Die Polizei bestätigte 2004 nur sechs Taten - doch viele Opfer haben Angst und verzichten deshalb auf Anzeigen.

Zwei Köche werden in einem China-Restaurant an der Bremer Reihe (St. Georg) mit Messern entstellt - offensichtlich eine letzte Warnung. Dem Chef eines anderen Restaurants auf St. Pauli drohen Unbekannte, ihm die Hand abzuhacken. Zwischen den Triaden "Wo Shin Wo" und "14K" entbrennt ein blutiger Streit mit Fleischerbeilen, Messern und Pistolen. Ein Machtkampf mit Schwerverletzten, der sich da Mitte der 90er-Jahre mitten in Hamburg entwickelte - ohne, dass es später Anzeigen bei der Polizei gab. Und zumindest einzelne Gastronome zahlten, wie es heißt: Bis zu sechsstellige Summen wechselten damals den Besitzer.

Triaden, chinesische Mafia und Schutzgelderpressungen: Begriffe, die nach dem unfassbaren, siebenfachen Mord in einem China-Restaurant in Sittensen derzeit Hochkonjunktur haben. Ein Grund: Die Ermittler machen auch zwei Tage nach der Bluttat keine Aussagen zu einem möglichen Motiv - und so mehren sich die Spekulationen über die Macht der chinesischen Mafia. Spielen die Chinesen bei der organisierten Kriminalität auch in Hamburg wieder eine Rolle wie Mitte der 90er-Jahre?

"Nein", behauptet die Hamburger Polizei und gab sich gestern auf Anfrage zugeknöpft: "Wir haben keine Erkenntnisse und derzeit keine Verfahren." Das war schon einmal anders: 1992 erklärte das Landeskriminalamt, dass vermutlich neun von zehn chinesischen Restaurant-Betreibern in Hamburg Schutzgeld zahlen würden. Und bestätigte: Anzeigen gebe es aus den heute wie damals etwa 150 Betrieben kaum. Weitergehende Ermittlungen verliefen seinerzeit allerdings im Sande. Wohl vor allem, weil kaum einer der etwa 6000 Chinesen in Hamburg den Fahndern etwas erzählen wollte.

Handelt es sich dabei nur um "uralte Fälle", wie ein Sprecher gestern sagte? Noch 2004 bestätigte die Polizei zumindest sechs angezeigte Schutzgeldfälle insgesamt, also auch bei türkischen oder italienischen Restaurants. Fünf der Taten wurden demnach aufgeklärt. Ein hoher Polizeibeamter: "Vermutlich ist das die Spitze des Eisbergs. Vielleicht 50 bis 100 derartige Fälle dürfte es in der Hansestadt pro Jahr geben, vom kleinen Gauner, der ein paar Euro haben will bis eben hin zu mafia-ähnlichen Organisationen, die auch mit Mord drohen."

Das Wort Triaden, das aus dem Lateinischen stammt und Dreiheit bedeutet, wird als Bezeichnung für organisierte kriminelle chinesische Gruppen benutzt. Als Symbol der Triaden gilt der Drache, der in China Stärke und Weisheit versinnbildlicht. Anders als bei der italienischen Mafia steht der Anführer, der "Drachenkopf", nicht an der Spitze eines überschaubaren Familienbetriebs: Bis zu 20 000 Mitglieder zählt eine Triade. In Deutschland sind die Asiaten bislang nur als Menschenschleuser besonders aufgefallen. "Chinesisch dominierte Gruppen", so heißt es im Lagebild organisierte Kriminalität des Bundeskriminalamts, "haben seit 2003 steigende Bedeutung im Bereich der Schleuserkriminalität".

Kriminologe Jörg Kinzig, der umfangreiche Studien zu organisierter Kriminalität durchgeführt hat, warnt davor, die Tat von Sittensen voreilig der Mafia zuzuordnen. "Es gibt keine seriösen Indizien, dass in Deutschland größere Gruppen aktiv sind", sagt der Professor. Es scheine sich bei der Tat von Sittensen eher um ein singuläres Ereignis zu handeln. "Triaden haben eine große historische Dimension und spielen im Ausland eine große Rolle, sind aber in Deutschland wenig bekannt", sagte Kinzig. Berndt Georg Thamm, Experte für organisierte asiatische Kriminalität, sagte der "FAZ": "Konflikte, die mit dem Tod von Betroffenen enden könnten, trägt eine Triade normalerweise diskret aus und nicht vor den Augen der nichtchinesischen Öffentlichkeit." Zu Gewalt komme es normalerweise nur versteckt im Milieu.