Die Frage, ob Google illegale Daten eingefangen hat, ist zu klären. Datenschützer stellen dem Internetkonzern jetzt ein Ultimatum.
Hamburg. Die Idee, den Weltkonzern anzugreifen, kam Vater und Sohn beim Abendbrot in Alsdorf bei Aachen. "Ich habe gesagt: Wenn keiner was dagegen tut, dann machen wir das", erzählte Rechtsanwalt Dieter Ferner dem Abendblatt. Er und sein Sohn Jens Ferner, der in der väterlichen Kanzlei lernt, haben die Firma Google verklagt, die während der Aufnahmen für ihr Projekt "Street View" auch Daten privater Funknetzwerke erfasst hat. "Wenn es für Privatleute strafbar sein könnte, sich in fremden WLAN-Netzen anzumelden, warum sollte Google das dürfen?", fragt Anwalt Ferner. Google hatte eingeräumt, auch private Daten aus offenen Funknetzen gespeichert zu haben, darunter Fragmente privater E-Mails. Das sei ein "Versehen" gewesen.
Internetbenutzer weltweit blicken nun auf Hamburg. Hier sitzt die Google-Zentrale Deutschlands, die Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen aufgenommen. "Es geht um den Verdacht des strafbaren Abfangens von Daten", bestätigte Oberstaatsanwalt Wilhelm Möllers. Ermittelt werde gegen namentlich nicht bekannte Mitarbeiter. Das Gesetz sieht eine Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder Geldstrafen vor. Ob es weitergehende Ermittlungen gebe, sei aber "noch völlig offen".
Zum Krisengipfel trafen sich gestern die Datenschutzbeauftragten aller Bundesländer beim Hamburger Beauftragten Johannes Caspar, mit dabei waren Vertreter des Google-Vorstands. Caspar stellte Google ein Ultimatum: Bis Mittwoch müsse der Konzern Einsicht in die gesammelten Daten gewähren, um diese beurteilen zu können. Sonst drohe dem Unternehmen ein Bußgeld von bis zu 300 000 Euro.
Der Datenschützer hatte mit hartnäckigen Fragen zwar den Konzern dazu gebracht, die weitgehende Erfassung der Daten einzugestehen, was weltweite Aufmerksamkeit weckte. Die "New York Times" berichtete über den Hamburger Vorstoß sowie Internetblogs. "Bis heute ist es unserer Behörde weder ermöglicht worden, die Software, die Google zum Scannen eingesetzt hat, noch eine Festplatte mit Originaldaten zu überprüfen", sagte Johannes Caspar.
Auch die Kläger sehen im Löschen der Daten ohne Aufsicht die Gefahr einer Verdunkelung. "Sollte Google die gesammelten Daten nun einfach löschen, behalten wir uns eine weitere Klage vor", sagte Rechtsanwalt Ferner.
Das Problem kennt jeder Benutzer von Laptops oder internetfähigen Handys: Wer unterwegs ein Funknetz sucht, sieht eine Liste verfügbarer Netzwerke - und kann versuchen, sich ohne Passwort in ein Netzwerk einzuloggen. "Schwarzsurfen" ist juristisches Neuland, bei dem auch das Abhörverbot des Telekommunikationsgesetzes relevant ist. Das Amtsgericht Wuppertal etwa nahm eine Strafbarkeit bereits beim Versuch des Einloggens an. Allerdings hat der Bundesgerichtshof entschieden, dass Nutzer ihr Netzwerk sichern müssen, um Missbrauch zu vermeiden.
Google wiederum katalogisiert Netzwerke auch deshalb, weil sie eine Navigation auf der "Street View"-Karte ermöglichen. Auch der Hamburger IT-Anwalt Guido Flick hält das für problematisch: "Die von Google gesammelten Daten könnten helfen, systematisch nach offenen Netzwerken zu suchen, etwa um illegal Musik herunterzuladen, aber auch um Daten auszuspähen, etwa Sicherheitscodes für Online-Banking", sagte Flick dem Abendblatt.