Studium, Wirtschaft oder wieder Bundestag? Der 35-Jährige über seine Pläne und eine Zusammenarbeit mit der Linken.
Hamburger Abendblatt:
Herr Annen, dürfen wir die Erklärung, die Sie am Montag abgegeben haben, als definitiven Verzicht auf eine Bundestagskandidatur für die kommende Wahl ansehen?
Niels Annen:
Ich werde dem nächsten Deutschen Bundestag nicht angehören. Im Übrigen geht es nicht um einen Verzicht, denn ich habe Danial Ilkhanipour schon am 15. November nach seiner formal korrekten Nominierung gratuliert.
Abendblatt:
Sehen Sie keine Möglichkeit, in einem anderen Wahlkreis oder auf einem aussichtsreichen Listenplatz anzutreten?
Annen:
Es hätte solche Möglichkeiten gegeben. Aber meine politische Arbeit war und ist sehr stark an meinen Wahlkreis Eimsbüttel gebunden. Jeder, der ein Wahlamt übernimmt, muss wissen, dass er es auch wieder verlieren kann. Im Übrigen: Die Eimsbüttler Wähler haben mich ja nicht abgewählt.
Abendblatt:
Wie geht es für Sie persönlich weiter?
Annen:
Ich habe parteiübergreifend sehr viel Zuspruch erhalten. Außerdem liegen mir bereits unterschiedliche Angebote vor. Eine Entscheidung habe ich noch nicht getroffen.
Abendblatt:
Wir müssen uns also nicht um Ihre ökonomische Existenz sorgen?
Annen:
Nein, das müssen Sie nicht. Ich werde neue Erfahrungen sammeln, mich weiter politisch engagieren und im November wieder für den SPD-Parteivorstand kandidieren. Außerdem werde ich natürlich Wahlkampf für Frank-Walter Steinmeier machen.
Abendblatt:
Heißt das, Niels Annen klebt Plakat in Eimsbüttel - also für Herrn Ilkhanipour?
Annen:
(lacht) Ich weiß ja gar nicht, ob sich Herr Ilkhanipour meine Unterstützung wünscht. Ich werde jedenfalls alles tun, meine Partei zu unterstützen und alles unterlassen, was ihr schadet.
Abendblatt:
Wollen Sie 2013 wieder für den Bundestag kandidieren?
Annen:
Es gibt den schönen englischen Ausspruch "A week is a long time in politics", in der Politik ist eine Woche schon eine lange Zeit. Ich bin 35, das ist für einen Politiker kein hohes Alter. Deswegen schließe ich aus heutiger Sicht gar nichts aus.
Abendblatt:
Es ist immer wieder kritisiert worden, dass Sie weder eine Ausbildung noch ein Studium abgeschlossen haben. Wollen Sie das jetzt nachholen?
Annen:
Auch das will ich nicht ausschließen. Ich erlebe, dass die vielen praktischen Erfahrungen und Qualifikationen, die ich erworben habe, auf breite Anerkennung stoßen.
Abendblatt:
Danial Ilkhanipour hat Sie formal korrekt beim Kampf um die Kandidatur besiegt. Dennoch wurde ihm, etwa von Ortwin Runde, Hinterlist und Feigheit vorgeworfen. Was sagen Sie?
Annen:
Formal war seine Wahl korrekt. Aber neben der Legalität ist die Legitimation ein sehr hohes Gut in der Politik. Durch das verdeckte Vorgehen Ilkhanipours haben viele Mitglieder unserer Partei sich betrogen gefühlt. Ein solches intransparentes Vorgehen beschädigt die Partei.
Abendblatt:
Wie bewerten Sie die Rolle von Parteichef Egloff?
Annen:
Es wäre möglich gewesen, den Konflikt mit einem dritten, allseits anerkannten Kandidaten zu lösen, aber das war offenbar nicht gewollt.
Abendblatt:
Vermuten auch Sie Ihren parteirechten Intimfeind Johannes Kahrs hinter dem Coup Ilkhanipours?
Annen:
Da will ich einmal Henning Voscherau zitieren. Der hat gesagt: Ich weiß es nicht. Aber zuzutrauen wäre es ihm. Es gibt ein grundlegendes Problem in der Hamburger SPD. Eimsbüttel ist kein Einzelfall. Das muss sich ändern. Schließlich ist es unsere Pflicht, eine Regierungsalternative zu stellen - und nicht, uns in erster Linie mit uns selbst zu befassen.
Abendblatt:
Um neue Optionen auf die Regierungsübernahme zu bekommen, müsste die SPD sich womöglich der Linken öffnen.
Annen:
Da unterstütze ich voll den Kurs von Fraktionschef Michael Neumann. Man muss sich genau anschauen, wie die Linke in der Bürgerschaft agiert, ob sie verantwortungsbewusste Politik macht oder nicht. Dann würde ich eine Zusammenarbeit für 2012 nicht ausschließen.
Abendblatt:
Und auf Bundesebene?
Annen:
Für die anstehende Legislaturperiode ist eine Zusammenarbeit ausgeschlossen. Allein die außenpolitischen Positionen der Linken sind mit unseren völlig unvereinbar - etwa in Sachen EU-Vertrag, Nato oder Uno-Missionen. Die SPD sollte aber nicht, wie es die CDU gerne will, daraus ein Dogma für alle Zukunft machen. Der Schlüssel für eine Zusammenarbeit liegt allein bei der Linkspartei.