Freunde und Weggefährten tranken im Silbersack ein letztes Mal auf das Wohl des verstorbenen “CaFeé mit Herz“-Gründers und Kiez-Originals.

"Wie werden nicht in seine Fußstapfen treten. Sie sind uns viel zu groß. Aber wir werden neben ihnen herlaufen." Die Worte von Wolfgang Pollmer, dem Vorstand der Begegnungsstätte "CaFee mit Herz" trieb den Anwesenden die Tränen in die Augen.

Mehr als 300 Menschen kamen gestern in die St.-Pauli-Kirche am Pinnasberg, um von Holger Hanisch Abschied zu nehmen. Die bewegende Trauerfeier für den Gründer des "CaFee mit Herz" wirkte wie ein großes Familientreffen. Obwohl sich nicht ein Verwandter unter den Gästen befand. Die Freunde, darunter langjährige Weggefährten, Obdachlose und Aktivisten, mit denen Hanisch etwa gegen die Schließung des Hafenkrankenhauses demonstriert hatte, gaben ihm die letzte Ehre.

Hanisch erkrankte Anfang des Jahres an Leukämie, starb am 16. Oktober im Alter von 56 Jahren. Vergessen wird ihn keiner. Noch im vergangenen Jahr lief Hanisch wöchentlich mit der Spendendose durch das Viertel, organisierte Essen und Kleidung für Arme und Obdachlose. Nun hinterlässt die gute Seele St. Paulis, die immer nur an andere gedacht hat, ein großes Erbe. "Er hatte immer ein offenes Ohr für uns. Wir werden ihn sehr vermissen", erzählt ein Obdachloser. Er lebt seit 20 Jahren auf der Platte. Genauso lang kennt er seinen Freund Hanisch.

Schauspieler Rolf Becker, der während seiner Ansprache mit den Tränen rang, zitierte Bertolt Brecht und erinnerte an den Kampfgeist des St.-Pauli-Originals, der "nie zu Kreuze gekrochen ist. Er war nie ein Bettler. Er hat die Spenden gefordert." Ein an den Sarg gelehntes Foto zeigte den Verstorbenen so, wie ihn viele kannten: mit einem Lächeln im Gesicht. In schwarzer Lederjacke und der passenden Mütze. Die rote, über den Sarg drapierten Schleife trug das bezeichnende Zitat aus der "Dreigroschenoper": "Die einen sind im Dunkeln, die anderen sind im Licht."

Nach dem Gottesdienst trafen sich Freunde und Bekannte von Holger Hanisch zu seinem letzten Geleit im Silbersack auf der Reeperbahn. Auf den ersten Blick ein ungewöhnlicher Ort für eine Trauergesellschaft. Auf den zweiten Blick aber nicht: "Holger gehörte schon zum Inventar", sagt Erna Thomsen (82), Inhaberin der bekannten Kiez-Kneipe in der Silbersackstraße. Während sie Korn in kleine Schnapsgläser füllt, fügt sie hinzu: "Jetzt kommt keiner mehr zum Sabbeln."

Es riecht nach Alkohol. Starker Zigarettenqualm liegt in der Luft. Willst du auch ein Astra, Erich?", brüllt ein Mann mit langen Haaren und Schirmmütze in die Menge. Mehr als 200 Menschen hatten sich versammelt. Viele von ihnen mussten draußen stehen bleiben, weil der kleine Raum aus allen Nähten platzte. Die meisten halten den Kopf gesenkt und haben ernste Mienen.

Nach einiger Zeit wird die Stimmung lockerer. Eine Gruppe Männer prostet sich mit Astra zu. Zwei Frauen machen sich gierig über den Bienenstich, der auf den Tischen steht, her. Andere essen und trinken nichts. Sie schauen stumm in die Runde. "Die Feier hier gehört zu seinem Testament", so Pastor Sieghard Wilm. Er nennt den Abschied von Holger Hanisch Feier. "Er wollte, dass wir nach seiner Trauerfeier gleich wieder fröhlich sind ", sagt der Geistliche und nimmt einen Schluck Bier. Auch die Künstlerin Maren Fiebig konnte Holger Hanisch noch einen letzten Wunsch erfüllen. "Ich habe ihn kurz vor seinem Tod porträtiert", sagt sie. Da sei es ihm schon sehr schlecht gegangen.

Nur einen Wunsch, den konnte ihn keiner seiner Freunde mehr erfüllen: "Er wollte so gerne noch am 11. November am Bettlermarsch, den er damals ins Leben gerufen hat, teilnehmen", so die bekannte Hamburger Journalistin Peggy Parnass, eine enge Freundin von Hanisch. Und sie sagt: "Holger Hanisch hat immer zuerst an die anderen gedacht - bis zum Schluss an seinem Sterbebett."