Die FDP lehnt den Vorstoß des Senators ab. Beust vermeidet offene Kritik. Die Opposition zum diplomatischen Verhalten des Bürgermeisters: unwürdig.
Innensenator Ronald Schill (44) steht mit seinem Vorschlag, Betäubungsgas aus Russland bei Geiselnahmen einzusetzen, außerhalb seiner Partei ziemlich allein. Am deutlichsten widersetzte sich jetzt innerhalb der Koalition die FDP.
"Das ist ein absurder und völlig abwegiger Vorschlag. Ich frage mich, was den Mann geritten hat", sagte FDP-Landeschef Reinhard Soltau (60). Der Einsatz von Nervengas komme nicht in Frage, weil damit die Geiseln nicht geschützt werden könnten. Der stellvertretende Parteichef Joachim Sproß (42) warf Schill vor, "zu viele Opfer von vornherein billigend in Kauf" zu nehmen. Eine "Kampfgasfabrik auf Hamburger Boden" lehnte Sproß ab.
"Es wird keinen Hamburger Alleingang geben", sagte auch FDP-Bürgerschafts-Fraktionschef Burkhardt Müller-Sönksen (43). Allerdings müsse es angesichts der terroristischen Bedrohung möglich sein, über das Thema der Konsequenzen "ernsthaft, seriös und diskret" nachzudenken. "Wir werden in der Koalition Herrn Schill am Dienstag bitten, in der Innenministerkonferenz einen Mehrheitsbeschluss zur Einrichtung einer solchen Arbeitsgruppe herbeizuführen", sagte Müller-Sönksen.
Die Reaktion von Bürgermeister Ole von Beust (47, CDU) fiel diplomatisch aus. Von Beust vermied jedes offen kritische Wort in Richtung Schill, unterstützte den Vorschlag des Senators aber auch nicht. "Sich darüber Gedanken zu machen, wie der Schutz von Unschuldigen besonders wirksam gewährleistet wird, ist die Pflicht jedes Verantwortlichen. So verstehe ich die Überlegungen von Senator Schill", erklärte von Beust am Wochenende.
Es sei selbstverständlich, dass die Befreiung und die körperliche Unversehrtheit der Geiseln und die Fürsorge für die Einsatzkräfte "allerhöchste Priorität" haben. "Der polizeiliche Einsatz erfolgt immer unter dieser Voraussetzung und im Rahmen des rechtsstaatlich Zulässigen", betonte von Beust.
Die Opposition nahm den Bürgermeister hart in die Kritik. "Herr von Beust kapituliert vorsorglich vor seinem Innensenator, um sich einen Konflikt zu ersparen", sagte SPD-Chef Olaf Scholz (44). Der Bürgermeister versuche, die "unglaublichen Ideen herunterzuspielen".
Für SPD-Fraktionschef Uwe Grund (50) ist die Erklärung von Beusts "eines verantwortlichen Politikers unwürdig". Er mache "offensichtlich jeden Irrsinn von Schill mit". Wenn der Bürgermeister "dem Amokläufer Schill seinen Segen" gebe, werde er selbst zum Sicherheitsrisiko. Von Beusts Reaktion sei "eine Schande", sagte GAL-Fraktionschefin Christa Goetsch (50).
Schill verteidigte seinen Vorschlag auf einem Landesparteitag in Hamburg. Es sei angesichts der Bedrohung "grob fahrlässig, nicht alle Optionen abzuwägen". Allerdings müsse ein Gegenmittel entwickelt werden.