Eine Betrachtung von Annette Stiekele
Jeder weiß es, aber kaum einer sieht es. Wir sind eine Gesellschaft, die in der Überproduktion erstickt. Wir entsorgen Nahrungsmittel aus dem Supermarkt, nur damit uns jeden Tag aufs Neue das Warenangebot wieder top aufgefüllt in frischesten Farben anleuchtet. Wir geben eine Saison getragene T-Shirts, die kaum mehr als eine Kinokarte kosten, in die Altkleidersammlung. Unsere PCs landen auf den giftigen Scheiterhaufen Afrikas, wo sie die Menschen krank machen. Wir gieren nach dem Neuwertigen, im Alltag - und in der Kunst.
Dabei ist, wenn man es genau bedenkt, alles schon längst da. Die Geschichten, die Melodien, die Bilder, sie ergeben nicht erst seit der Postmoderne eine schöne, allzeit verfügbare Vielstimmigkeit. Es lohnt sich, genau hinzuschauen. Und ja, es ist möglich, mit wenigen Überlegungen aus Überresten neue, im besten Sinne originäre Kunst zu erschaffen. Der Kairos-Preis für die französische Öko-Künstlerin Katell Gélébart ist da mehr als nur ein gefälliges Mahnmal, den Umgang mit Ressourcen zu überdenken. Gewiss, sie ist konsensfähig, weil sie individuelle Ausstrahlung mit ach so lustig bunten Kreationen und einer im Westen gefragten asiatischen Spiritualität verbindet, ergo hip ist. Aber ihre Vision ist so einfach wie beispielhaft. Es bedarf oft nur einer originellen Idee, um Vorhandenes mit wenig Reibungsverlust wieder in den Wertkreislauf einzuspeisen. Und das gilt nicht nur für die Kunst.