Nach der Eroberung vieler Bastionen stehen die Frauen vor neuen Herausforderungen

Wenn ein Land Models wie Heidi Klum, Filmemacherinnen wie Doris Dörrie und eine Kanzlerin wie Angela Merkel hat und dann noch Lena Meyer-Landrut, Hannelore Kraft und bald wieder Jil Sander, dann ist doch alles gut. Dann kann doch langsam Schluss sein mit dem ewigen Gleichstellungsgenöle und der Quotendebatte. Oder?

Diese Stoßseufzer gibt es. Mehr als 30 Jahre Mädchen- und Frauenförderung hat die Gesellschaft verändert. 1980 waren 82 Prozent der Männer und 48,9 der Frauen erwerbstätig, heute 75 Prozent der Männer und 65 Prozent der Frauen. Damals stellten Frauen 34,5 Prozent der Hochschulabsolventen, heute 50 Prozent.

Frauen sind unabhängiger als je zuvor. Sie bestimmen selbst, ob und wann sie heiraten, Kinder bekommen, sich scheiden lassen, wo sie Geld anlegen und sich versichern. Dieses neue "Fräuleinwunder" unterscheidet sie von der Generation der Trümmerfrauen und großenteils auch von den 68erinnen. Sprach die Soziologin Elisabeth Beck-Gernsheim vor 20 Jahren von den "Frösten der Freiheit", reden junge Frauen heute vom "Spaß haben".

Und das macht es so kompliziert. Heute, nach der Eroberung so vieler Bastionen, folgen die Mühen der Ebene und erfordern nüchternes Hinsehen. 65 Prozent der Frauen sind berufstätig - aber sie stellen 81 Prozent der Teilzeitbeschäftigten und nur 35 Prozent der Vollzeitkräfte. Und nur 18 Prozent der hauptberuflichen Professoren sind weiblich. Deutschland gehört zu den Schlusslichtern der westlichen Welt, was Frauen in Führungspositionen betrifft.

Welche unsichtbaren Widerstände gibt es denn noch? Sind es verschworene männliche Artus-Runden, die unternehmungslustige Frauen vergraulen? Nützen all die vorgeschriebenen geschlechtsneutralen Stellenausschreibungen ("Buchhalter/in") nichts, wenn Unternehmen oder Behörden dann doch lieber Bewerber einstellen, die nicht ausfallen, wenn die Kinder Masern haben? Solche Vorbehalte spielen bald keine Rolle mehr, weil die Alterung der Gesellschaft es erzwingt: Bei zunehmendem Arbeitskräftemangel ist es absurd, auf Frauen zu verzichten.

Aber ein neues Hindernis ist dazugekommen: der Widerstand gegen die gefühlt übertüchtige Frau, die den redlichen Normalmann in die Defensive treibt, statistisch und mental. Es trifft sogar Leute wie George Clooney. Kaum ist er eine Freundin los, erklärt ihn eine Legion psychologisierender Hobbytherapeutinnen zum Wrack mit adoleszentem Weltekel.

Da achten Männer lieber auf den Erhalt der eigenen Solidargemeinschaft. Sie reagieren genervt auf den Ruf nach dem "neuen Mann" und auf die nicht abreißende Diskussion über Frauenquoten. Sie sind froh, wenn die Kanzlerin der Wirtschaft diese Geißel (noch) ersparen will.

Damit ist eine Situation entstanden, die es noch nie gab und die ein bisschen paradox ist: Gerade weil die Frauen rechtlich, sozial und beruflich stark aufgeholt haben, muss der wachsende psychosoziale Druck auf Männer abgepuffert werden. Dieser Druck ist selbst für diejenigen spürbar, die in einer Abteilungsleiterkonferenz, in einem Vorstand oder der Business Class noch unter sich in einer fast frauenfreien Zone sind. Aber sie wissen: Vor der Tür tobt die Schlacht.

Da wird mann vorsichtig mit allzu viel Generosität und schließt die Reihen. Mann freut sich, wenn Harald Schmidt zotige Witze macht - aha, der hat auch gemerkt, was los ist.

Oder man schreibt Bücher wie Ralf Bönt, der mit seinem Manifest "Das entehrte Geschlecht" die männliche Identität renovieren will. Nur komisch, dass so viele seiner Forderungen - Männer sollen endlich über sich und ihre Bedürfnisse reden und sich weniger in die "Sportschau" und den Alkohol flüchten - auch schon in vielen "Frauenbüchern" empfohlen wurden.