Auch Strahlenschutzexperten aus Salzgitter im Einsatz. Die Nachbarn sind in großer Sorge - gibt es tödliches Gift in dem Haus?
Die Nachbarn im gepflegten Altbau an der Erzbergerstraße 4 waren besorgt: Vor der Tür standen Dutzende Polizisten, jeder, der ins Treppenhaus wollte, musste seinen Personalausweis vorzeigen. "Haben wir hier irgendeinen Psychopathen im Haus, oder was?", fragte eine Mieterin. Die Beamten durften keine Antwort geben. Die Bewohner ahnten am Freitagabend noch nicht, dass ihr Haus in Ottensen unvermittelt eine womöglich entscheidende Rolle in einer weltweit beachteten Affäre spielt. Es geht um das hochgiftige Polonium 210, den Anschlag auf den verstorbenen Alexander Litwinenko und dessen Kontaktmann in Hamburg. Der Russe Dmitri Kowtun (41), der wahrscheinlich auch mit Polonium 210 vergiftet ist und in einer Moskauer Klinik liegt, soll im Haus gelebt haben, allein in einer der Wohnungen. Möglicherweise lagerte hier auch noch etwas von der strahlenden Substanz. Kowtun, der von sich sagt, er sei ein Opfer, dem etwas Übles angehängt werden solle, kämpft in Moskau mit dem Tod.
Am späten Abend trafen Strahlenexperten des BKA in Ottensen ein und untersuchten das Haus. Auch Scotland Yard sei bereits in Hamburg eingetroffen, hieß es. Freunde hatte der Russe im Haus offenbar nicht: "Hier gibt es viele Menschen, aber von einem russischen Bewohner habe ich nichts mitbekommen", sagt eine Nachbarin später, als sich auch im Haus herumgesprochen hatte, warum so viele uniformierte Beamte sich in der Erzbergerstraße aufhielten. Um 20.45 Uhr Uhr trafen Spezialkräfte vom Strahlenschutzamt in Salzgitter ein. Mit Spezialkleidung untersuchten sie die Wohnung.
Wie war die Polizei auf die Spur des Mannes gekommen? Kowtun war vor dem Treffen mit Litwinenko am 31. Oktober (wir berichteten) von der Hansestadt nach London geflogen. Dort, im Millennium-Hotel, war der Ex-Geheimdienstler vermutlich vergiftet worden. Nachdem Medien über die Spur nach Hamburg berichtet hatten, ermittelte das LKA Adressen und mögliche Aufenthaltsorte des Mannes. Die Beamten stießen schnell auf die Wohnung an der Erzbergerstraße. Der Führungsstab der Polizei wurde einberufen, Maßnahmen besprochen, international beteiligte Dienste und Behörden informiert. Ob die Wohnung Kowtuns strahlenbelastet ist, blieb unklar. Für die Nachbarn bestehe nach bisherigen Erkenntnissen keine Gefahr, hieß es.