Hamburg. Rückforderung von Corona-Hilfen plus höhere Miete bringen Betreiber in Not. So will ein Stammgast das Lokal vor der Insolvenz retten.
„Wie soll man den ersten Eindruck beschreiben?!“, fragt ein Gast in den vielen guten Bewertungen vom El Brujito, und er gibt auch gleich die passende Antwort. „Er täuscht! Dieser Laden ist Altona wie es ist und sein sollte, er polarisiert, ist ursprünglich und so herzlich! Selten so wohl und willkommen gefühlt.“ Doch genau diese alternative Szenekneipe steht jetzt vor dem Aus.
Denn wie aus einem öffentlichen Aufruf auf der Plattform GoFundMe hervorgeht, können offenbar nur noch Spenden die Kultkneipe vor der Insolvenz retten. Die Aktion hat ein befreundeter Gast ins Leben gerufen, der schreibt, dass das El Brujito vor großen Herausforderungen stehe, die alleine nicht mehr zu bewerkstelligen seien. Er führt Corona-Hilfen an, die nun doch zurückgefordert werden, eine steigende Miete sowie höhere Strom- und Wasserkosten. Alles in allem brauche es 17.000 Euro.
Kneipe El Brujito in Altona ist nicht vergleichbar mit anderen Restaurants in Hamburg
Steigende Kosten, niedrigere Einnahmen und Corona-Hilfen, die zurückgezahlt werden: Damit kämpfen auch andere Restaurants und Kneipen in Hamburg. Warum sollten Gäste für diese Tapas-Bar in Altona nur einen Euro spenden wollen und sollen? Vielleicht, weil diese Bar nicht ganz vergleichbar ist mit normalen Gastrobetrieben.
Das El Brujito gibt es seit 15 Jahren. Gegründet wurde die linke Institution von Karsten Siem, der auch den Streetwear-Laden True Rebel Store in Altona ins Leben rief und in der örtlichen Punkszene fest verwurzelt war. 2009 zog das El Brujito in die Eckkneipe am Lornsenplatz, die als Stammkneipe der SA galt. Ein symbolischer Wechsel.
Kneipe in Altona: Betreiber des El Brujito arbeiten Vollzeit in Psychiatrie und Pflege
Ebenfalls sehr symbolisch war das Ende am Lornsenplatz. Der Eigentümer kündigte dem Betreiber, wollte das Haus umbauen und Büros daraus machen. Viele sahen das als weiteres Beispiel für die einsetzende Verdrängung von alten Mietern aus Altona gerade im Zusammenhang mit der Diskussion um den Ikea-Bau.
Die Kneipe fand ein neues Zuhause am heutigen Standort in der Amundsenstraße 25. Nach dem Tod von Karsten Siem übernahmen sechs Freunde den Szenetreff, mitten in der Corona-Zeit brauchte es erneut Unterstützer, die den Laden weiterbetreiben wollten. Es fanden sich damals drei, darunter Noah Hasseler, der hier zuvor als Barkeeper gejobbt hatte. Im April 2021 übernahmen sie das El Brujito.
„Reich wird man damit nicht“, betont Hasseler auf Abendblatt-Anfrage. Vielmehr seien die Betreiber froh, wenn es ein Nullsummenspiel werde. „Am Ende des Monats müssen wir gucken, wie wir es hinbekommen, die Miete zu bezahlen und die 538-Euro-Kräfte“, sagt er. Er habe auch schon Geld in den Laden gesteckt, so der 33-Jährige.
Spenden für Altonaer Kneipe El Brujito: 4250 Euro sind bislang zusammengekommen
Durch die Corona-Rückzahlungen, von Vorgängern noch beantragt, und die gestiegene Miete sei es besonders schlimm. Zu schlimm. Der Schuldenberg wächst. „Wir wissen überhaupt nicht, wie wir das bewerkstelligen sollen“, sagt Hasseler. Da kam die Idee eines befreundeten Gastes auf, ein Crowdfunding zu starten und Spenden für „einen ganz besonderen Ort“ zu sammeln.
4250 von den angestrebten 17.000 Euro sind über die Plattform bislang zusammengekommen. Rund 13.000 Euro davon gehen an die Hamburgische Investitions- und Förderbank, die laut einem vorliegenden Schreiben aus 2023 die Corona-Soforthilfe in dieser Höhe zurückfordert und vorerst gestundet hatte. Zudem gibt es Mietrückstände, wie Hasseler auf Abendblatt-Anfrage offenlegt.
El Brujito in Hamburg: Betreiber wollen „kleinen dreckigen Fleck Altona“ erhalten
Dabei könnte der 33-Jährige den Laden auch einfach abschließen. Denn sein Geld verdient er anders. Hauptberuflich arbeitet er in der Psychiatrie. Nach einer 38,5-Stunden-Woche steht er dann am Abend oder an seinem einzigen freien Tag in der Küche oder am Tresen vom El Brujito. Vor dem Schichtdienst kaufe er ein oder erledige Schriftkram. Seine Mitstreiterin ist in der ambulanten Pflege tätig und kümmert sich nach ihren jeweiligen Schichten um die Kneipe. „Es geht hier viel Freizeit drauf“, sagt Hasseler, der es dennoch nicht missen will. Warum?
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„Dieser Laden hat so viel Charakter. Für manchen ist es wie ein zweites Wohnzimmer. Die Menschen, die hierherkommen, geben uns das Gefühl, der Laden ist zu wertvoll, als dass man ihn einfach aufgeben kann“, erklärt Hasseler. Für ihn ist es ein Herzensprojekt. „Ich möchte, dass dieser kleine dreckige Fleck Altona bleibt“, formuliert er es und fügt erklärend hinzu: „Wir sind eben keine Hipster-Bar, wo man seinen Cocktail schlürft. Wenn wir nicht mehr da sind, wo kann man hier sonst noch unter der Woche abends am Tresen sitzen und sich unterhalten?“
Im November planen die Betreiber zudem zwei Band-Abende, mit denen nötiges Geld in die Kasse kommen soll. Am Freitag, 1. November, tritt abends „Los Brujitos“ auf, und am Sonnabend, 2. November, spielt El Schnucko „anspruchsvolle Kneipenmusik“, Louis Schöppl „alternativen Soul Pop“ und HO_E „Contemporary Jazz Pop“. Der Eintritt ist kostenlos.