Kopfnüsse, Schläge, Tritte - Cornelis van der M. (55) hatte keine Chance. Opfer konnte erst nach Tagen aussagen, wo der Tatort war.
Mit langsamen Bewegungen dreht sich Cornelis van der M. (55) zur Seite. Seine Freundin Elfriede B. (49), mit der er seit 18 Jahren "durch gute wie durch schlechte Zeiten geht", zieht vorsichtig an den Klebestreifen des Verbandes, der sein rechtes Ohr bedeckt. Warm ist es in der kleinen Wohnung in Niendorf, in der der Frührentner nun auf dem Sofa sitzt. Das Ohr haben Ärzte mit zahlreichen Stichen wieder zusammengeflickt. Sie haben dem gebürtigen Holländer eine Platte eingesetzt, weil das Jochbein zertrümmert worden war, haben ihm starke Medikamente gegen die Schmerzen gegeben. Weil drei Jugendliche ihn für einen Obdachlosen hielten, schlugen sie ihn am Neujahrsmorgen mit brutal zusammen. Der 55-Jährige trug schwere Verletzungen davon.
Es ist eine Tat, deren Brutalität selbst Polizeibeamte erschreckt: Die drei Täter versuchten - es war Neujahrsmorgen, etwa 7 Uhr - Cornelis van der M. ein Bein zu stellen. Schon seit vier Stunden war der Niendorfer mit dem "Hackenporsche", wie er seinen Einkaufs-Trolley nennt, durch die Straßen gezogen und hatte Pfandflaschen gesammelt. Seit Jahren bessert er sich so sein Hartz-IV-Geld auf. Er habe einfach weitergehen wollen, so sagt das Opfer. Doch wenig später sei ihm einer der Angreifer in den Rücken gesprungen. Dann folgten die Kopfnüsse, Schläge und Tritte. Trotz aller Brutalität: Der 55-Jährige will sich nicht einschüchtern lassen: "Ich werde wieder Flaschen sammeln, werde dort auch wieder entlanggehen." Aber ein mulmiges Gefühl werde er schon dabei haben.
Karl-Heinz M. (65, Name geändert) beobachtete die Tat am Neujahrsmorgen. Von explodierenden Knallkörpern war er wach geworden. Der Rentner ging im Pyjama auf den Balkon: "Da sah ich, wie zwei der Jugendlichen auf den an einem Gebüsch liegenden Mann eintraten. Es war fürchterlich. Ich rief sofort die Polizei." Einer der Täter habe einen blonden Streifen in seinen dunklen Haaren gehabt, ein anderer soll eine spitze Kapuze getragen haben. Der 65-Jährige und seine Frau sind besorgt über die Entwicklung in Niendorf: "Wir sind vor zehn Jahren hierhergezogen. Mittlerweile laufen hier merkwürdige Gestalten herum." Zudem ist es erst wenige Wochen her, dass ein 27-Jähriger nach Schlägen und Tritten vor einer Disco am Schippelsweg starb (wir berichteten).
Cornelis van der M. lebte bislang gern in Niendorf, das er stets als friedlich erlebt hat. Diese drei Typen habe er zuvor nie gesehen, sagt er. Und dass er hofft, man werde die Täter finden. Nur an einen konnte er sich so gut erinnern, dass der Spezialist im LKA ein Phantombild anfertigen konnte. Bilder aus den Überwachungskameras am Bahnhof gibt es nicht, weil van der M. erst nach Tagen aussagen konnte, wo er die Täter traf. Dass die Öffentlichkeitsfahndung erst jetzt eingeleitet wurde, erklärt Polizeisprecher Andreas Schöpflin damit, dass nun erst echte Anhaltspunkte zur Identifizierung der Täter gewonnen worden seien. Die Polizei vermutet sie in unmittelbarer Nachbarschaft des Tatortes.