächen unter anderem durch die Zuschüttung alter Hafenbecken wie dem des Ellerholzhafens. Für die Schleuse besteht dann kein Bedarf mehr, das Terminal soll künftig die Strömung aufhalten. Trotz ihres guten Zustandes wird die HPA die Ellerholzschleuse nicht erhalten. Für Sentimentalität und Denkmalschutz ist im stetigen Wandel des Hafens wenig Raum.
Schleusen- und Anlagenwärter wie Christin Bursch braucht man allerdings auch künftig. "Insgesamt werden 28 Anlagen im Hafen betrieben, Schleusen, aber auch bewegbare Brücken wie die Rethehubbrücke oder die Klappbrücke am Estesperrwerk", sagt Bursch. "Da gibt es reichlich zu tun."