Bringt die Technik tatsächlich mehr Sicherheit - oder wird sie unverhältnismäßig oft eingesetzt? Das Abendblatt hat bei Hamburgern nachgefragt.
In der U-Bahn, beim Gemüsehändler um die Ecke, im Tabakladen, im Hallenbad und jetzt sogar im Cafe - die elektronischen Augen von Videokameras verfolgen in Hamburg mittlerweile selbst in kleinen Geschäften das Geschehen. Ein erwachsener Hamburger, der mit öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fährt, sich normal in der Stadt bewegt und dort einkauft, wird nach Schätzung des Hamburgischen Datenschutzbeauftragten Hartmut Lubomierski "mindestens fünfmal am Tag von irgendeiner Videokamera gefilmt". Und das nicht nur, wenn er über Reeperbahn oder Hansaplatz schlendert, wo aus Sicherheitsgründen die Polizei Kameras aufgebaut hat. Tatsächlich haben nach Einschätzung des Hamburger Einzelhandelsverbands mittlerweile auch "mehr als 30 Prozent" der rund 10 000 Geschäfte in der Stadt eine solche Videokamera installiert - während diese Art der privaten Überwachung vor einigen Jahren nur bei wenigen großen Einzelhandelsbetrieben üblich war. Seit vier Jahren sind auch alle 20 Hallenbäder der städtischen Bäderland GmbH damit ausgerüstet, und selbst die Saga überwacht in einigen Wohnanlagen Hauseingänge und sogar Fahrstühle. "Die Technik ist sehr günstig geworden und stellt ein gutes Mittel gegen hohe Diebstahlsverluste dar", so Ulf Kalkmann, Geschäftsführer des Einzelhandelsverbands Hamburg.
Sind wir also auf dem Weg in die totale Überwachung - oder bringt die Videotechnik einfach nur mehr Sicherheit? Die Meinungen darüber sind geteilt, wie ein Stimmungsbild zeigt, das das Abendblatt bei einer Straßenumfrage ermittelte. Datenschützer Lubomierski warnt allerdings vor einem Wildwuchs der Videokameras: "Es gibt eine absolute Zunahme, und es ist an der Zeit, dass sich die Leute wehren." Die Klage gegen Balzac Coffee begrüße er daher außerordentlich. "Wir brauchen ein neues Bewusstsein des Sich-Wehrens." Zumal der Einsatz gesetzlich streng geregelt sei. Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume dürfe es nur geben, wenn es beispielsweise nachweislich zu schwerwiegenden Diebstählen gekommen ist.
Lubomierski: "Es darf kein Mittel sein, um Personal einzusparen." Zudem seien intime Bereiche ausgeschlossen, Umkleidekabinen in Kaufhäusern oder Fitness-Centern seien deshalb für die Videoüberwachung tabu. Kameras dürften auch in Hallenbädern nur auf einbruchsgefährdete Spinde gerichtet sein. "Beim Umziehen darf niemand gefilmt werden", so Lubomierski. Zudem müsse es immer einen Hinweis auf den Kameraeinsatz geben. Streng geregelt sei auch die Mitarbeiter-Überwachung, wie sie jüngst bei einem Discounter bekannt geworden sei. "Das geht nur, wenn es Diebstähle gegeben hat, der Betriebsrat und die Polizei eingeschaltet sind", so Hamburgs Datenschützer.
Anders als Lubomierski sehen die Anwender der Videoüberwachung eher Vorteile der neuen Technik, die im Elektronikhandel in "professioneller Ausführung" schon für rund 500 Euro zu haben ist. "Wir haben gute Erfahrungen gemacht, Vandalismusschäden werden deutlich weniger, und unsere Mieter fühlen sich sicherer", sagt etwa Saga-Sprecher Carl Mario Spitzmüller. Auch Verbands-Geschäftsführer Kalkmann hält den Einsatz von Videokameras für gerechtfertigt - vor allem, wenn ein Geschäft unter besonders vielen Diebstählen zu leiden hat.
Letztlich würden Geschäfte damit vor Insolvenz geschützt und Arbeitsplätze gerettet, so Kalkmann. "Wir geben aber immer die Empfehlung, dass alle gesetzlichen Anforderungen eingehalten werden."
Doch dass alle privaten Videoüberwacher sich streng an die Vorgaben halten, mag Datenschützer Lubomierski nicht glauben. Nur wenn sich mehr Bürger gegen die allgegenwärtige Videoüberwachung wehren, werde es ein Umdenken geben. Lubomierski: "In der U-Bahn ist die Videokamera gut für das Sicherheitsgefühl - in jedem kleinen Laden oder Lokal muss es nicht sein."