In Hamburg wurden Windgeschwindigkeiten von 107 km/h gemessen. Damit ist das Sturmtief “Andrea“ in Hamburg stärker als 2007 die Winde von “Kyrill“.

Hamburg/Braunlage. Sturmtief "Andrea" hat in Hamburg und Schleswig-Holstein für reichlich Wirbel gesorgt. "An der Messtation in Fuhlsbüttel haben wir heute Windgeschwindigkeiten von 107 km/h gemessen", sagt Frank Böttcher, Leiter vom Institut für Wetter- und Klimakommunikation Hamburg und ergänzt: "Das ist mehr als 2007 bei Kyrill. In Hamburg haben wir sehr selten so eine starken Wind".

Trotz der hohen Windgeschwindigkeiten erwartet Böttcher nur geringe Schäden, da viele marode Äste bereits in den vergangenen Tagen von den Bäumen geweht wurden. In der Nacht soll das mittlere Hochwasser 1,5 Meter - 2 Meter höher als normal ausfallen. Böttcher: "Der Fischmarkt steht dann einen halben Meter unter Wasser."

Der Wind drückt derzeit reichlich Wasser gegen die Nordseeküste. An der Elbe in Hamburg-St. Pauli wurde der Höchststand mit 1,2 Metern über dem normalen Hochwasser gemessen. Damit wurde die Sturmflutmarke von 1,5 Metern jedoch nicht erreicht. Auch den Verkehr behinderte der Sturm. Im Kreis Steinburg wurde ein Gefahrguttransporter umgeweht und verlor einen Teil des geladenen Flüssigklebstoffs. In Hamburg und Schleswig-Holstein musste die Feuerwehr zahlreiche umgeknickte Bäume entfernen.

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) erwartete für das Elbegebiet und Nordfriesland gegen Mitternacht einen Wasserstand von 1,5 bis 2 Metern über dem normalen Hochwasser. An der Ostsee werden Freitagvormittag in der Kieler und in der Lübecker Bucht Wasserstände bis 1,4 Meter über Normal erwartet, in der Region um Rügen bis 1,3 Meter. Die Gemeinden Wilster (Kreis Steinburg) und Gelting (Kreis Schleswig-Flensburg) bereiteten sich auf Überflutungen vor. Die Feuerwehr begann mit dem Füllen von Sandsäcken. In Gelting hatte ein Hochwasser vor vier Monaten einen Millionenschaden verursacht.

In Kellinghusen nordöstlich von Itzehoe (Kreis Steinburg) trat die Stör über die Ufer und überflutete die tiefer gelegenen Teile der Stadt. Die Straßen standen bis zu 30 Zentimeter unter Wasser. Die Polizei sperrte die betroffenen Bereiche für den Verkehr. Der öffentliche Nahverkehr werde jedoch aufrechterhalten, sagte ein Polizeisprecher.

Der Sturm ließ am Abend an der Westküste nach. „Es beruhigt sich“, sagte ein Feuerwehrsprecher in Flensburg. In Dagebüll (Nordfriesland) sei die Windstärke 8 gemessen worden. Zuvor hatte der Sturm dort mit Stärke 10 geblasen. Am Mittag hatte „Andrea“ nach Angaben des Hamburger Instituts für Wetter- und Klimakommunikation mit Spitzengeschwindigkeiten von 108 Kilometern pro Stunde über Norderney und Helgoland hinweggefegt. Trotz der starken Winde richtete das Tief aber bis zum Nachmittag keine nennenswerten Schäden an.

Die Hamburger Feuerwehr zählte im Tagesverlauf 95 Einsätze. Allein 20 Mal seien Straßen überflutet worden, sagte ein Sprecher. Mehrfach riss der Wind Teile von Dächern herunter. Auch in Lübeck wehte „Andrea“ lose Dachziegel von einem Haus in der Innenstadt. Die Polizei sperrte die Straße, zudem wurde zur Sicherung des Daches ein Gerüst aufgebaut. Entwurzelte Bäume behinderten den Verkehr auch in Ahrensburg (Kreis Stormarn) und Wentorf (Herzogtum Lauenburg) sowie im Raum Kiel und an der Westküste. Im Kreis Pinneberg musste die Feuerwehr zu rund 20 Einsätzen ausrücken, um Straßen und Wege von umgeknickten Bäumen zu befreien.

In Bekmünde bei Wilster (Kreis Steinburg) kippte eine Windböe einen Gefahrguttransporter um. Bei dem Unfall trat eine geringe Menge des Klebstoffs aus dem Tankcontainer aus. Anwohner wurden aufgefordert, Fenster und Türen geschlossen zu halten. Eine akute Gefahr für die Menschen bestehe jedoch nicht, hieß es von der Polizei. Für die Bergungs- und Aufräumarbeiten wurde die Bundesstraße zwischen Dammfleth und Bekdorf in beiden Richtungen mehrere Stunden lang komplett gesperrt.

Die Fehmarnsundbrücke sowie die Brücke der Autobahn 23 über den Nord-Ostsee-Kanal wurden für Autos mit Anhängern und leere Lastwagen gesperrt. Deutschlands einzige Hochseeinsel Helgoland war vom Festland abgeschnitten, da die Schiffe der Reederei Cassen Eils in Cuxhaven blieben. Im Wattenmeer wurde der Fährverkehr von und zu den Inseln und Halligen am Donnerstag großenteils eingestellt. Auf der Elbe fuhr die Fähre von Glückstadt nach Wischhafen ebenfalls nicht.

Der Sylt-Shuttle der Deutschen Bahn, der als Autoreisezug die Nordseeinsel mit dem Festland verbindet, wurde am Donnerstag komplett eingestellt. Nur mit den Personenzügen war Sylt über den Hindenburgdamm noch erreichbar.

Sturmtief bringt Regen, Schnee und Sturmflut

Heftige Orkanböen, Regen, Schnee und eine Sturmflut: Tief „Andrea“ hat auch weite Teile von Niedersachsen am Donnerstag ordentlich durchgepustet. Im Oberharz behinderten Schneeverwehungen den Verkehr. Im Oberharz gab es Schneeverwehungen, auf dem Brocken erreichten die Böen eine Geschwindigkeit von bis zu 162 Stundenkilometern.

An vielen Orten im Norden Niedersachsens stürzten Bäume auf die Straße und behinderten den Verkehr. Der schwerste Zwischenfall ereignete sich im Emsland: Dort drückte eine Windböe in Georgsdorf ein Auto gegen einen Baum – die 23 Jahre alte Fahrerin zog sich dabei nach Polizeiangaben schwerste Verletzungen zu. In Bremen stürzte ein Baum auf ein Taxi, der Fahrer kam mit leichten Blessuren davon.

Besonders an der Nordseeküste, in Friesland, im Nordwesten Niedersachsens und im Raum Hannover waren Feuerwehr und Polizei ab mittags im Dauereinsatz. „Die Einsatzkräfte kamen kaum noch hinterher“, sagte ein Sprecher in Verden. Dort beseitigten die Rettungskräfte unzählige umgekippte Bäume, auch ein Telefonmast wurde vom Sturm gefällt, darüber hinaus flogen mehrere Solaranlagen von Dächern.

Im Kreis Oldenburg kippte ein leerstehender Laster auf der Huntebrücke auf der Autobahn 28 um. Auf der A31 bei Leer wurde ein Lkw mit Anhänger von einer Böe in die Berne gedrückt. In Hannover sicherte die Feuerwehr mit Höhenrettern unter anderem das Flachdach eines Mehrfamilienhauses, das sich komplett gelöst hatte und aus 20 Metern Höhe abzustürzen drohte. Auch eine Weihnachtsbeleuchtung, die an einer Hauptstraße auf die Oberleitung der Straßenbahn zu fallen drohte, wurde gesichert.

Auf der A2 bei Auetal im Kreis Schaumburg wurden vier Menschen leicht verletzt, nachdem eine Windböe ihren Wagen ins Schlingern gebracht hatte. An der Nordseeküste stieg das Hochwasser am Vormittag etwa einen Meter höher als normal, die Sturmflutmarke wurde aber weder in Bremen noch in Bremerhaven, Wilhelmshaven oder Emden erreicht.

Für die Nacht zum Freitag erwartete das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie (BSH) für die ostfriesische Küste und das Wesergebiet eine Sturmflut mit etwa 1,5o Meter über dem normalen Hochwasser. In Nordfriesland und dem Elbegebiet könnte das Wasser sogar bis zu 2 Meter höher werden.

Nach dem Dauerregen der vergangenen Wochen könnten die Böden jetzt kein Wasser mehr aufnehmen, berichtete der Niedersächsische Landesbetrieb für Wasserwirtschaft, Küsten- und Naturschutz (NLWKN).

Die Flüsse Lune, Oste, Wümme, Ise, Nette, Aller, Leine, Oker und Hase seien bereits angeschwollen und sollten im Laufe des Donnerstags weiter stark zulegen. Teilweise sei die zweite Meldestufe erreicht. Der Pegel der Weser in Hann.Münden stand am Mittag bei 3,65 Metern und damit noch unterhalb der niedrigsten Warnstufe, so dass hier in den nächsten Tagen nicht mit einem größeren Hochwasser gerechnet werden müsse

Das Unwetter hatte auch Auswirkungen auf die Suche nach der verschütteten Katharina auf Rügen und nach weiteren Leichenteilen am Tollensesee. Die Suche nach Katharina am Kap Arkona wird durch den Sturm erneut verzögert. Bei Windstärken von sieben bis acht sei mit einer zusätzlichen Wellenbelastung von einem bis zu 1,50 Meter zu rechnen, sagte Ines Perlet vom BSH in Rostock der dpa. „Damit steht vermutlich der gesamte Strandbereich unter Wasser.“ Nach Angaben des BSH wird der Wasserstand den gesamten Freitag hoch bleiben und erst im Laufe des Samstags wieder langsam zurückgehen.

Stürmischer Wind und aufgewühltes Wasser im Tollensesee erschwerten am Donnerstag die Aufklärung des mysteriösen Frauenmordes bei Neubrandenburg. Wegen des Wetters konnte vorerst nicht auf dem Wasser nach weiteren Leichenteilen gesucht werden, wie ein Polizeisprecher in Neubrandenburg sagte. Nur von Land aus wurde Ausschau nach Beweisstücken und weiteren Körperteilen des Opfers gehalten. Am Sonntag waren die ersten Teile einer Frauenleiche im See rund 100 Kilometer nördlich von Berlin aufgetaucht.

Nach einem schweren Hagelschauer westlich von Rostock ereigneten sich am Donnerstagmittag auf der Autobahn 20 mehrere Unfälle auf glatter Straße. Es habe in kurzer Zeit zwischen den Anschlussstellen Bad Doberan und Kröpelin (Landkreis Rostock) insgesamt vier Unfälle gegeben, sagte der Sprecher der Polizei in Güstrow, Gerd Frahm. Nach dem Schauer habe sich auf der Fahrbahn ein Schicht aus Eis und Schnee gebildet. Ein Kind wurde leicht verletzt. Der Gesamtschaden der Unfälle wird auf 50 000 Euro geschätzt.

Nationalpark Harz warnt vor Waldspaziergängen in höheren Lagen

Die Verwaltung des Nationalparks Harz hat angesichts der Wetterlage vor dem Betreten der Wälder in den höheren Lagen des Mittelgebirges gewarnt. Ab einer Höhe von etwa 650 Metern habe sich auf Ästen und Zweigen Nassschnee angesammelt, der eine Bruchgefahr für die überlasteten Bäume bedeute, sagte Nationalpark-Sprecher Friedhart Knolle am Donnerstag. Der aktuelle Sturm verschärfe diese Lage weiter.

Der Deutsche Wetterdienst (DWD) rechnet im Harz mit Orkanböen und starken Schneeverwehungen. Auf dem Brocken muss demnach bis Donnerstagabend (18.00 Uhr) mit Windgeschwindigkeiten von mehr als 140 Kilometer pro Stunde gerechnet werden.

Sturmtief Andrea beschert Rettungskräften Einsätze im Minutentakt

Sturmtief Andrea hat den Rettungskräften in der Stadt Oldenburg sowie den Landkreisen Verden und Osterholz Einsätze im Minutentakt beschert. In Oldenburg mussten am Donnerstagnachmittag nach Angaben der Feuerwehr binnen 90 Minuten mehr als 20 umgestürzte Bäume von Dächern, Fahrbahnen und Fahrzeugen geräumt werden.

In den Landkreisen Verden und Osterholz sah es ähnlich aus. In Verden kippte ein Baum auf eine Bushaltestelle, wie die Polizei mitteilte. In Scharnhorst blockierte ein umgestürzter Baum die Hauptstraße, in Achim wurde eine Garage umgeweht. Zwei Autos wurden in Buschhausen durch einen umgestürzten Baum beschädigt. Mehrere Straßen mussten vorübergehend für den Verkehr gesperrt werden.

Baum stürzt auf Bremer Straßenbahn

Durch das Sturmtief Andrea ist ein zwanzig Meter langer Baum am Nachmittag auf die Straßenbahnlinie 6 in Bremen gefallen. Zehn Personen mussten von der Feuerwehr aus der Bahn befreit werden, sagte ein Sprecher der Feuerwehr am Donnerstag. Die Oberleitung des Schienennetzes in der Wachmannstraße sei beschädigt worden. Verletzte habe es dabei nicht gegeben.

Die Räumungsarbeiten sollten bis in die Abendstunden andauern. Die Linie war für mehrere Stunden unterbrochen.

Weitere Sturmmeldungen:

In Norddeutschland gab es nach Angaben von Polizei und Feuerwehr zunächst keine nennenswerten Schäden . Nur wenige Bäume seien umgekippt. Vorsorglich waren mehrere Brücken für Autos mit Anhängern und leere Lastwagen gesperrt worden. Fähren stellten den Betrieb ein. Im Bodenseekreis im Südwesten beschädigten umfallende Bäume drei fahrende Autos, Menschen seien aber nicht zu Schaden gekommen, hieß es. Die Zoos in Karlsruhe und Heidelberg sowie einige Friedhöfe blieben geschlossen.

In Nordrhein-Westfalen wurden zunächst keine größeren Schäden gemeldet. Am Donnerstagmorgen war eine Gewitterlinie mit starkem Regen und schweren Sturmböen mit Windgeschwindigkeiten bis 100 Kilometern pro Stunde übers Land gezogen. Bis zum Abend erwarten die Meteorologen weitere Sturmböen und Regen. Unwetterwarnungen wurden aber größtenteils aufgehoben.

Auf dem Brocken im Harz und auf den Alpengipfeln könne es zu extremen Orkanböen mit Geschwindigkeiten über 140 Stundenkilometer kommen, warnte der DWD am frühen Morgen. Für Thüringen, Baden-Württemberg und Bayern wurden starke Schneeverwehungen angekündigt. Köln bereitete sich auf das erste Hochwasser des Jahres vor. „Inzwischen ist die Hochwassermarke eins erreicht“, sagte der Leiter der Hochwasserschutzzentrale in Köln, Reinhard Vogt. „Es gibt erste Einschränkungen für die Schifffahrt.“

In Frankreich zog der Sturm vor allem über den Norden des Landes, wo er in der Nacht zu Donnerstag nach Angaben der Feuerwehr Schäden an Dächern und Oberleitungen anrichtete. Ein umgestürzter Baum auf der Autobahn A 1 Lille-Paris verursachte einen Unfall mit zwei Lastwagen. Die Strecke musste am frühen Morgen vorübergehend gesperrt werden.

Unwetter fordert ein Menschenleben in Belgien

Bei schweren Unwettern infolge des Orkans "Andrea"ist ein 64-jähriger Belgier ums Leben gekommen. Der Mann wurde im flämischen Roosdaal bei Brüssel von einer etwa fünf Meter hohen Tür erschlagen,berichtete die Nachrichtenagentur Belga. Bei den Unwettern im ganzen Land gab es zudem mehrere Verletzte. Der Wind fegte mit mehr als 100 Kilometern pro Stunde über das Land. Häuser wurden abgedeckt, Bäume stürzten um, überflutete Straßen waren unpassierbar.

Die Thalys-Hochgeschwindigkeitszüge verspäteten sich auf dem Weg von den Niederlanden nach Brüssel. Wie Thalys mitteilte, hatten die Züge bis zu eine Stunde Verspätung.Reisende nach Deutschland kamen wegen eines Unfalls auf der Strecke Paris-Brüssel-Köln am Morgen mehr als eine Stunde verspätet an. Grund war nach Angaben von Thalys aber nicht das Wetter, sondern ein nicht näher beschriebener Personenschaden in Nordfrankreich. (abendblatt.de/dpa/dapd)