Still ging ich in den Musiksaal, suchte mir einen Platz und setzte mich, wartete darauf, dass es begann. Alle waren still. Einige vor Spannung, andere aus Respekt. Eine kleine, alte Dame erhob sich. Sie sprach mit klarer Stimme und erzählte aus ihrem Leben.

Batsheva Dagan (78) ist Jüdin. Sie lebte in Polen. Als die Nationalsozialisten an die Macht kamen, floh sie mit ihrer Cousine nach Deutschland in der Annahme, dass man sie hier nicht als Jüdin erkennen würde. Sie versteckte sich eine Zeit lang, vor den Nationalsozialisten, doch sie wurde gefasst, konnte schließlich aber doch fliehen. Eines Tages sah Batsheva Dagan auf einem Dach eine Katze herumspringen: "Ich war neidisch auf das Tier - die Katze war frei."

Am Tag darauf fragte ein Polizist nach ihrem Namen. Er hielt eine Liste in der Hand, auf der sie ihren Namen lesen konnte. Tatsächlich ließ der Mann nicht locker. Batsheva Dagan dachte in diesem Moment an die Katze auf dem Dach. Da wurde ihr klar, dass sie ihre Identität nicht länger leugnen konnte. Nach einer langen Reise durch acht unterschiedliche Gefängnisse wurde sie nach Auschwitz gebracht. Sie musste sich ein Brot mit vier Frauen teilen und in so genannten Kommandos arbeiten, hart arbeiten. Gleich nach der Ankunft wurden den Frauen die Haare abgeschnitten und ihnen eine Nummer auf den Arm tätowiert.

Nach ein paar Wochen beschlossen die Wachen - da die Alliierten immer näher kamen - nach Buchenwald zu fliehen. Sie nahmen alle Gefangenen dorthin mit, die laufen konnten. Doch auch dort blieben sie nicht lange, und die Flucht ging weiter.

Für mich war die Begegnung mit Batsheva Dagan etwas sehr Besonderes und, entgegen meiner Erwartung, sehr spannend und ergreifend. Ich muss mit Bedauern sagen, dass es zu wenige Menschen gibt, die einem Zeitzeugen jener Zeit zugehört haben. Was sie uns erzählen, dürfen wir nie vergessen.

Tom Schoroth, 9 b

Wilhelm-Gymnasium