Vor dem Laden des getöteten Gemüsehändlers in der Schützenstraße ging das Leben weiter. DGB-Landeschef Grund fordert zur Wachsamkeit auf.

Hamburg/Kiel. Auf dem Gehweg vor dem Fahrradladen in Hamburg-Bahrenfeld haben sich nur drei Bürger mittleren Alters eingefunden, sie wollen eine Schweigeminute hier abhalten. Sie werden dabei umringt von einem halben Dutzend Journalisten. Vor der Ladentür zeigt der Geschäftsinhaber einer Kundin ein neues Hollandrad, sie setzt sich drauf und radelt zu einer Proberunde los. Im Schaufenster hängen bunt gemusterte Kinder-Fahrradhelme. Auf einer Mauer neben dem Fenster steht ein erloschenes Grablicht.

Vor elf Jahren war das Ladengeschäft in der Nebenstraße noch kein Fahrradladen, sondern der Tasköprü Market. In dem Obst- und Gemüseladen wurde am 27. Juni 2001 der 31-jährige Süleyman Tasköprü mit drei Kopfschüssen ermordet – von Angehörigen der Neonazi-Terrorzelle NSU, wie inzwischen angenommen wird. Tasköprü war das dritte Opfer einer Mordserie, die sich gegen Kleinunternehmer mit Migrationshintergrund richtete.

Mit einer Schweigeminute gedenken überall im Deutschland am Donnerstag Menschen der insgesamt zehn Opfer der Mordserie. Auch die Abgeordneten der Hamburgischen Bürgerschaft legen im Rathaus der Elbmetropole eine Schweigeminute ein. Der Erste Bürgermeister Olaf Scholz (SPD) nimmt in Berlin an einer zentralen Gedenkfeier teil. Das öffentliche Leben in Hamburg steht für eine Minute still. Busse, U-Bahnen und Elbfähren stehen um 12.00 Uhr länger an Haltestellen, um der Opfer zu gedenken. Mit Durchsagen werden die Passagiere über den Anlass informiert.

Auch Walter Busch will vor dem Fahrradladen in Bahrenfeld seiner Betroffenheit Ausdruck verleihen. Der 51 Jahre alte Gebäudegutachter habe erst am Morgen im Radio von der bundesweiten Schweigeminute erfahren. „Da habe ich die Arbeit unterbrochen, um hier zu sein“, sagt Busch. Er entstamme der linken Szene, der Polizei hat er eigenen Angaben zufolge nie völlig vertraut. Dass aber Rechtsterroristen für die Mordserie verantwortlich seien, sei auch ihm vor der Aufdeckung der Terrorzelle nicht in den Sinn gekommen.

Die Mordserie habe nur vorübergehend die Wachsamkeit der Ermittler gegen die rechte Szene erhöht. „Das wird leider schnell wieder einschlafen“, sagt Busch. Die Fehler der Behörden würden am deutlichsten bei der Einschleusung von V-Leuten in rechtsradikale Gruppierungen. Das Geld vom Verfassungsschutz lande letztlich bei den Extremisten, die es ja eigentlich zu bekämpfen gelte.