Die Hamburger Polizei verfolgte 500 Spuren im Mordfall Süleyman T. - darunter auch eine mit Hilfe eines iranischen “Meta-Physikers“.

Hamburg. Ungewöhnliche Vorgänge erfordern ein ungewöhnliches Vorgehen. Nach dieser Methode hat die Hamburger Polizei offenbar im Zusammenhang mit dem Mord an Gemüsehändler Süleyman T. gehandelt. Um die Tat von 2001 aufzuklären - von der man heute weiß, dass sie von der Zwickauer Neonazi-Zelle begangen wurde - , beauftragten die Ermittlungsbehörden auch einen iranischen "Metaphysiker", der mit vermeintlich übersinnlichen Kräften helfen sollte.

"Es stimmt, wir hatten einen solchen Kontakt", bestätigte Polizeisprecher Mirko Streiber am Donnerstag einen entsprechenden Bericht von "Spiegel Online".

Demnach geht aus neuen Akten, die dem Bundestags-Untersuchungsausschuss zur Mordserie durch Neonazis vorliegt, hervor, dass die Hamburger Polizei im Januar 2008 auf unkonventionelle Hilfe zurückgriff. Die Verantwortlichen der Soko 061 hatten über eine persische Unternehmensberaterin ein Angebot eines Iraners bekommen: Er würde über ein "Medium" Kontakt mit dem Opfer aufnehmen, um die näheren Umstände des Verbrechens zu klären.

Die Polizei ging auf den Vorschlag von Dawoud Z. ein, wie Polizeisprecher Streiber bestätigte: "Dabei handelte es sich um eine von mehr als 500 Spuren. Wir sind dieser Spur auch nachgegangen, weil nicht auszuschließen war, dass dieser Herr möglicherweise über Täter- oder Zeugenwissen verfügen könnte. Gerade in diesem Fall haben wir alle Spuren verfolgt. Diese vermeintliche Spur ergab allerdings keinerlei brauchbare Hinweise."

Rückblickend lässt sich dies bestätigen. Denn der Geisterbeschwörer sah alles andere als rechtsextreme Täter, sondern erzählte eine Räuberpistole, mit schönen Grüßen aus dem Jenseits...

Während eines Aufenthaltes in Hamburg habe er etwa eine Viertelstunde Kontakt zu dem ermordeten Gemüsehändler aufgenommen. Bei dessen Mörder könne es sich um einen "sehr jungen Türken" handeln, es sei auf jeden Fall ein Südländer mit braunen Augen und schwarzen Haaren gewesen.

Gemüsehändler Süleyman habe möglicherweise Probleme mit einer "Rocker-Bande" gehabt, auch Drogen hätten eine Rolle gespielt. Es sei aber kein hoher Organisationsgrad zu erkennen gewesen. Der "Metaphysiker" wollte offenbar nicht die "Hells Angels" oder ähnliche Gruppierungen ins Spiel bringen.

Eine Abgleichung mit internen Polizei-Daten brachte wenig, was im Nachhinein wenig wundert.

Eingefädelt worden war der Coup von einer persischen Unternehmensberaterin, die am 18. Januar bei einem Treffen mit Polizeibeamten im Hotel Interconti von dem "Giganten unter den Metaphysikern" geschwärmt hatte. Der Mann würde die Polizei "entscheidend" in ihren Ermittlungen weiterbringen, soll sie laut "Spiegel Online" gesagt haben. Nötig sei lediglich ein Visum für ihn.

Da man ja "nichts verlieren" könne, so soll später einer der beteiligten Beamten geschrieben habe, schade es nicht, auch mal "hypnotische Befragungen" zu versuchen.

Verloren hat die Hamburger Polizei nichts, allerdings hat sie nun den zweifelhaften Ruf gewonnen, ihre Zeit durch den Einsatz von Scharlatanen zu verplempern. Im Untersuchungsausschuss zu den Taten des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) stoßen die Methoden aus Hamburg auf Unverständnis. (HA)