Abendblatt:

Technische und bauliche Probleme sind die eine Sache, aber warum locken Sie die Zuschauer nicht mit aufregenden Inszenierungen ins Theater?

Friedrich Schirmer:

Ich halte "Kabale" und "Marat", um nur zwei zu nennen, für aufregende Inszenierungen. Wir spielen zwar nicht nur bekannte Titel, haben aber einen sehr stringenten Spielplan, dazu gehören "Marat", "Kritische Masse", "Volksfeind" - Stücke, die sich alle mit aktuellen Themen zur Wirtschaftskrise und zur sozialen Lage auseinandersetzen.



Abendblatt:

Gut. Sie haben keinen Titelspielplan, aber Sie haben auch keinen Schauspieler-Spielplan. Was haben Sie denn für einen Spielplan?

Schirmer:

Einen thematischen, der sich um "Das Ich, der Einzelne und die kritische Masse" dreht, um das, was momentan in der Welt passiert. Aber im Mittelpunkt stehen natürlich auch die Schauspieler: Julia Nachtmann, Martina Gedeck, Marlen Diekhoff, Samuel Weiss, Tim Grobe oder Jana Schulz ziehen Publikum an.



Abendblatt:

Ein Titel wie "Kritische Masse" lockt scharenweise Zuschauer an?

Schirmer:

(Pause) Wenn die Aufführung gut ist: Ja. Unser Auftrag ist Gegenwartstheater, Uraufführungen.



Abendblatt:

Wie sollen die Zuschauer das verstehen, wenn sie ständig unbekannte und nichtssagende Stücknamen auf dem Spielplan finden?

Schirmer:

Die Zuschauer verstehen's ja. Wir haben die besten Halbjahreszahlen seit 15 Jahren, nämlich 132 000. Wenn nächstes Jahr ein Titelspielplan kommt, heißt es doch: Jetzt macht er einen Titelspielplan. Wie man's hier macht, macht man's falsch, und ich mach es mit Lust falsch. Dieses Haus Schritt für Schritt weiterzuentwickeln, das ist meine Aufgabe, und ich stelle mich ihr. Am Ende wird abgerechnet. Aber da sind wir noch nicht.



Abendblatt:

Der "Faust" von Stromberg entstand auch unter diesen Bedingungen.

Schirmer:

In seiner letzten Spielzeit! Tom Stromberg hat im Herbst 2004 sehr klug auf zwei Titel gesetzt: "Othello" und "Faust", und das waren Sternstunden - die sind nicht planbar. Natürlich arbeiten wir dran, so etwas wieder hinzukriegen. Jetzt sind wir in der Mitte der vierten Spielzeit ... und auf dem Wege.



Abendblatt:

Und wie geht es in der kommenden Spielzeit auf diesem Weg weiter?

Schirmer:

Wir werden Ende April den Spielplan für die nächste Saison vorstellen. Ich denke, dass das ein Titel-Spielplan werden wird. Aber ich freue mich jetzt schon, wenn es dann heißen wird, "Schirmer wirft mit Titeln nach dem Publikum".



Abendblatt:

Martin Kusej wird die kommende Saison eröffnen, Erik Gedeon inszeniert die Möbelsaga "Das Wunder von Schweden", und Sie werden die "Dreigroschenoper" zeigen? Was gibt es noch?

Schirmer:

Warten Sie doch mal ab. "Die Dreigroschenoper" ist doch das Stück zur Lage! "Was ist ein Einbruch in eine Bank gegen die Gründung einer Bank?"