Die Kugel löste sich aus der Waffe eines Zivilfahnders. Gegen den Beamten wird ermittelt. Polizei und Innensenator sprechen von “tragischem Zwischenfall“.

Eine Stunde lang waren die Zivilpolizisten dem verdächtigen Fahrzeug gefolgt. Sie beobachteten jede Bewegung des bordeauxroten, englischen Renault Laguna, jeden Schritt, den seine Insassen machten. Die Männer fuhren langsam durch die City, stiegen immer wieder aus, gingen von Geldautomat zu Geldautomat. Wenige Minuten vor 3 Uhr gestern früh hielten die Verdächtigen an der Börsenbrücke in unmittelbarer Nähe zum Rathaus. Die Beamten, die den Laguna mit drei Fahrzeugen verfolgt hatten, beschlossen den Zugriff. Kurze Kommandos über Funk, dann umstellten sie den Wagen. Sie verdächtigten die Männer, Geldautomaten manipuliert zu haben. Um 2.55 Uhr, wenige Sekunden, nachdem die Polizisten ihre Autos verlassen hatten, war der Fahrer des Renault Laguna tot - erschossen von einem 50 Jahre alten Zivilpolizisten. Offenbar ein fürchterliches Unglück, ein Schuss, der sich versehentlich aus der Waffe des Beamten gelöst hatte. Gegen den Todesschützen wird wegen fahrlässiger Tötung ermittelt.

"Halt, Polizei!", hatte der Beamte noch gerufen, als er von rechts hinten an den Renault herantrat. Er hatte seine Dienstwaffe gezogen, in Richtung des Fahrers, der auf der rechten Fahrerseite saß, gehalten. Bevor der Mann im Wagen reagieren konnte, durchschlug die Kugel des Beamten die hintere, rechte Seitenscheibe des Wagens, dann den Fahrersitz. Sie drang in den Rücken des Mannes am Steuer ein. Zunächst dachten die Beamten offenbar, dass keinem der beiden Verdächtigen etwas passiert sei. Doch dann sackte der Fahrer (27) zusammen. Reanimationsversuche blieben erfolglos.

Innensenator Udo Nagel (parteilos) und Polizeisprecher Ralf Meyer sprachen gestern übereinstimmend von einem "tragischen und bedauerlichen Zwischenfall", dessen Umstände aufgeklärt werden müssten. Das "Dezernat Interne Ermittlungen", zuständig für die Aufklärung von Fehlverhalten durch Beamte, hat den Fall übernommen. Zunächst hatte die Mordkommission am Tatort Spuren gesichert. Auch Chefgerichtsmediziner Klaus Püschel kam in der Nacht zum Tatort. Der Beamte, aus dessen Dienstwaffe sich der Schuss gelöst hatte, konnte gestern noch nicht vernommen werden. Er steht unter Schock.

Er ist kein unerfahrener Polizist: Der 50-Jährige ist seit Jahren Zivilbeamter, bei Kollegen gilt er als besonnen, noch vor Kurzem wurde er belobigt. Jetzt droht ihm ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung. Unklar blieb gestern, ob er die streng vorgeschriebenen Sicherheitsregeln missachtete: Demnach müssen Beamte, die die Waffe gezogen haben, die Hand flach an der Waffenseite halten, dürfen den Zeigefinger also nicht am Abzug haben. Fühlte der Beamte sich in seiner Routine zu sicher im Umgang mit der tödlichen Pistole? Seine Kollegen berichteten gestern, der Wagen habe einen leichten Ruck vorwärts gemacht, als die Beamten auf ihn zustürmten. Eine Bedrohung, die einen Schusswaffengebrauch rechtfertigen würde, hat offenbar keiner der Beamten festgestellt. Der Beifahrer (31) - der wie der Getötete ein Rumäne ist - wurde gestern ebenso vernommen, wie die Kollegen des Beamten. Im Wagen fanden sich gefälschte Kreditkarten-Rohlinge und 700 Euro Bargeld. Der Beamte, der den Todesschuss abgab, ist in ärztlicher Betreuung.

Ein Video vom Tatort ist im Internet unter: www.abendblatt.de/ polizeikontrolle zu sehen.