Vier Wochen dauerten die Verhandlungen. Über 100 Stunden haben Bürgermeister Ole von Beust und CDU-Landeschef Michael Freytag in zwölf Runden mit GAL-Chefin Anja Hajduk und der Grünen-Spitzenkandidatin Christa Goetsch über die Inhalte für ein schwarz-grünes Bündnis gestritten - und sich letztlich geeinigt. Zurück konnten sie ohnehin nicht, nach dem vielfach bekundeten Einigungswillen und den tatsächlichen Kompromissen, die sie gnädigerweise Häppchen für Häppchen der gespannten Öffentlichkeit darboten.

Bewiesen haben sie damit mindestens den Willen und den Mut zu einer bislang in der Geschichte der Bundesrepublik auf Landesebene einmaligen Koalition, die vor einigen Jahren in beiden Lagern noch als undenkbar galt. Aber werden sie auch mehr bewiesen haben als das eindeutig nachgewiesene Sitzfleisch und die Wagnisbereitschaft, eine neue politische Konstellation auszuprobieren?

Genauer werden wir das heute Abend wissen, wenn die Koalitionsvereinbarung vorliegt - sofern die Schwarzen und die Grünen ihre selbst gewählte Terminplanung auch tatsächlich einhalten.

Ein Bündnis zwischen den Konservativen und den einstigen Schmuddelkindern, die längst politisch erwachsen geworden sind, böte eine große Chance - und zwar nicht nur, um als politische Minenhunde in Hamburg für die Großkopfernden ihrer Parteien in Berlin neue Regierungsoptionen auszuprobieren - falls es etwa für Frau Merkel für die nächsten Bundestagswahlen im Herbst 2009 nicht für ein Bündnis für die FDP reicht oder die Grünen sich nicht etwa für eine rot-rot-grüne Kooperation öffnen wollen. Oder zum Beispiel in Hamburg die Macht zu erhalten oder an sie zu kommen, weil andere Bündnisse der Wähler nicht gewollt hat.

Das schwarz-grüne Experiment in Hamburg bietet die Chance, mit neuer Kreativität und Kompromissfähigkeit aktuelle und zukünftige Aufgaben zu lösen. Das Ziel ist respektabel, heute werden wir erfahren, ob die Parteien dieser Verantwortung gerecht werden wollen.

Und ob die ungleichen Partner sich in Formelkompromisse flüchten und damit politischen Stillstand produzieren. Das können wir täglich in der Großen Koalition in Berlin besichtigen. Eine Koalition mit der SPD hätte Ole von Beust quasi im Sonderangebot in Hamburg bekommen können.

Das war politisch nicht gewollt.

Wenn Schwarz-Grün in Hamburg eine erfolgreiche Veranstaltung werden will, dann geht das nur, wenn die Koalitionäre ihre jeweiligen Rucksäcke von ideologischem Ballast befreit haben - für eine handlungsfähige Regierung, für die Zukunft unserer Stadt.

Hamburg ist wirtschaftlich außerordentlich erfolgreich - und das wird maßgeblich davon bestimmt, dass die Hansestadt (die Unternehmer wie die Beschäftigten) als Welthandels- und Seehafenstadt vor der globalen Wirtschaftsentwicklung profitiert. Das gilt aber nur, wenn die Kapazitäten des Hafens Schritt halten können mit dem ungebrochenen Umschlagwachstum. Schiffe, auch größere, müssen in den Hafen kommen können. Die Elbvertiefung ist daher genauso unumgänglich wie die Verbesserung des ablaufenden Containerverkehrs. Das heißt: Wir brauchen die Hafenquerspange genauso wie den Ausbau des Schienenverkehrs. Bleiben die ersten 1000 Container im Hinterlandverkehr stecken, drohen Wirtschaftswachstum und Beschäftigung strukturelle Einbrüche.

Das kann die GAL nicht wirklich verhindern wollen. Hier darf es keine Formelkompromisse geben - genauso wenig wie beim Konfliktfall Moorburg. Auch hier muss es zentrale Entscheidungen geben. Kommt das geplante große Kohlekraftwerk nicht zustande, die Lieferung französischen Atomstroms auch nicht infrage, kann es vielleicht nur zukunftsträchtige Lösungen aus dem Bereich anderer Energien geben. Dazu brauchen die künftigen Koalitionäre Mut - und die konstruktive Mitwirkung des betroffenen Energieversorgers. Auch das kann man nicht auf den St.-Nimmerleins-Tag verschieben. Der Verzicht auf eine gesicherte Energieversorgung käme allen Hamburgern teuer zu stehen. Vielleicht schaffen die Koalitionäre einen kreativen Mix - vielleicht etwas teurer, aber zukunftsführend. Das muss idelogiefrei diskutiert werden - auch von der GAL. Die Lichter, das der CDU ins Stammbuch geschrieben, werden schon nicht ausgehen. Da wurde schon zu oft und zu laut auf dem falschen Bein Hurra geschrien. Der schnelle Brüter in Kalkar (wer erinnert sich da noch?) ist heute ein Freizeitpark. Und trotz des Atomausstiegs ist Deutschlands Wirtschaftskraft ungebrochen, unser Land Export-Weltmeister. Und im unionsregierten Saarland ist gerade ebenfalls der Bau eines Kohle-Meilers gescheitert.

Pragmatisch und ideologiefrei - das scheint heute schon sicher - ist etwa der Kompromiss in der Verkehrspolitik. Wenn wir etwa in ein paar Jahren auf ausgewählten Linien wieder Straßenbahn fahren, ist das nicht nur preiswert und umweltfreundlich, sondern hilft auch den neu angeschlossenen Stadtteilen. Wenn es jetzt auch noch Extrageld für Radwege gibt, können wir uns eigentlich nur alle freuen. Über den miserablen Zustand der vorhandenen Wege haben wir uns schon lange genug geärgert.

In der Schulpolitik hat die CDU schon in der vergangenen Legislaturperiode bewiesen, dass sie ideologisch Ballast abwerfen kann. Wenn unsere Kinder demnächst sechs Jahre gemeinsam lernen, folgen wir nur dem Beispiel vieler, auch konservativ regierter Länder in Europa. Alles wird darauf ankommen, die Reform mit Eltern und Kindern, mit Lehrern und Schülen in aller Ruhe gemeinsam anzugehen.

Vor allem mit den Eltern. Diese Reform ist zu wichtig, um sie den Bildungsfunktionären allein zu überlassen.