Schranken, Metallzäune, verstärkte Personenkontrollen sollen vor Anschlägen auf Terminals und Schiffe schützen. Doch es gibt auch Kritiker des Systems.

"Sind Sie auf dem Schiff angemeldet?" Der drahtige Sicherheitsmann in der Eurogate-Pförtnerloge lässt keinen Zweifel, dass nur ein beherztes "Ja" des Besuchers jetzt nicht reicht, um weiter auf das Terminalgelände vorzudringen. Pass vorzeigen, Rückfrage beim Kapitän, Tagesausweis ausfüllen - die Prozedur dauert ihre Zeit. Draußen versperrt eine große Schranke den Weg, dann ein Tor, eine Ampel und noch einmal eine Schranke. Rundherum ist das Gelände mit einem hohem Metallzaun versperrt. Eine Hochsicherheitszone, wie man sie bisher nur von Flughäfen kennt. Und das nicht nur bei Eurogate: Jeder Terminal im Hamburger Hafen, der von Schiffen aus Übersee angelaufen wird, hat sich seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 mittlerweile in eine Art Fort Knox verwandelt. "Wir sind jetzt einer der sichersten Häfen der Welt", sagt Marco Haase, Sprecher der Hamburger Innenbehörde, stolz.

Die Prävention vor Anschlägen hat einen Namen: ISPS-Code. Die Abkürzung steht für International Ship and Port Facility Security Code und soll potenzielle Terroristen daran hindern, auf eine Hafenanlage oder ein Schiff zu gelangen. Ein Anschlag auf ein Handelsschiff oder gar ein Frachter als schwimmende Bombe gilt bei Terror-Experten als wahrscheinliches Szenario. "Ein sicherer Hafen ist daher auch ein wichtiger Standortfaktor, weil Unternehmen dort lieber ihre Waren umschlagen", sagt Haase. Etwas verhaltener begründet Eurogate-Geschäftsführer Emanuel Schiffer die Sicherheitsanforderungen: Terminalbetreiber müssten allein aus Wettbewerbsgründen mitmachen. Gerade Handelspartner aus den USA verlangten diesen Anti-Terror-Standard. "Ob es wirklich Sinn macht, ist eine zweite Frage", so Schiffer.

Tatsächlich wurde der ISPS- Code vor fünf Jahren auf Druck der USA in das internationale Übereinkommen zum Schutz menschlichen Lebens auf See (Solas) als Richtlinie aufgenommen und auch in Hamburg zum 1. Juli 2004 umgesetzt. Personenkontrollen, Gangway-Posten an den Schiffen, speziell ausgebildete ISPS-Sicherheitsbeauftragte, Zäune, Gefahrenpläne und andere Sicherheits-Routinen bestimmen seitdem den Hafenalltag. 76 Betriebe und Anlagen sind heute im Hafen nach Vorschriften des ISPS-Codes besonders geschützt. Das Fortbildungszentrum Hafen Hamburg hat dazu seit 2002 rund 700 spezielle ISPS-Experten ausgebildet - allerdings für alle deutsche Häfen. Sie lernen dort, wie man Personen kontrolliert, Gefahrenpläne erstellt oder Anlagen mit Zäunen sichert. Selbst eine Raster-Erkennung von Terroristen zählt zu dem von US-Behörden aufgestellten Ausbildungsprogramm. Aber auch auf den Schiffen selbst wurde hochgerüstet: Handschellen und ultrastarke Handscheinwerfer sind da noch die fantasielosen Dinge, die in Katalogen von Ausrüstern unter dem Stichwort ISPS geführt werden. Abwehrwaffen mit extrem lauten und zielgerichteten Schallwellen sollen schon zum Standardrepertoire auf Kreuzfahrtschiffen gehören. Angreifer werden so mit ohrenbetäubendem Lärm schachmatt gesetzt. Neu sind ölige Mittelchen, die ein Schiffsdeck für unerwünschte Eindringliche in eine nicht zu überwindende Rutschbahn verwandeln können.

Im Oktober 2005 wandelte Hamburg den ISPS-Code in ein eigenes Hafensicherheitsgesetz um. Vor wenigen Tagen wurde das Gesetz noch einmal verschärft: Die Wasserschutzpolizei kann jetzt im Hafengebiet auch Container kontrollieren - ohne dass ein bestimmter Verdacht vorliegen muss. "Ich gehe davon aus, dass wir davon auch stärker Gebrauch machen werden", sagt Nils Thomsen, der Chef einer speziellen ISPS-Sicherheitstruppe im Hafen ist. Die sogenannte DA (Designated Authority) überprüft unter Federführung der Wasserschutzpolizei die Einhaltung der Sicherheitsvorschriften im Hafen. Und dabei greift sie auch durch: 500 Euro werden beispielsweise fällig, wenn kein Posten an der Gangway eines Frachters steht. Zum Job von Thomsen gehören auch ständige Schwachstellenanalysen und die Zulassung von ISPS-Beauftragten. "Wir checken die Leute", sagt Thomsen.

Entdeckt wurde ein potenzieller Terrorist im Hafen allerdings noch nicht. Auch blieb die Bedrohung bisher eher diffus. Drei Gefahrenstufen kennt der ISPS-Code: die normale Lage nach dem 11. September, eine allgemeine Bedrohung und eine spezielle Terrorgefahr - etwa für ein konkretes Schiff. Die Stufen 2 und 3 wurden in Hamburg jedoch noch nie ausgerufen. Kritiker halten den von Amerikanern initiierten ISPS-Code daher für übertrieben. Unter Seeleuten kursieren abschätzige Verballhornungen wie "IsPiss". Denn tatsächlich haben gerade einfache Fahrensleute aus ärmeren Ländern unter den ISPS-Vorschriften zu leiden. "Die Seeleute werden durch die ständigen Kontrollen kriminalisiert und entwürdigt", sagt der Hamburger Seemannsdiakon Jan Oltmanns. Sie müssten bei den ohnehin schon kurzen Liegezeiten mit einer starken Einschränkung ihrer Bewegungsfreiheit im Hafen leben. In jedem Hafen müssten sie Gesichtskontrollen und Durchzählen über sich ergehen lassen. Und nicht selten würden gerade dunkelhäutige Seeleute besonders stark kontrolliert, sagt Oltmanns. Vor allem gebe es immer wieder abstruse Situationen, berichtet der Seemannsdiakon: "Wenn man auf ein Schiff möchte, erhält man am Terminal im Tausch gegen den Personalausweis eine Besucherkarte - an der Gangway verlangt der Posten dann den Ausweis."