Das Kind, das in einer Pflegefamilie lebte, starb bereits am 16. Januar. Die Ermittler prüfen, wie das Mädchen an das Methadon gelangen konnte.

Hamburg. Ein elfjähriges Mädchen ist in Hamburg-Wilhelmsburg an einer Vergiftung mit der Heroin-Ersatzdroge Methadon gestorben. Das habe das vorläufige Ergebnis der Obduktion ergeben, sagte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers am Montag. Das Kind, das in einer Pflegefamilie lebte, starb bereits am 16. Januar. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Pflegeeltern und gegen den leiblichen Vater wegen Verdachts der fahrlässigen Tötung. Der NDR hatte zuerst über den Tod des Mädchens berichtet.

Die Ermittler prüfen nun, wie der Drogenersatzstoff Methadon in die Hände des Mädchens gelangen konnte. Der leibliche Vater sei früher drogenabhängig gewesen, sagte Möllers. Ob er auch heute noch süchtig ist, sei bisher unklar. Der 41 Jahre alte Mann hatte den Angaben zufolge regelmäßig Kontakt zu seiner Tochter. „Wir untersuchen selbstverständlich auch, ob es Anhaltspunkte für Drogen in der Pflegefamilie gibt“, erklärte Möllers. „Wir stecken mitten in den Ermittlungen.“ Was die Pflegeeltern und der leibliche Vater bei den Ermittlern gesagt haben, dazu wollte sich Möllers nicht äußern.

Die Elfjährige war nach dem vorläufigen Obduktionsergebnis „organisch gesund und altersgemäß entwickelt“, wie Möllers berichtete. „Es gab auch keine Anzeichen für Misshandlung oder Vernachlässigung.“ Die Wohnung allerdings soll verwahrlost gewesen sein: „Sie war in einem unordentlichen und unaufgeräumten Gesamtzustand.“ Sechs Menschen hätten in der Vier-Zimmer-Wohnung in Hamburg-Wilhelmsburg gelebt – die 47 Jahre alte Pflegemutter, der 51-jährige Pflegevater, zwei leibliche Kinder des Paares und ein weiteres Pflegekind. Der Stadtteil Wilhelmsburg gilt als sozialer Brennpunkt.

Das Mädchen hatte am Abend des 16. Januar leblos im Bett gelegen. Wer das Kind fand und den Notarzt alarmierte, konnte Möllers am Montag nicht sagen. Auch seit wann die Elfjährige in der Pflegefamilie untergebracht war, blieb zunächst unklar. Die leibliche Mutter des Mädchens war 2010 gestorben.

In Hamburg gab es im vergangenen Jahr knapp 6500 drogensüchtige Patienten, die mit unterschiedlichen Ersatzstoffen behandelt wurden. Die meisten von ihnen – etwa 45 Prozent – hätten Methadon erhalten, sagte der Sprecher der Gesundheitsbehörde, Rico Schmidt.

Methadon kann zum Tod durch Ersticken führen

Methadon ist ein synthetischer, opiatähnlicher Stoff. Er gilt als starkes Schmerzmittel. Seit Ende der 80er Jahre wird Methadon in Deutschland in der Drogentherapie verwendet, sagt Klaus Behrendt, Chefarzt des Asklepios-Klinikums Nord-Ochsenzoll in der Abteilung Abhängigkeitserkrankungen in Hamburg. Es soll den Abhängigen dabei helfen, aus der Beschaffungskriminalität herauszufinden und ein weitgehend normales Leben zu führen. Methadon vermindert den „Hunger“ nach Heroin – macht aber ebenfalls süchtig.

Bei Überdosierung kann das Mittel das Atemzentrum im Gehirn lahmlegen und damit zum Tod durch Ersticken führen. Drogenabhängige bekommen das Mittel in der Regel einmal täglich in einer Dosis von etwa 100 Milligramm verabreicht. Sollte ein elfjähriges Kind bereits drogenabhängig sein, dürfte es laut Behrendt zum Anfang einer Therapie nur etwa 10 bis 15 Milligramm bekommen.