Der Vorwurf: Dem Parlament seien bewusst falsche Angaben gemacht worden. Finanzbehörde weist dies zurück.
Ein Vorstandsmitglied wegen Geheimnisverrats gefeuert, weitere kritische Anfragen aus der Politik am Hals, dazu der Vorwurf der Lüge: Für die schwer angeschlagene HSH Nordbank und ihre Hauptanteilseigner, die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein, kam es gestern knüppeldick. Noch bevor am späten Nachmittag die Nachricht die Runde machte, dass Vorstand Frank Roth gehen muss, stand der Vorwurf seitens der SPD im Raum, der Hamburger Senat, insbesondere die Finanzbehörde unter Senator Michael Freytag (CDU), habe in offiziellen Antworten auf schriftliche Kleine Anfragen mehrfach falsche Angaben gemacht.
Der erste Fall: Auf die Frage des SPD-Abgeordneten Thomas Böwer vom 19. Februar, wer die Begünstigten der umstrittenen 200-Millionen-Euro-Ausschüttung an stille Einleger sind, verweist der Senat auf "institutionelle Investoren aus dem Banken-, Sparkassen-, Versicherungs- und Pensionskassenbereich sowie vereinzelt auch Privatpersonen". Nicht erwähnt hat er die stadteigene Beteiligungsgesellschaft HGV ("Hamburger Gesellschaft für Vermögens- und Beteiligungsmanagement"). Wie aus einer Anfrage des SPD-Politikers Stefan Schmitt vom 30. März hervorging, hatte die HGV aber schon bis September 2008 Abschlagszahlungen in Höhe von sieben Millionen Euro erhalten. Dass die Finanzbehörde das "vergaß", wird noch brisanter, da Freytag nicht nur im Aufsichtsrat der HSH Nordbank sitzt, sondern auch Aufsichtsratschef der HGV ist. Sein Sprecher Daniel Stricker erklärt das so: "Die HGV ist seit August 2008 nicht mehr stiller Teilhaber der Bank." Daher sei sie auf den Listen nicht mehr geführt worden, darauf habe die Bank, auf deren Informationen die Antworten basierten, die Behörde nicht hingewiesen. HSH-Sprecherin Ulrike Abratis sagt dazu: "Selbstverständlich versuchen wir immer, mit größtmöglicher Sorgfalt zu antworten."
Zweiter Fall: Auf eine Böwer-Anfrage vom 3. März heißt es: "Die Ausschüttungen für das Geschäftsjahr 2008 können grundsätzlich erst nach Feststellung des Jahresabschlusses fällig werden." Geld "würde" nur bei Feststellung eines Gewinns fließen. Wie die Schmitt-Anfrage enthüllte, war aber schon in 2008 Geld geflossen. Auch in dieser Antwort fehlt die HGV auf der Liste der Begünstigten.
Dritter Fall: Auf Böwers Anfrage vom 27. Januar bezüglich einer früheren Ausschüttung über 64 Millionen Euro antwortet der Senat unter anderem: "Auf die von der HGV gehaltene stille Beteiligung an der HSH erfolgt keine Sonderausschüttung." Nachdem nun klar ist, dass die HGV aber schon 2008 einige Millionen erhalten hatte, feuerte Böwer gestern die nächste Anfrage ab. Überschrift: "Lügt der Senat?" Finanzbehördensprecher Stricker weist das von sich: "Der Satz zur HGV ist richtig, das sind zwei verschiedene Vorgänge." Bei den 64 Millionen habe es sich um eine Sonderausschüttung gehandelt, die die Bank trotz des sich anbahnenden 2,8-Milliarden-Euro-Verlustes vornehmen wollte, um ihre Geldgeber an Bord zu halten. Davon habe die HGV nicht profitiert. Die 200 Millionen sollten hingegen eine reguläre Ausschüttung sein, auf die die Einleger Anspruch haben, wenn es einen Gewinn gibt.
Dass dieser nur durch die Auflösung von Rücklagen künstlich erzeugt werden sollte, dass die Bank auf Druck der EU alle Ausschüttungen schließlich stoppte, steht auf einem anderen Blatt. Merkwürdig bleibt, warum der Senat zwar mitteilte, dass die HGV keine "Sonderausschüttung" erhalte, aber nicht erwähnte, dass sie bereits einen Millionen-Abschlag auf eine reguläre Ausschüttung erhalten hatte. Für Böwer ist der Fall eindeutig: "Da ist mit klarem Vorsatz gehandelt worden."
Auch SPD-Fraktionschef Michael Neumann sprach gestern mit Blick auf den Abendblatt-Artikel "Wer wusste wann was?" von Lüge: "Ich habe den Verdacht, dass der Finanzsenator die Öffentlichkeit, die Bürgerschaft und möglicherweise auch den Bürgermeister angelogen hat, als es um die Darstellung der Lage der HSH Nordbank ging." Über eine Kleine Anfrage will Neumann klären, wann Freytag und Bürgermeister Ole von Beust (beide CDU) genau über Probleme beim Risikomanagement der Bank informiert waren.