Kunden der City BKK berichten von Problemen, einen neuen Krankenversicherer zu finden. Das Abendblatt machte den Telefon-Test.
Hamburg. Neue Probleme für die knapp 140.000 Kunden der Krankenkasse City BKK, die geschlossen wird: Bei etlichen anderen Kassen seien die Versicherten, die jetzt den Anbieter wechseln müssen, nach Angaben der City BKK nicht erwünscht - jedenfalls wenn sie alt und zudem noch chronisch krank sind. "Nach unseren Erkenntnissen haben schon mindestens elf Kassen versucht, unsere Mitglieder von einem Wechsel zu ihnen abzubringen", sagte Torsten Nowak, Sprecher der City BKK, dem Abendblatt. Dies sei offenbar ein "verbreitetes Phänomen".
Dabei führten die Wettbewerber "fadenscheinigste Argumente" an, um wechselwillige ältere Menschen abzuschrecken. So könnten bestimmte Therapien nur von einer anderen Betriebskrankenkasse weitergeführt werden. In anderen Fällen seien Interessenten an eine Geschäftsstelle verwiesen worden, die nur sehr eingeschränkte Öffnungszeiten habe. Sogar von einem - angeblichen - dreitägigen Aufnahmestopp für Rentner sei die Rede gewesen.
Einem Bericht der "Financial Times Deutschland" zufolge wimmelt nicht zuletzt die Hanseatische Krankenkasse (HEK) aus Hamburg ältere Kunden der City BKK ab. So lege man Anrufern nahe, sich doch besser an einen Versicherer aus dem Kreis der Betriebskrankenkassen zu wenden.
"Wir haben keinen einzigen Menschen, der bei uns angefragt hat, abgelehnt", sagte HEK-Vorstand Jens Luther dazu dem Abendblatt. Schließlich sei man verpflichtet, wechselwillige Kunden einer anderen gesetzlichen Krankenkasse aufzunehmen. "Wir haben in unserer Beratung aber nicht nur auf die Vorteile, sondern auch auf mögliche Nachteile einer Mitgliedschaft bei uns hingewiesen - und das ist rechtlich völlig korrekt", sagte Luther. Unter anderem habe die HEK andere Rabattverträge mit Arzneimittelherstellern abgeschlossen als die Betriebskrankenkassen, sodass neue Mitglieder eventuell auf ein anderes Medikament umsteigen müssten.
Allerdings sei die HEK schon in früheren Jahren gelegentlich dadurch aufgefallen, dass sie versucht habe, ältere und kranke Menschen nicht aufnehmen zu müssen, sagte Christoph Kranich von der Patientenberatung der Verbraucherzentrale Hamburg (vzhh). Nach seiner Auffassung ist ein solches Verhalten jedoch letztlich eine Konsequenz des gesundheitspolitischen Kurses: "Wenn die Politiker wollen, dass Wettbewerb unter den Kassen herrscht, ist das die logische Konsequenz."
Das Abendblatt wollte wissen, wie schwer es potenziell kostenträchtige Personen tatsächlich haben, eine neue Kasse zu finden, und machte den Test über das Telefon. Das Szenario: Ein Angestellter mittleren Alters sucht für seine 85 Jahre alte chronisch kranke Mutter eine neue Krankenkasse. Die ältere Dame ist noch bei der City BKK versichert.
AOK: Eine junge Frau bei der kostenlosen Servicehotline verweist an die AOK Hamburg und liefert die Telefondurchwahl gleich mit. Dort wird dem Anrufer mitgeteilt, dass es grundsätzlich kein Problem sei, die Mutter bei der AOK anzumelden. Allerdings sollte man als Angehöriger sehr genau auf den Service der jeweiligen Kasse schauen. Dann fragt die Mitarbeiterin, bei welcher Krankenkasse man denn selbst sei. "Bei der Techniker Krankenkasse", lautet die Antwort. Der Tipp der AOK-Beschäftigten: Dann mache es doch durchaus Sinn, die Mutter auch bei der Techniker Krankenkasse anzumelden. Schließlich kenne man als Sohn dann bereits alle Leistungen und den Service.
Techniker Krankenkasse: Die Frau am anderen Ende der Leitung hört sich die Geschichte über die gebrechliche Mutter in Ruhe an und verbindet dann zu einer Kollegin. Nach etwa einer Dreiviertelminute in einer mit Musik untermalten Warteschleife meldet sich eine andere Frauenstimme. Sie bietet an, die Anmeldeunterlagen für die 85 Jahre alte Mutter per Post zu schicken.
Shell BKK/LIFE: Bei der ebenfalls in Hamburg ansässigen Kasse ist eine Männerstimme am anderen Ende der Leitung. Sie klingt wenig euphorisch nach der Geschichte über die alte, kranke Mutter. Doch der Mitarbeiter lehnt den Aufnahmeantrag keinesfalls ab. Er verweist lediglich darauf, dass die Shell BKK/LIFE vor allem über das Internet arbeitet und nicht an jeder Ecke eine Geschäftsstelle habe. Möglicherweise nicht optimal für eine gehbehinderte Frau, denkt der Anrufer.
Securvita: Eine Mitarbeiterin der Servicehotline nimmt schon nach wenigen Sekunden das Gespräch an. Sobald die alte Dame das offizielle Schreiben über die Schließung der City BKK erhalten habe, könne sie den Mitgliedsantrag stellen, heißt es. Ob sie dann auch angenommen werde? "Natürlich, dazu sind wir verpflichtet."
HEK: Die HEK sagt zwar nach dem Anruf im Callcenter einen Rückruf aus der Fachabteilung zu. Bis zum Abend blieb dieser jedoch aus.