Alysah S. hatte mit Freunden eine Wodkaflasche geleert. Immer mehr Jugendliche mit Alkoholvergiftung im Krankenhaus.

Was als kleine Feier auf einem Spielplatz an der Güntherstraße in Hohenfelde begann, endete für die erst 14 Jahre alte Alysah S. im Krankenhaus. Gemeinsam mit gleichaltrigen Freunden hatte sie am Dienstagabend die Wodkaflasche kreisen lassen.

Ein Nachbar, der sich durch den Lärm gestört fühlte, rief die Polizei. Die Beamten fanden das Mädchen besinnungslos und volltrunken auf dem Boden liegend. Ein Krankenwagen brachte die nicht mehr ansprechbare 14-Jährige ins Kinderkrankenhaus Wilhelmstift. Alysah S. ist kein Einzelfall. Erst im Dezember hatten zwei Mädchen (14 und 15 Jahre alt) in einer Wohnung in Horn den Tag durchzecht und mussten im Krankenhaus ausnüchtern. Immer öfter müssen Minderjährige in Hamburg stationär behandelt werden, weil sie über die Maßen Alkohol getrunken hatten, wie Zahlen der Gesundheitsbehörde und der Deutschen Angestellten Krankenkasse (DAK) belegen. Kamen 2006 noch 51 Minderjährige mit Alkoholvergiftung in die Notaufnahmen der Hansestadt, waren es 2007 bereits 65 Kinder und Jugendliche, ein Plus von 27,5 Prozent. Einen noch höheren Anstieg kann die DAK für den Zeitraum 2004 bis 2008 erkennen. Wie aus ihrer aktuellen Versicherungsstatistik hervorgeht, stieg die Zahl der wegen Alkoholmissbrauchs stationär behandelten Jugendlichen in nur vier Jahren um 54 Prozent. Das ist der fünftstärkste Anstieg im Vergleich der Bundesländer. Auch wenn der Mädchenanteil insgesamt kleiner geworden ist, gibt es in der Gruppe der unter 16-Jährigen einen besorgniserregenden Trend: Wurden vor drei Jahren noch mehr Jungen unter 16 Jahren stationär behandelt, waren es im Jahr darauf deutlich mehr Mädchen. Das ist auch in der Gesamtstatistik erkennbar: Der Anstieg um 14 Fälle allein von 2006 auf 2007 lässt sich fast ausschließlich auf mehr Alkoholmissbrauch bei Mädchen zurückführen.

"Die Drogenaffinitätsstudie der Bundesregierung hat gezeigt dass heute bereits 6,2 Prozent der 12- bis 17-Jährigen einen Alkoholkonsum pflegen, der für Erwachsene als riskant eingestuft wird," erklärt der Hamburger Diplom-Pädagoge Ralf Kremer (54), Suchtexperte der DAK. "Wir stellen den starken Trend fest, dass Alkohol zum 'Spaßsaufen' missbraucht wird. Jugendliche haben heute keine Berührungsängste mit der Droge, weshalb auch der verantwortungsvolle Umgang mit ihr nicht beachtet wird." Auch früher hätten Jugendliche Alkohol konsumiert, aber: "Heute wird extrem viel in extrem kurzer Zeit getrunken."

Trotzdem wird immer noch Alkohol an Minderjährige abgegeben. Wurden 2006 noch 86 Fälle wegen "unzulässiger Weitergabe von Alkohol an Jugendliche" registriert, waren es 2007 bereits 96. Allein in der ersten Hälfte 2008 waren es 57 Fälle. Dabei gibt es klare Richtlinien. Hans-Martin Bohaz, Referent für Lebensmittel und Umwelt beim Einzelhandelsverband Nord e. V.: "Sobald ein Verkäufer Zweifel hat, ob der Käufer das erforderliche Alter hat, muss er sich einen Personalausweis oder Führerschein zeigen lassen."

Hat ein Händler sein Personal dahingehend geschult, und verkauft dennoch einer der Angestellten Alkohol an einen Minderjährigen, liegt das arbeitsrechtliche Risiko allein beim Verkäufer, so Bohaz. "In so einem Fall kommt eine Kündigung des Verkäufers in Betracht, zumindest aber sollte er abgemahnt werden." Auch der Jugendliche, der sich unerlaubt Alkohol kauft, sollte daran denken, dass er dadurch den Arbeitsplatz des Verkäufers riskiert.