Die Staatsanwaltschaft hat ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Möglicherweise werden die Bänder beschlagnahmt. Ob auch CDU- und FDP-Politiker der damaligen Koalition abgehört wurden, ist noch unklar.
Die Abhöraffäre in der Zentrale der Schill-Partei zieht weite Kreise. Wer hat die Gespräche mitgeschnitten? Wer hat die Abhöranlage installiert? Und wer hat den Auftrag dazu erteilt? Fragen, die jetzt auch die Hamburger Staatsanwaltschaft beschäftigen. "Wir ermitteln wegen Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes und unbefugter Aufzeichnung von Telefongesprächen", sagte Oberstaatsanwalt Rüdiger Bagger, Sprecher der Staatsanwaltschaft, dem Abendblatt.
Wie berichtet, hatten Reporter des NDR-Magazins "Zapp" Kenntnis von 57 Tonbandkassetten erhalten, die offenbar über Jahre illegal aufgezeichnete Telefonate und vertrauliche Konferenzgespräche aus der Schill-Zentrale an der Gotenstraße enthalten. Die Kassetten tauchten in einem Karton auf, in dem Teile des Nachlasses der Partei Rechtsstaatliche Offensive" aufbewahrt wurden. Alexander von der Marwitz, Chef der Schill-Nachfolgepartei, sagte: "Nach Berichten ehemaliger Parteimitglieder könnte ein Raum abgehört worden sein, in dem vorwiegend die Marketingabteilung der Schill-Partei tagte."
Ob die Staatsanwaltschaft die Bänder beschlagnahmt, ist noch unklar. Voraussetzung dafür ist ein Strafantrag. Der ehemalige Bausenator und Schill-Parteichef Mario Mettbach will dies offenbar tun. "Das hat er mir gegenüber angekündigt", sagte von der Marwitz. Dem Abendblatt gegenüber verweigerte Mettbach jeden Kommentar.
Die Abhöraffäre birgt möglicherweise politischen Sprengstoff. Wurden nur Schill-Politiker belauscht? Oder auch Telefonate? Möglicherweise mit Politikern oder Senatoren der damaligen Schill-Koalitionspartner CDU und FDP?
Wer die Mitschnitte in Auftrag gegeben hat, dazu gibt es bisher keinerlei Hinweise. Parteichef war Ronald Schill. Ranghöchster Partei-Angestellter war Wolfgang Barth-Völkel, der als Landesgeschäftsführer die Parteiorganisation leitete. Brisant: Barth-Völkel gilt als enger Vertrauter des Osmani-Clans. Gegenüber dem Abendblatt sagte er: "Von heimlichen Mitschnitten weiß ich nichts." Möglicherweise, so Barth-Völkel, handele es sich um Mitschnitte von Gesprächen, die zur Erstellung von Protokollen dienten.
Barth-Völkel gilt als eine schillernde Figur aus der Gastronomie-Szene, bekannt vor allem aus dem Wandsbeker Nachtlokal Corner 57, das zum Imperium der Osmanis gehörte. Barth-Völkel räumt enge Kontakte zu dem Clan der albanischen Familie ein. Er sagte, er sei deren "Medienberater" gewesen. "Ich habe Presseberichte für die Osmanis und die Medienberatung gemacht. Das war von Anfang bis Ende 1996. Die Osmanis haben damals an einem sauberen Image gefeilt." Die Familie hätte ihn geholt, "weil die gemerkt hat, dass ich einen guten Draht zu den Medien habe". Wolfgang Barth-Völkel, der Floh- und Trödelmärkte veranstaltet und ein Magazin mit Terminen herausgibt, bezeichnete sich als "Journalist".
Barth-Völkel ist nicht der einzige Schill-Politiker mit Kontakten zu den Osmanis. Dies gilt auch für Mario Mettbach. Der hatte seinen Job bei der Hamburger Wirtschaftsförderung (HWF) im Juni 2006 verloren, nachdem Kontakte zu Burim Osmani bekannt geworden waren. Mettbach hatte sich bei Bürgermeister Ole von Beust (CDU) für die Nutzung der umstrittenen "Heißen Ecke" an der Reeperbahn eingesetzt. Auf dem leeren Osmani-Grundstück wollte Barth-Völkel einen Edel-Imbiss errichten - das Geschäft kam nie zustande.
Neben Burim gehören Quazim ("Felix") und Bashkim Osmani dem Familien-Clan an. Die mittellos nach Hamburg gekommenen Albaner hatten in den 80er- und 90er-Jahren im Rotlichtmilieu St. Paulis einen geradezu märchenhaft erscheinenden Aufstieg zu millionenschweren Investoren erlebt. Der Familien-Clan ist seit dem Frühjahr in den Schlagzeilen, nachdem ein Bericht des Bundesnachrichtendienstes (BND) bekannt wurde, der zum Beispiel Quazim Osmani in die Nähe der organisierten Kriminalität, des Drogenhandels und der Prostitution gerückt hatte. Burim Osmani sitzt seit Mai unter Betrugsverdacht in Untersuchungshaft. Gegen den 42-Jährigen und Bashkim Osmani ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft weiterhin wegen Verdachts der Gründung einer kriminellen Vereinigung. Dabei geht es auch um faule Kredite, mit denen die Volksbank Lauenburg an den Rand einer Pleite gebracht wurde. Die Hamburger Staatsanwaltschaft beschäftigt sich auch mit einem Schwarzgeld-Fall: Burim Osmani hatte - so steht es in einem Zivilgerichtsurteil - beim Kauf der Reeperbahn-Immobilie Bayrisch Zell eine Million Mark Schwarzgeld angeboten.
In der Politik sorgt die Abhöraffäre für Aufregung. SPD-Fraktionschef Michael Neumann: "Die Abhöraffäre zeigt, mit welch dunklen Mächten der Bürgermeister Ole von Beust sich damals ins Amt koaliert hat."
Der Bundestagsabgeordnete Burkhardt Müller-Sönksen (FDP) bezeichnete die Abhöraktionen als "widerlich". Müller-Sönksen war damals als Fraktionschef mitverantwortlich für die Koalition mit der Schill-Partei. Der CDU-Landesvorsitzende Dirk Fischer sagte, wenn sich herausstellen sollte, dass Gespräche illegal ohne Wissen der Betroffenen aufgezeichnet worden seien, dann sei die Angelegenheit bei der Staatsanwaltschaft gut aufgehoben.