Die kleine Linh Ava war die Erste. 400 Patienten, 450 Ärzte sowie 1200 Schwestern und Pfleger zogen am Wochenende um. Das Protokoll einer (fast) pannenfreien Aktion.

Das war Maßarbeit "von Chirurgen-Hand". Am Wochenende vollbrachten Mitarbeiter und Helfer der Universitätsklinik Eppendorf ein Kunststück: Der seit Monaten generalstabsmäßig vorbereitete Umzug in das Neue Klinikum auf dem Gelände abseits der Martinistraße verlief praktisch perfekt. Gut 400 Patienten, darunter Frühgeborene und Schwerstkranke, wurden in den sechsstöckigen Neubau verlegt. Wer nicht unbedingt bleiben musste, war bis Freitag entlassen worden. Parallel wechselten 450 Ärzte sowie 1200 Schwestern und Pfleger ihre Arbeitsplätze. "Alles im grünen Bereich", konnte UKE-Chef Professor Jörg F. Debatin am Sonntagnachmittag vermelden. Mehr als das: Aufbruchstimmung und gute Laune zogen sich wie ein roter Faden durch die arbeitsintensiven Tage. Heute von 7 Uhr an soll der Betrieb wie gewohnt weitergehen - an neuer Stätte, so als sei nichts geschehen.

Das Abendblatt protokolliert eine Aktion, bei der ein Rädchen ins andere griff.

Sonnabend 6.58 Uhr: Die Feuerwehr trifft mit zwei Einsatzfahrzeugen vor dem Hauptportal ein. Für den Fall des Falles. Außerdem haben einige der mehr als 2000 neuen Brandmelder in dem Klinikum Alarm gegeben. Fehlalarm.

7.01 Uhr: Als erste Patientin wird die kleine Linh Ava - am 20. November 2008 im siebten Monat zur Welt gekommen - in ihrem Brutkasten über die Schwelle des Neubaus geschoben. Bei Geburt wog sie 563 Gramm, jetzt sind es schon 2014 Gramm.

7.10 Uhr: Linh Ava und ihre Helfer erreichen den 5. Stock. Wenig später treffen die Eltern der jungen Hamburgerin ein.

7.32 Uhr: Umzugs-Prozessmanager, Privatdozent Dr. Christoph Herborn (36), beendet die erste Einsatzbesprechung des zwölfköpfigen Lenkungsstabs. Die Atmosphäre ist konzentriert, aber fröhlich. Es gilt, die Theorie in die Praxis umzusetzen.

8.18 Uhr: Der neue Operationsraum (OP) für Kaiserschnitte in der 5. Etage wird abgenommen. 9.13 Uhr: Alles im Lot auch auf der Intensivstation. Fehlende Nachtschränke für die Patienten werden binnen 20 Minuten besorgt. Helferteams schieben sachte Betten mit Schwerstkranken auf die Stationen D bis H im 1. Stock. Einige sind im künstlichen Koma, andere an mobile Beatmungs- oder Dialysegeräte angeschlossen.

11 Uhr: Turbulentes Treiben im Foyer. Drei Kamerateams machen Aufnahmen, Möbelpacker hieven Kartons zu den Fahrstühlen, Ärzte eilen hin und her. In der Ecke wird ein Imbiss angeboten: Kaffee, Mineralwasser, Brötchen.

11.25 Uhr: Probleme mit den Bildschirmen, die in die Tabletttische der Patienten integriert sind. Gut, dass 50 IT-Spezialisten im Einsatz sind.

12.10 Uhr: Prozessmanager Christoph Herborn hat frohe Kunde: "Zeitplan wird penibel eingehalten!" Auch die Innere Intensivstation vermeldet Einsatzbereitschaft. Jetzt wird die Notaufnahme im Erdgeschoss eingerichtet.

13 Uhr: In Verwaltungsgebäude O 35 ziehen die Chefs Zwischenbilanz - ganz entspannt. "Erstaunlich gute Laune", stellt der ärztliche Direktor, Professor Debatin, zufrieden fest. Sein kaufmännischer Kollege Dr. Alexander Kirstein: "Monatelange Planung macht sich bezahlt." Auch im Detail. Die Patienten können wählen: Roulade oder Fisch.

14.10 Uhr: Immer noch haben die 400 Mitarbeiter des Hamburger Umzugsunternehmens Alltrans alle Hände voll zu tun. Einer macht Rast und hält auf einem Stapel leerer Kartons ein Nickerchen. Er ist die Ausnahme. Neben den Ärzten, Schwestern und Pflegern sind 350 freiwillige Helfer im Einsatz. Ebenso 35 Krankenwagen mit 80 Leuten.

14.25 Uhr: Fofftein. In der zweiten Etage sitzt eine Gruppe Ärzte beisammen. Eine Pizza wird brüderlich geteilt.

15.30 Uhr: Derweil in der Chirurgischen Notaufnahme letzte Arbeiten verrichtet werden, hat das Inbetriebnahme-Team bereits den Sonntag im Visier.

16.15 Uhr: Im neuen Klinikum kehrt Ruhe ein. Relative Ruhe.

22.58 Uhr: Das erste Baby im Neuen Klinikum wird geboren. Wohlauf. Hebamme Jasmin assistiert. Nachname Schmidt, auf den Vornamen können sich die Eltern noch nicht einigen. Weitere Daten: 2820 Gramm, 46 Zentimeter.

Sonntag 7 Uhr: Auf ein Neues! "Das könnte ich jeden Sonntag machen", scherzt eine Oberärztin beim handfesten Anpacken. Wie ihre Kollegen trägt sie ein dunkelblaues Sweatshirt.

7.10 Uhr: Die Pflegestation M 14 macht den Anfang: Umzug vom 6. Stock Altbau ins 5. Geschoss Neubau.

8 Uhr: In der Chirurgie II im Altbau ist Horst Fenske (70, Oberschenkelhalsbruch) umzugsbereit. Persönliche Habseligkeiten sind gepackt.

8.14 Uhr: Schwester Grit (32), seit zwölf Jahren im UKE, erklärt Herrn Fenske den Ablauf. Beruhigend hält sie seine Hand, erntet ein Lächeln.

8.28 Uhr: Funktions-Oberarzt Dr. Jan Petersen (38) und Kollegen treffen sich zur Besprechung. Auch Professor Johannes Rueger (56), Direktor der Klinik Unfall-, Hand- und Wiederherstellungschirurgie, ist dabei. 28 Patienten müssen verlegt werden. Am Fußende ihrer Betten hängen Zettel mit dem Bestimmungsort.

9.35 Uhr: Einige haben ihre Zimmer auf Station 4 G Neubau bezogen. Erste Visite.

10.02 Uhr: Als vorletzter Patient der Abteilung wird Horst Fenske in sein Doppelzimmer geschoben, durch lange Gänge, in den Fahrstuhl, wieder durch lange Gänge. Dauer: elf Minuten. Dr. Petersen und Schwester Grit helfen aktiv. Fenske ist aufgeregt, freut sich aber über das freundliche, helle Umfeld. Im ganzen Trubel lassen Ärzte und Schwestern das Herz nicht links liegen: Für ein gutes Wort und eine Streicheleinheit ist immer Zeit. Hochachtung!

10.45 Uhr: Die Chirurgie II meldet Vollzug. Kartons werden ausgepackt, Geräte angeschlossen. Ein paar Utensilien fehlen, werden "irgendwo" entdeckt. "Ein bisschen wie Ostern", scherzt ein Pfleger.

11 Uhr: Elefantenrunde des Inbetriebnahmeteams im Besprechungszimmer, 2. Stock Neubau. Ein bisschen hakt es hier und da, im Großen aber voll im Plan. Schnell noch einen Kaffee aus dem Pappbecher, ein Käsebrötchen auf die Hand, weiter geht's. Prozessmanager Herborn spricht parallel mit zwei Mitarbeitern, Handy und einer NDR-Frau.

11.50 Uhr: Tohuwabohu im Foyer. Helfer schieben leere Betten, Apparate, Hydrokulturen und Stühle irgendwohin. Insgesamt werden an beiden Tagen mehr als 10 000 Artikel transportiert. In der Ecke stehen hohe Stapel grüner Kästen. Reinigungskolonnen wieseln umher. Fensterputzer sorgen für Durchblick. Einer sammelt Papier auf. Ein TV-Team sprintet gen Fahrstuhl. Vor der Tür wird ein Lkw nach dem anderen entladen.

12.05 Uhr: Maria Nitschke aus dem Team des Projektmanagements organisiert den Abtransport von 356 leeren Betten.

12.20 Uhr: Patient Horst Fenske atmet tief durch. Ruhe! Eine Schwester bringt Getränke.

13 Uhr: Bilanz der Bosse in Gebäude O 35. "Umzug läuft schneller und reibungsloser als gedacht", sagt UKE-Chef Debatin.

13.35 Uhr: Das für den Notfall einsatzbereite Psychiatrie-Team für "Umzugsopfer" brauchte noch nicht abgerufen zu werden.

14.05 Uhr: Kleine Pannen werden behoben. Aus den Wartezimmern wurden Stühle "entliehen" (Ärzte!), 150 Patientenklingeln fehlen, einige Computersysteme laufen schleppend an. Einschätzung allgemein: kleine Fische.

14.20 Uhr: Edda Altrogge (Team Masterplan) kümmert sich um die Aufstellung der 25 neuen Sonografiegeräte.

15.15 Uhr: Im Foyer kehrt Ruhe ein.

16.53 Uhr: Christoph Herborn vermeldet: "Umzug fertig. Bravo!"