Das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) urteilte, dass auch das bloße Betrachten von Kinderpornos im Internet strafbar ist.

Hamburg. Das bloße Betrachten von Kinderpornos im Internet ist strafbar - so hat es das Hanseatische Oberlandesgericht (OLG) entschieden. Wie bewerten Kriminalisten und Juristen das Urteil?

Was ist neu an dem Urteil?

Das OLG hat einen spezifischen Besitzbegriff entwickelt, der sich von dem bisherigen "körperlichen" (Speichern der Dateien auf Festplatte oder DVD) insoweit abgrenzt, als dass nun auch das Verbringen in den volatilen Speicher (Arbeitsspeicher) einen Besitzstatus begründet. Ähnlich hatte bereits 2005 das OLG Schleswig entschieden. Laut Urteil macht sich aber nur derjenige strafbar, der vorsätzlich eine Kinderporno-Seite aufruft. Es handelt sich um eine richtungsweisende grundsätzliche Bedeutung für die Rechtsprechung zu § 184 b StGB (Besitz kinderpornografischer Schriften).


Was sind die Folgen?

Kriminalisten beurteilen die Tragweite der Entscheidung skeptisch: So könnten Konsumenten etwa ihren Internet-Cache (Zwischenspeicher) abschalten. Immerhin lasse sich nun ein Anfangsverdacht leichter begründen. Nicht selten hängt ein Ermittlungsverfahren von der Menge ab - in Hamburg etwa liegt der Schwellenwert für eine Anklage bei rund 100 Dateien. Eventuell werde die Staatsanwaltschaft häufiger auch "Fälle anklagen, in denen dem Beschuldigten nur das Betrachten, nicht aber der Wille zu einer Speicherung der Dateien nachweisbar ist", sagt Gerichtssprecher Conrad Müller-Horn.

Wie verbindlich ist das Urteil?

Gelangt ein OLG zu einer anderen Rechtsauffassung, muss der Bundesgerichtshof (BGH) entscheiden. Ob der BGH das Urteil halten wird, ist für den Kriminologen Arnd Hüneke (Leibniz-Universität Hannover) fraglich. "Der Besitzbegriff ist sehr weit ausgelegt worden. Ich glaube daher, dass das Urteil nicht nur von der Wissenschaft mit Kritik überhäuft wird, sondern auch von anderen Gerichten nicht berücksichtigt wird."

Was tun, wenn man versehentlich auf einer Kinderporno-Seite landet?

Wolfgang Reinert, Sachgebietsleiter "Pornografie" beim Hamburger Landeskriminalamt, rät: "Wer auf so eine Seite geraten ist, sollte das LKA informieren. Wir werden den Hinweisen nachgehen." Das Bündnis gegen Kinderpornografie "White IT" bietet im März ein Plugin an, das in den Browser integriert werden kann. "Damit können anonym einschlägige Seiten angezeigt werden. Die Daten werden an den Dachverband der Internet-Beschwerdestellen (Inhope) weitergeleitet. Inhope setzt sich bei den Providern für eine Löschung der Dateien ein", sagt Thorsten Nowak, Projektleiter White IT. "Unser Ziel: den Schmutz aus dem Netz kriegen."

Welche Schwierigkeiten haben die Ermittler?

Bei verdachtsunabhängigen Recherchen gehen den Ermittlern immer wieder Täter ins Netz: So werden zum Beispiel einschlägige Tauschbörsen oder Chatrooms überwacht. Die IP-Adresse, die jedem Computer im Internet zugewiesen wird, kann so ermittelt und von den Providern - beispielsweise der Telekom - in reale Namen aufgelöst werden. Jedoch speichern sie die Verbindungsdaten unterschiedlich lang. Zwar gelingt es immer wieder, Kinderporno-Ringe hochgehen zu lassen: Wird ein Täter gefasst, lassen sich meist weitere Namen zuordnen, zumal die Konsumenten meist in Kontakt stehen. Das zentrale Problem aber bleibt: Anbieter operieren international, in 95 Ländern gibt es keine Gesetze gegen Kinderpornografie. In Hamburg hat das LKA 2008 rund 700 Kinderporno-Fälle bearbeitet.