Die Ausschreitungen im Schanzenviertel dauerten wieder bis tief in die Nacht. Innensenator Ahlhaus will die Chaoten härter bestrafen.

Hamburg. Die Polizei in Hamburg ist vom Ausmaß der Krawalle am Abend des 1. Mai nach eigenen Angaben „überrascht“ worden. Die Gewalt sei nicht auf das Konto von Linksautonomen gegangen, sondern überwiegend von gewaltbereiten Jugendlichen ohne Bezug zur Szene ausgegangen, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag. Das sei in der Größenordnung so nicht erwartet worden. Bei den Ausschreitungen nahm die Polizei den Angaben zufolge 69 Verdächtige fest oder in Gewahrsam. Insgesamt beteiligten sich demnach mehrere hundert Randalierer an den Ausschreitungen im Hamburger Schanzenviertel.

Schätzungsweise 500 bis 700 Menschen zogen den Angaben zufolge in den späten Abendstunden durch das Viertel um den linksautonomen Szenetreff Rote Flora und bewarfen Polizisten mit Steinen und Flaschen. Sie errichteten brennende Barrikaden und beschädigten Autos sowie 15 Banken und Geschäfte. Teilweise drangen die Randalierer in die Verkaufsräume ein und verwüsteten sie. Die Polizei ging mit Wasserwerfern und Schlagstöcken gegen die Gewalttäter vor. Bei dem Einsatz wurden 15 Beamte leicht verletzt. Ein Feuerwehrmann wurde von einem Stein am Kopf getroffen und kam in ein Krankenhaus. Insgesamt waren rund 1200 Polizisten in Hamburg im Einsatz.

„Das war schon ganz schön heftig“, sagte der Polizeisprecher. Er verglich die Lage mit den Ausschreitungen im September des vergangenen Jahres. Damals war es an einem Wochenende nach einer Kundgebung von Rechtsextremen und einem Straßenfest im Schanzenviertel zu den schwersten Ausschreitungen in Hamburg seit langem gekommen. Es gab damals 60 Verletzte, darunter mindestens 19 unbeteiligte Passanten. Auch damals stufte die Polizei einen großen Teil der Randalierer als „gewalterlebnisorientierte Jugendliche“ ein, nicht als Angehörige der linksautonomen Szene.

Innensenator Christoph Ahlhaus verurteilt Ausschreitungen rund um den 1. Mai

Zwischen dem 30. April und dem 2. Mai randalierten überwiegend gewaltorientierte Jugendliche im Hamburger Schanzenviertel. Allein in Hamburg wurden nach jetzigem Kenntnisstand 28 Polizeibeamte und ein Feuerwehrmann verletzt, 13 Geschäfte wurden zum Teil schwer beschädigt, Fahrzeuge in Brand gesteckt. Auch in Berlin und anderen deutschen Städten gab es zahlreiche verschiedene gewalttätige Versammlungen mit gewaltbereiten Teilnehmern aus dem linksautonomen und rechtsextremistischen Spektrum. Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus, der auch amtierender Vorsitzender der Innenministerkonferenz ist, verurteilt diese Ausschreitungen.

Innensenator Christoph Ahlhaus: „Es ist nicht hinnehmbar, dass auch in diesem Jahr der Tag der Arbeit einmal mehr von skrupellosen Straftätern für ihre zügellosen Gewaltausbrüche und sinnlosen Angriffe auf Polizeibeamte und andere Rettungskräfte als Bühne missbraucht wurde. Wir hatten in Hamburg die Hoffnung, dass sich die Auseinandersetzungen diesmal in Grenzen halten. Auch wenn die Polizei die Lage stets unter Kontrolle hatte, hat sich die Prognose der Sicherheitsbehörden nicht erfüllt. Die gewalttätigen Ausschreitungen der letzten Tage durch Links- und Rechtsextremisten aber auch erneut durch aggressiv-gewaltbereite Jugendliche sind durch nichts zu rechtfertigen. Die Ereignisse erfüllen mich mit Abscheu. Wir dürfen jetzt nicht einfach Bilanz ziehen und dann zur Tagesordnung zurückkehren. Den Einsatzkräften von Bund und Ländern möchte ich im Namen aller Innenminister für ihre hohe Einsatzbereitschaft danken. Nur durch ihr entschlossenes Auftreten ist es gelungen, Gewalttäter und Extremisten jeder Couleur in die Schranken zu weisen. Allen verletzten Polizisten wünsche ich eine schnelle Genesung.“

"Die Einsatzkräfte brauchen gesellschaftliche Unterstützung!“

Innensenator Christoph Ahlhaus fordert die uneingeschränkte Rückendeckung unserer Einsatzkräfte durch Politik und Gesellschaft: „Spätestens die gewaltsamen Vorfälle der letzten Tage müssen auch die klammheimlichen Sympathisanten und die nicht wenigen Sorglosen wachrütteln, die immer noch die Gefahren des politischen Extremismus von Links und Rechts in Deutschland verharmlosen und Gewaltexzesse von Jugendlichen als ‚Dumme-Jungen-Streiche’ bagatellisieren. Politik und Gesellschaft sind gefordert, extremistischen Gewalttätern gemeinsam im Rahmen der jeweils eigenen Möglichkeiten entschieden entgegenzutreten.“

Mit Blick auf Berlin und andere Städte in Deutschland, wo Tausende Menschen gegen Aufmärsche von Rechtsextremisten demonstrierten, sagte der Senator: „Die Menschen in Deutschland haben eindrucksvoll bewiesen, dass sie in der Lage sind, Rechtsextremisten in die Schranken zu weisen. Diesen friedlichen Protest vermisse ich aber leider, wenn die Gewalt aus der linken Ecke kommt oder sich gegen unsere Polizeibeamten, Feuerwehrleute und andere Retter richtet. Auch unsere Einsatzkräfte haben die zehntausendfache Unterstützung der Menschen verdient, für die sie tagtäglich und auch bei Demonstrationen im Einsatz sind. Völlig inakzeptabel wäre es, wenn sich mit dem Bundestagsvizepräsidenten einer der höchsten Vertreter dieses Staates den Aufforderungen der Polizei widersetzt haben sollte. Protest gegen Rechtsextremismus ist nicht nur legitimes, sondern verantwortungsvolles Handeln in unserer demokratischen Gesellschaftsordnung. Das geht aber auch in anderer Form, wie viele Menschen in unserem Lande immer wieder unter Beweis stellen. Wer unseren Polizeibeamten an einem einsatzintensiven Tag wie dem 1. Mai für seine Medienauftritte zusätzliche Arbeit beschert, lässt jegliche Solidarität mit denjenigen vermissen, die unseren Rechtsstaat unter Einsatz ihrer Gesundheit verteidigen müssen. Wenn es so ist, dass ein Bundestagsvizepräsident sich gegen das Gewaltmonopol des Staates gestellt hat, ist er der Öffentlichkeit eine Erklärung schuldig.“

"Wir brauchen härtere Strafen bei Gewalt gegen Polizeibeamte und Rettungskräfte!“

Der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, Hamburgs Innensenator Christoph Ahlhaus, kündigte an, dass er die zunehmende Gewalt gegen Polizeibeamte, Feuerwehrleute und Rettungskräfte auf der Ende Mai in Hamburg stattfindenden Frühjahrstagung der Innenminister erneut zum Thema machen wird: „Wir sind es unseren Einsatzkräften schuldig, jetzt zügig einen vernünftigen Gesetzentwurf zu präsentieren, der von Bund und Ländern gemeinsam getragen wird. Um es ganz klar zu sagen: Mit einer Alibi-Novelle aus dem Bundesjustizministerium werden wir auch in Zukunft unsere Beamten nicht besser schützen können. Wer mit Eisenstangen, Wurfgeschossen, Steinen und Flaschen auf Einsatzkräfte losgeht, gehört weggeschlossen. Mit präventiven Maßnahmen und teuren Aufklärungskampagnen alleine wird man diese Krawallmacher nicht davon überzeugen können, sich zivilisiert politisch zu äußern, ohne auf andere loszugehen.“

Abschließend lobte der Senator die gute Zusammenarbeit von Bund und Ländern an diesem Wochenende: „Die Solidarität der Innenministerien von Bund und Ländern hat an diesem Wochenende einmal mehr ausgezeichnet funktioniert. Die Bundesländer untereinander sind sich ihrer Verantwortung für die Sicherheit in unserem Lande bewusst und helfen sich an Extremwochenenden wie diesem, in dem sie ihre Bereitschaftspolizeien zur Unterstützung dahin entsenden, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Diese erfolgreiche sicherheitspolitische Philosophie müssen wir Länder uns erhalten. Dieses Wochenende zeigt aber auch, dass wir es uns alle nicht erlauben können, Bereitschaftspolizisten einzusparen und dann bei Großlagen andere Länder um Unterstützungskräfte zu bitten, um eigene Personallöcher zu stopfen. Wer so denkt, verletzt den Jahrzehnte alten Solidaritätsgedanken der Länder.“