Die Designerin Jette Joop schreibt exklusiv im Abendblatt: Was sie schon als Kind an der großen Jil Sander faszinierte, was sie noch heute an ihr bewundert und was sie ihr von Herzen zum Geburtstag wünscht. Hier geht’s zur Bildergalerie.
An meine ersten Begegnungen mit Jil Sander erinnere ich mich nur schemenhaft. Ich war noch ein Kind, und mein Vater Wolfgang zeichnete für sie. Schon damals wurde von ihr in der Familie als großer Star am Modehimmel gesprochen und geschwärmt, wie präzise und perfektionistisch sie arbeitet. Als Zehnjährige fand ich sie wunderschön: zerbrechlich wie eine schmale Marilyn Monroe, sensibel, stets in Schwarz gekleidet, intellektuell, und dennoch spürte man diese unglaubliche Disziplin und ihren eisernen Willen. Dafür habe ich sie bewundert.
Es ist schon faszinierend, wie aus einer 24-jährigen Frau mit einer Boutique in Pöseldorf in kurzer Zeit eine internationale Modeunternehmerin wurde. Ich habe mich oft gefragt, ob sie sich selber diese Karriereschritte vorgestellt hat, ob das der Plan ihres Lebens war. Sie war auch Vorbild für mich. Ausgetauscht über meinen Berufsweg haben wir uns allerdings nie. Nachdem sie ihr Parfum auf den Markt gebracht hatte, zerstritten sich mein Vater und sie - ich weiß gar nicht mehr, warum eigentlich. Ich war darüber sehr traurig, denn sie hatten eine tolle gemeinsame Zeit. Zum Beispiel waren Jil Sander, ihre damalige Freundin Monika und Wolfgang gemeinsam in Tunesien auf einer Fotoproduktion, bei der magische und fröhliche Fotos entstanden.
Ich glaube, dass ihr Weg in die Modebranche sehr steinig war: Als junge hübsche und erfolgreiche Frau weht einem ein kalter Wind entgegen. Das war früher sicherlich schon genauso wie heute. Das hat sie härter gemacht. Aber durch ihre Unabhängigkeit und ihren Kampfeswillen hat sie es geschafft, ihre eigenen Regeln aufzustellen, frei zu sein - beruflich wie privat - und das in der doch recht konservativen Hamburger Gesellschaft. Auch sie hat viel zur Emanzipation der Frau beigetragen. Dabei ist sie immer unaufdringlich, aber sehr nachhaltig geblieben. Jil Sander hat es wie keine andere verstanden, ihre persönlichen Vorlieben auf die Marke zu übertragen: das Pure, Gerade, die schlichte Eleganz, ob beim Hosenanzug oder beim Parfüm. Deshalb funktioniert die Marke Jil Sander bis heute noch.
Ich wäre froh, wenn ich dies mit meiner Marke auch schaffen könnte. Immerhin ist auch mein Markenname eine Abkürzung für Henriette, ebenso wie es Jil für Heidemarie Jiline ist. Später habe ich sie nur noch selten gesehen. Ein paar Mal waren wir zusammen bei Hochzeiten oder anderen gesellschaftlichen Anlässen eingeladen. Jil Sander kam mit ihrer Freundin und - trotz adliger Gesellschaft und entsprechender Etikette - nicht im hoch dekorierten Abendkleid, sondern immer im minimalistischen Hosenanzug. Das fand ich konsequent. Sie hat ein Konzept für sich erfunden und es kontinuierlich durchgezogen. Einmal, ich glaube, es war auf einer Party von Alexandra von Rehlingen, haben wir uns getroffen, als mein erstes Parfum "Jette" herausgekommen war. Sie reichte mir die Hand und lächelte fast scheu. Es drückte aus: 'Ich weiß, wer du bist und was du machst, und erkenne es an.' Diese Geste bedeutete mir mehr als 1000 Worte.
Dass eine Frau wie Jil Sander ihre Firma an einen Mann wie Patrizio Bertelli von Prada verkauft hat, hat mir damals sehr leidgetan. Ich denke, dass ihr das sehr schwergefallen ist.
Ein Comeback mit 65? Warum nicht. Wenn man diese kreative Kraft in sich hat, hört sie nie auf zu kribbeln. Ich kann mir gut vorstellen, dass Jil Sander Häuser einrichtet, fotografiert oder junge Designer fördert. Wie sagt man so schön: It ain't over till it's over. Meinen herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag. Auf dass ihre Träume in Erfüllung gehen.