Mehrere Tausend Gegner der schwarz-grünen Schulreform protestierten in der Innenstadt und gingen mit GAL sowie CDU hart ins Gericht.
Hamburg. Gut zwei Stunden gehörte die Hamburger Innenstadt am Sonnabend Mittag den Gegnern der schwarz-grünen Schulreform. Nach Angaben der Polizei zogen knapp 5000 Demonstranten vom Gänsemarkt über den Jungfernstieg zum Rathausmarkt. Laut der Initiative „Wir wollen lernen“, die die geplante Einführung der sechsjährigen Primarschule per Plebiszit stoppen will, waren sogar rund 6000 Eltern, Schüler, Lehrer und andere Unterstützer gekommen. Das wären etwas mehr Protestler als bei der letzten großen Kundgebung der Initiative im April mit rund 5000 Teilnehmern.
Es war ein lautstarker und fröhlicher Protest: Mit Trillerpfeifen, Rasseln und Topfdeckeln machten sie ihrem Unmut über die „unausgegorene und schlampig geplante Reform“ Luft. „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Bildung klaut“, skandierten die Reformgegner, von denen viele dem bürgerlichen Lager entstammen, nach zaghaftem Anfang immer entschlossener. Doch die Kritiker kommen nicht nur aus den wohlhabenderen Stadtteilen, wie die selbstgemalten Schilder zeigten: Vertreten waren unter anderem auch Ottensen, Niendorf, Bergedorf , Marmstorf und Allermöhe.
Im Zentrum des Protests standen Schulsenatorin Christa Goetsch (GAL) und Bürgermeister Ole von Beust (CDU), die von den zahlreichen Rednern immer wieder direkt angesprochen und angegriffen wurden. „Frau Goetsch hat es nicht geschafft, unsere Ängste und Zweifel an der Reform zu beseitigen“, rief Susanne Gernand, eine der Organisatorinnen. Das zu hohe Tempo der Reform, die ungeklärte Kostenfrage, die Abschaffung des Elternwahlrechts und die Sorge um eine Verschlechterung des Lernniveaus sind die Hauptkritikpunkte. Das verbreitete Gefühl: Die Kinder würden als „Versuchskaninchen“ eines Schulexperiments missbraucht. „Herr von Beust, stoppen Sie den Selbstverwirklichungswahn der Schulsenatorin“, sagte Jörg Ahlers, Vater von drei Kindern. Der Schauspieler Sky du Mont, einer der prominenten Unterstützer des Volksbegehrens, glaubt nicht mehr an eine Kehrtwende bei von Beust. „Es ist fast schon kindliches Verhalten, wie sich Ole von Beust jeglicher Einsicht verweigert“, rief du Mont.
Hart gingen die Redner auch mit der CDU ins Gericht, die die „grüne“ Reform gegen ihre Überzeugungen und nur aus Machtkalkül mitmache. Der härteste Kritiker kam sogar aus den Unions-eigenen Reihen. „Ich schäme mich dafür, dass die CDU ihre schulpolitischen Grundsätze verraten hat“, sagte Fridtjof Kelber, langjähriger CDU-Bürgerschafts-Fraktionsvize und Schulexperte. Auf einem Protestschild stand „Chaos durch Unfähigkeit“ als neue Bedeutung des Parteikürzels CDU.
Walter Scheuerl, der Sprecher der Volksinitiative gegen die Reform, warf Goetsch vor, dass sie versuche, „vollendete Tatsachen zu schaffen, wo sie kann“. Aber, so Scheuerl, noch sei nichts beschlossen. „Die Reform kann von uns gestoppt werden“, rief der Rechtsanwalt und meinte damit das Volksbegehren als ersten Schritt. Von Ende Oktober bis Mitte November müssen die Reformgegner rund 62.000 Unterschriften sammeln, dann kommt es im Juli zum Volksentscheid. Für Ole von Beust hatte Scheuerl schon eine Bahnfahrkarte nach Berlin mitgebracht. „Erster Klasse und ohne Rückfahrt“, so Initiativen-Sprecher hämisch. Grund: Es war darüber spekuliert worden, ob von Beust nach der Bundestagswahl als Umweltminister in eine schwarz-gelbe Bundesregierung eintreten könnte.
Der emotionale Höhepunkt gelang dem Pianisten Joja Wendt: Er stimmte zum Abschluss auf dem Rathausmarkt spontan den Beatles-Klassiker „Let it be“ mit abgewandeltem Text und als politische Forderung verpackt an, und Tausende sangen mit.