Selten hat ein Fall so sehr emotionalisiert wie Jessicas Tod. Verbrechen an Kindern, den schutzbedürftigsten Mitgliedern unserer Gesellschaft - sie gelten als besonders verwerflich. Die Wogen schlagen hoch. Da wird an Stammtischen nach der Todesstrafe gerufen oder lebenslange Dunkelhaft für die Eltern gefordert. Den Richtern wird deshalb sehr viel abverlangt. Denn ihre Aufgabe ist es in unserer Justiz, sich nicht von Emotionen leiten zu lassen, sondern ein der individuellen Schuld angemessenes Urteil zu fällen. Wie auch immer die Strafe ausfällt - etwas hat der Fall schon bewirkt: Behörden haben mehr Handhabe, die Schulpflicht durchzusetzen, Pflichtuntersuchungen beim Kinderarzt sollen eingeführt werden. Diese Ansätze sind gut. Sie waren überfällig. Es ist entsetzlich, daß erst ein Kind sterben mußte.