Janet S. musste nächtelang Räume reinigen, obwohl in ihrem Vertrag nur eine Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche vereinbart war.

Umgehen Hamburger Reinigungsfirmen den gesetzlichen Tarifstundenlohn von 7,87 Euro, indem sie ihre Mitarbeiter zwingen, unbezahlte Überstunden zu machen? Diesen Verdacht äußert die Gewerkschaft IG BAU im Abendblatt. So klagte etwa eine Hamburgerin gegen ihren früheren Arbeitgeber, weil der ihre Mehrarbeit nicht bezahlen wollte. Kein Einzelfall sagt die Gewerkschaft - und das, obwohl die Reinigungsfirmen seit Juli 2007 dazu verpflichtet sind, den Mindestlohn nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz zu zahlen.

Janet S. (43) hat von April bis Oktober bei der Firma Peterhoff gearbeitet. Gerade in den ersten drei Monaten habe sie manchmal nächtelang geputzt. Und das, obwohl in ihrem Vertrag nur eine Arbeitszeit von 20 Stunden pro Woche ausgemacht war. "Ich dachte, ich bekomme die Überstunden bezahlt", erklärt sie. Janet S. ist geschieden und hat zwei Kinder und wollte den Job unbedingt behalten. Auch die Bereiche, die sie reinigen sollte, seien zu groß gewesen, als dass sie sie in der Arbeitszeit hätte schaffen können. "Die Vorarbeiter machten andauernd Druck." Als sie nach den fünf Gehaltsabrechnungen fragte, wo der Rest des Geldes sei, erhielt sie sofort die Kündigung, das war am 18. September 2007. Zum Glück hatte sie ihre Stunden aufgeschrieben und klagte vor dem Hamburger Arbeitsgericht (Az.: 16182/07). "Die Mehr-Stunden nicht zu bezahlen, ist die gängige Praxis bei einigen Reinigungsfirmen. Alle sagen, sie zahlen nach Tarif. Nur eine Stunde ist nicht mehr eine Stunde. Sie zahlen nur die Hälfte", sagt ihr Rechtsanwalt Rainer Willhoeft. Im Grunde sei es das Gleiche wie bei dem Skandal, den das Hamburger Abendblatt im vergangenen Jahr aufdeckte. Damals bekam ein Zimmermädchen nur 2,46 Euro Stundenlohn. Dieser Fall löste die bundesweite Diskussion um den Tariflohn aus.

Im September etwa hatte Janet S. insgesamt 84,83 Stunden gearbeitet, aber nur 49 Stunden angerechnet bekommen. Das bedeutet im Prinzip: Für zwei Stunden Arbeit erhält sie nur den Lohn für eine. In diesem Fall fehlen ihr 281,35 Euro brutto. Insgesamt erhielt sie am Ende für die Monate Juli, August, September und Oktober eine Brutto-Nachzahlung in Höhe von 1393,86 Euro, das entspricht 177,11 Arbeitsstunden. Für die Monate April bis Juni war ihr Anspruch nach zwei Monaten bereits verfallen. Die Firma Peterhoff wollte sich auf Nachfrage zu dem Fall nicht äußern. Auch Mercy P. (45), die von Januar bis Oktober 2007 für Peterhoff arbeitete, schaltete den Anwalt ein und bekam eine Lohnfortzahlung von brutto 1200 Euro. Die Firma Peterhoff sei für ihren Umgang mit den Mitarbeitern bekannt und habe ein "schlechtes Image", so Jörn Förster, Branchensekretär Gebäudereinigung bei der IG BAU Region Nord. "Viele Arbeitnehmer kennen ihre Rechte nicht oder trauen sich nicht, etwas zu fordern", so Förster. Gerade die ungelernten Reinigungskräfte arbeiten oft länger, weil ihre Arbeitsverträge meist befristet sind. Von der Zoll-Einheit "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" werden die Reinigungsfirmen kontrolliert: "Bloß stichprobenartig. Wir können nicht alle der 1200 Reinigungsfirmen in Hamburg überprüfen", so Michael Klauen, stellvertretender Leiter. Beim Arbeitgeberverband der Gebäudereinigerinnung will man noch nichts von solchen Praktiken gehört haben. "Wir haben in der Branche keine aktuelle Kenntnis von Fällen, bei denen Firmen den Tariflohn umgehen, indem Überstunden nicht vergütet werden", so Volker Okun, Geschäftsführer der Innung. Zur Vorbeugung sei den Betrieben empfohlen worden, die Mitarbeiterstunden aufschreiben zu lassen, "damit korrekt abgerechnet werden kann".