Sie möchten Ihr Gleichgewichtsgefühl und Ihr Herz-Kreislauf-System trainieren? 350 000 Menschen erfreuen sich in der Hansestadt am Skaten.

Es ist fast zwei Jahrzehnte her, da zog ein Mann rollend im Klövensteen seine Bahnen. Volker Nagel kann sich noch gut daran erinnern, wie er im Forst zwischen Sülldorf und Rissen eine Runde von zwölf Kilometern drehte: "Damals war ich völlig allein." Ein Exot? Ein Trendsetter!

Falls Sie also früher einmal auf Rollschuhen gestanden haben - vergessen Sie's!

Statt des ratternden Fahrens auf jeweils zweimal zwei parallel angeordneten wackeligen Rädern ist das leise Gleiten auf vier hintereinander montierten Rollen pro Schuh angesagt: Inline-Skating. Längst mehr als ein Trendsport. Und auch Sie können Teil dieses Roll-Kommandos werden!

Wenn Volker Nagel im Frühling und Sommer wieder mal im Klövensteen auf Inline-Skates unterwegs ist, begegnet er inzwischen vielen Läufern, die ihr Auto auf einem Parkplatz abgestellt haben und die asphaltierten Wirtschafts- und Wanderwege für ihr Freizeitvergnügen nutzen. Singles, Eltern mit Kindern, sogar Großeltern, sie alle sind auf die Rollen gekommen.

Das hätte Nagel, Sportwissenschaftler mit einem stets interdisziplinären Ansatz, auch nicht gedacht, als er Anfang der 90er-Jahre einem ehemaligen Leistungsruderer ein halbes Dutzend Paare jener aus Kalifornien importierten Skates abnahm - ursprünglich, um damit Skifahrer beim Sommertraining zu fordern. "Inline-Skating ist zum nachhaltigen Breitenport gewachsen", sagt Nagel heute. 1996 hatte der Uni-Dozent die Hamburger Inline-Skating Schule (HIS) als Förderverein des Fachbereichs Bewegungswissenschaft gegründet. Mehr als 350 000 Hamburger, schätzt Nagel, stehen inzwischen zumindest ab und zu auf Inlinern, etwa 50 000 haben das Skaten in Kursen der HIS erlernt. Hamburg ist die deutsche Hochburg - und das Inlineskating mit bundesweit 13 bis 15 Millionen Menschen längst eine Massenbewegung.

Die Vorteile? Diese liegen, wenn schon nicht auf der Hand, so doch auf beiden Füßen. Dank der gleitenden Bewegung ist Skaten gelenkschonender als etwa Joggen, bei dem ein Läufer mit jedem Schritt das Zwei- bis Dreifache seines Körpergewichts abfedern muss.

Sie können bereits Schlittschuh oder Ski fahren? Umso mehr können Sie sich der Leichtigkeit des Rollens hingeben. Aber auch bei Neulingen stellen sich relativ schnell beschwingte Bewegungsgefühle ein. "Skaten gehört zu den besonders wertvollen Ausdauersportarten, die sanft wirken und das Gleichgewichtsgefühl schulen", erklärt Nagel. Der Sportwissenschaftler: "Außerdem fördert es das Herz-Kreislauf-System." Fitness mit Fun.

Was Sie auf Rollen als Erstes lernen sollten, ist indes nicht das Fahren, sondern das Bremsen! Das können Neueinsteiger etwa bei der HIS im Kursus "Absolute Beginners". Das Anlegen und das Tragen einer korrekten Ausrüstung mit Helm und dem Schützer-Set (siehe Tipps & Termine) vorausgesetzt, geht es dabei vor allem um eigene Fall-Studien: Das Nach-vorn-Fallen auf die (Knie-)Schoner sowie Ellenbogen- und Handgelenkschützer ("Mehrpunktlandung") ist die erste Bremstechnik, dazu kommt schonendes Hinfallen im "Vierfuß-Stand". Das Rollern zunächst auf einem Skate mit beiden Händen an einem Einkaufswagen ist ein weiterer Zwischenschritt hin zum Skaten. Wenn Sie dann zum ersten Mal ohne Hilfsmittel wie Einkaufswagen oder Reifen auf acht Rollen stehen, geht es vor allem darum, dass der Körperschwerpunkt konsequent über beiden Skates liegt.

Beliebt ist das Skaten weniger wegen des Renncharakters. So haben die von der HIS organisierten "Alsterrunden" mit einer je dreistündigen freien Fahrt für Skater seit 2001 durchschnittlich 15 000, in der Spitze sogar 30 000 Menschen auf die gesperrten Straßen rund um die Außenalster gelockt. Ohne Zeitnahme, stattdessen "als sanfte, lustvolle Fortbewegung", wie es Nagel ausdrückt. "Inline-Skating ist ein allgegenwärtiges Element unserer Bewegungskultur geworden." An dem die ganze Familie teilhaben kann.

"Im vergangenen Jahr konnten wir nur eine 'Alsterrunde' veranstalten, in diesem Jahr hoffen wir, noch Sponsoren zu begeistern", erläutert HIS-Geschäftsführerin Katharina Burdorf. Obwohl Geldgeber nicht mehr ganz so leicht zu bewegen sind, sieht HIS-Gründer Nagel in Hamburg "ein gutes Netzwerk".

Ein Pluspunkt ist die Stadt selbst mit ihren schönen Strecken in Randlagen. Drei von Katharina Burdorf und Volker Nagel entwickelte Touren, zusammengefasst in der HIS-Broschüre "Inline-Skating für Hamburg", stellen wir Ihnen detailliert unter www.abendblatt.de vor. Zudem gibt es in Hamburg eine gesunde Vereinsstruktur - außer der HIS bieten mehrere große Klubs ständig Kurse an, in denen auch Sie laufend einsteigen können. Und über zahlreiche an der Uni ausgebildete Lehrer hat der Sport inzwischen Einzug in die Schulen gehalten. Besonders positiv: Die bewegten Situationen beim Skaten fördern Wahrnehmung und Mobilität bei Kindern. Bei Behörden und Polizei sei die Akzeptanz mit den Jahren gewachsen, zuletzt auch unter ökologischen Aspekten, meint Nagel. Ein Problem im Alltag bleibt indes: Rechtlich sind Inline-Skater noch immer nicht Radfahrern gleichgestellt; juristisch werden Skates eher wie ein Spielzeug und nicht wie ein Sportgerät bewertet. Die Benutzung von Radwegen für Inline-Skater ist somit nur toleriert, nicht aber erlaubt.

Wenn Sie - ob Neu- oder Wiedereinsteiger - also gut geschützt (!) in diesem Jahr ihre ersten Schritte auf Inline-Skates machen, sollten Sie zur Sicherheit erst mal auf Schulhöfen und Parkplätzen fahren - oder auf verkehrsfreien Wegen wie im Klövensteen. Roll on!