Unter www.methadonliste-hamburg.de wird lockerer Umgang mit der Ersatzdroge propagiert. Die Ärztekammer prüft rechtliche Schritte.

Hamburg. Auch Ärzte können inzwischen genauso wie Restaurants, Handwerker oder Kindergärten auf verschiedenen Internetportalen bewertet werden. Seit Kurzem gibt es sogar eine eigens für Hamburg eingerichtete Webseite, auf der „Hamburgs lockerste Methadon-Ärzte“ gewählt werden können. Die Hamburger Ärztekammer prüft bereits, ob rechtliche Schritte gegen die Seite möglich sind.

Auf www.methadonliste-hamburg.de wird ein lockerer Umgang mit dem Drogensubstitut Methadon propagiert. Darunter die Top 5 der von den Nutzern gewählten Mediziner, die Methadon verschreiben. Eine mehr als bedenkliche Rangliste – auch vor dem Hintergrund der erst kürzlich wegen einer Überdosis Methadon verstorbenen 11-jährigen Chantal aus Wilhelmsburg .

Die Hamburger Ärztekammer prüft nun rechtliche Schritte: „Wir haben einen externen Rechtsanwalt beauftragt. Er soll klären, ob durch die Nennung der Ärzte Persönlichkeitsrechte verletzt werden und die Mediziner gegebenenfalls dagegen vorgehen können“, sagt Dorthe Kieckbusch, Sprecherin der Hamburger Ärztekammer.

Nach Anfrage von abendblatt.de bei der Gesundheitsbehörde war die Ärztekammer ebenso wie die Kassenärztliche Vereinigung über die Existenz der Webseite informiert worden. „Wir können als Behörde nichts konkret gegen die Seite unternehmen, aber Ärztekammer und Kassenärztliche Vereinigung sollten prüfen, wie sie mit solchen Veröffentlichungen umgehen“, sagt Rico Schmidt, Sprecher der Gesundheitsbehörde.

Was die Macher der Seite, die anonym bleiben und auch kein Impressum auf der Seite angelegt haben, mit „locker“ in Bezug auf die Ärzte meinen, erklärt sich in einem Kommentar: „unter ’locker’ verstehen wir natürlich erst mal jemanden, der uns als Patienten und weniger wie Kriminelle anschaut und uns zuhört und sogar auch versteht wie das ist mit der Sucht und den Drogen. Dass eine ständige Diskussion über die verschriebene Dosis anstrengt, ist ja auch verständlich, oder?“

Die Ärzte dürften sich über die „Auszeichnung“ weniger freuen. Wer die Namen der Mediziner bei Google eingibt, sieht oft als zweites oder drittes Suchergebnis den Verweis auf die methadonliste-hamburg. Neben den Kommentaren und Bewertungen zu den Ärzten, gibt es auch mehrere Einträge, die in aller Ausführlichkeit davon berichten, wie man Methadon „auch anders einsetzen“ kann und Ärzte beim Urintest täuscht. Einen erfahrenen Suchtmediziner schocken diese Informationen aber nicht. „Man muss diese Seite ernst nehmen, es gibt immer einige Patienten, die Substitute missbrauchen. Überrascht bin ich allerdings nicht von den Inhalten. Sie entsprechen der Realität, betroffene Ärzte sollten die genannten Verhaltensweisen sehr ernst nehmen“, sagt Suchtmediziner Herbert Görne, der auch auf der Seite in die Top 5 gewählt wurde. „Als Arzt fühle ich mich durch die Seite aber nicht verunglimpft. Ich habe 110 Patienten, wenn fünf auf dieser Seite für mich abstimmen, dann ist das nur ein sehr kleiner Teil“.

Bei der Kassenärztlichen Vereinigung will man auch die Ergebnisse der rechtlichen Prüfung abwarten, sieht aber keinen Grund, die Ärzte zu überprüfen. "Die Rangliste hat wenig Bedeutung, da die Ärztinnen und Ärzte, die Substitute ausgeben, einer sehr strengen Kontrolle unterliegen. Wenn angebeben wird, dass ein Arzt keine weiteren Patienten mehr aufnimmt, liegt es daran, dass er die maximale Anzahl an möglichen Patienten erreicht hat", sagt Walter Plassmann, stellvertretender Vorsitzender der Kassenärztlichen Vereinigung.

Zunächst wird die Seite online bleiben, erst eine Klage der genannten Ärzte könnte zur Abschaltung führen.