Hamburg. Am Freitag gehen Lichter im Laden an der Bahrenfelder Straße nach 34 Jahren aus. Was das mit dem autoarmen Quartier zu tun hat.

  • Vater begründete das Unternehmen mit Sitz in der Bahrenfelder Straße in Ottensen.
  • Am Freitag schließt Firmenchef Marcel Müller dort die Türen nach 34 Jahren.
  • „Werden weggeekelt“, sagt der Unternehmer und siedelt nach Hamburg-Schnelsen um.

Marcel Müller hat Tausende Türen in Hamburg aufgemacht. Jetzt schließt er eine – schweren Herzens. Denn der 48-Jährige, der 2007 das Geschäft seines Vaters übernahm, macht nach 34 Jahren den Laden an der Bahrenfelder Straße zu und verlegt den Firmensitz AES-Sicherheitstechnik nach Schnelsen.

Gern wäre Müller mit seinem Schlüsseldienst in Ottensen geblieben. Doch er sagt, die Verkehrsplanung vor seine Haustür mache es ihm unmöglich. Das Projekt „freiRaum Ottensen“ führt offenbar im wahrsten Sinne des Wortes zu freien Räumen im Quartier. Dabei war damit eigentlich gemeint, die Straßen von Autos zu befreien und anderen Nutzungen Raum zu geben.

Schlüsseldienst flüchtet aus Ottensen – wegen Verkehrsprojekts

Laut Müller sei er nicht der erste Gewerbetreibende, der geht. Und er prophezeit, dass weitere Geschäfte aufgeben werden. Wie er darauf kommt? Das habe ihn die Testphase gelehrt. Unter dem damaligen Projektnamen „Ottensen macht Platz“ hatte der Bezirk Altona sechs Monate lang die Sperrung der angedachten Straßen für den Autoverkehr erprobt. Das war vom 1. September 2019 bis zum 3. Februar 2020.

Müller erinnert sich mit Schrecken daran zurück: „Um 50 Prozent sind die Einnahme im Laden damals eingebrochen.“ Jeden Tag habe es Auseinandersetzungen – teils handgreifliche – gegeben, seine Monteure im Kundendienst mussten sich bepöbeln lassen. „Leute haben vor dem Laden auf Picknick-Decken auf der Straße gesessen und haben die Handwerker nicht durchgelassen“, sagt Müller und schüttelt den Kopf.

Unternehmer: „freiRaum Ottensen“ mache 24-Stunden-Kundendienst unmöglich

Die vier Firmenfahrzeuge stehen im Hinterhof und starten ab der Bahrenfelder Straße, um Menschen zu helfen, die sich ausgesperrt haben. Müller bietet einen Tag-und-Nacht-Notdienst. Im Ladengeschäft gibt es Schlüssel aller Art, Schlösser und Beratung. Aber der Kundennotdienst hat sich über die Jahre immer mehr zum wichtigen Standbein der Firma entwickelt. Die Nachfrage ist hoch. Alle paar Minuten klingelt an diesem Morgen das Telefon.

Schlüsseldienst
Marcel Müller ist Geschäftsführer von AES-Sicherheitstechnik mit Sitz in Ottensen. Nach 34 Jahren gibt den Laden an der Bahrenfelder Straße nun auf. Der Grund: die Planung für ein autofreies Quartier vor der Haustür. © Funke | Katy Krause

„Wir hätten keine Chance, unseren 24-Stunden-Kundendienst weiter von hier aus zu realisieren, wenn die geplante Verkehrsberuhigung kommt“, ist sich der Firmenchef sicher. Politik und Bezirksamt betonen dagegen, dass Anwohner und Lieferverkehr weiterhin in das dann autoarme Quartier einfahren dürften. Aber wie das genau funktionieren soll, diese Frage ist ungeklärt.

Bezirk Altona verweist bei Pollerlösung auf noch ungeklärte Fragen

Während einer Präsentation der überarbeiteten Pläne im Altonaer Rathaus im April dieses Jahres verwiesen die Verwaltungsmitarbeiter noch auf übergeordnete Pläne der Verkehrsbehörde für ganz Hamburg, die man abwarte. Dabei geht es um die vorgesehenen versenkbaren Poller, die möglichst einheitlich in der Stadt funktionieren und gewartet und auch in Ottensen zur Sperrung der Straße eingesetzt werden sollen.

Wie der Sachstand dazu heute ist? Dazu erklärt das Bezirksamt Altona auf Abendblatt-Anfrage: „Ein Ergebnis können wir Stand heute noch nicht verkünden. Es bleibt daher dabei, dass wir mit dem Einbau von elektronischen Pollern planen, der tatsächliche Einbau aber nur stattfinden wird, sobald wir die ungeklärten Fragen gelöst haben“, sagt Bezirkssprecher Mike Schlink.

Schlüsseldienst aus Ottensen fühlt sich durch Auflagen „weggeekelt“

Doch diese Unsicherheit ist es, die Marcel Müller nicht abwarten kann oder will. Zudem kämen weitere Faktoren hinzu, die ihn glauben lassen, dass man bei diesem Projekt eben nicht an Gewerbetreibende wie ihn denke. „Ottensen verändert sich stark“, beobachtet Müller. Die Mischung aus Wohnen und Gewerbe nehme immer mehr ab. Überall entstünden teure Wohnungen, kleine Hinterhofwerkstätten verschwänden.

„Ich bin hier groß geworden“, betont Müller. Schon früh habe er seinem Vater im Geschäft geholfen. „Der Schritt, hier wegzugehen, fällt mir schwer.“ Aber in den vergangenen Jahren hätten verschiedene Auflagen es ihm immer schwerer gemacht – zum Beispiel das Anwohnerparken. Man werde „weggeekelt“, fasst es der 48-Jährige zusammen. Hinzukäme der allgemeine Personalmangel. Er ist froh um seine langjährigen Mitarbeiter, von denen er keinen verlieren will, weil sie die Anfahrt zu Firma fürchten.

In Schnelsen im Kulemannstieg 6 hat er nun in einer ehemaligen Schlosserei ein neues Zuhause fürs Unternehmen gefunden. Dort wird es keinen Laden mit Direktverkauf mehr geben. Aber es gibt in einer kleinen Werkstatt viel Platz für die Fahrzeuge und ein Büro für Müller mit einem Fenster und Tageslicht. Darauf freue er sich. Am 18. Oktober öffnet der Ottensener Schlüsseldienst zum letzten Mal seine Türen. Am 1. November geht es dann an anderer Stelle weiter.

Unternehmer verlässt Ottensen: Grund ist für Bezirksamt „überraschend“

Aus dem Rathaus Altona heißt es zu dem Fall auf Anfrage: „Das Bezirksamt Altona bedauert die Schließung des Unternehmens in Ottensen. Dass die geplante Verkehrsberuhigung hierfür angeführt wird, ist für das Bezirksamt Altona jedoch überraschend und auch irritierend. Im März 2024 wurden die Gewerbetreibenden zu ersten Gesprächen eingeladen. Einige sind dieser Einladung auch gefolgt und haben ihre Bedenken und Sorgen geäußert.“

Das besagte Unternehmen sei in den bisherigen Beteiligungsveranstaltungen oder über die Kommunikationskanäle nicht mit seinen Bedenken und Problemen an das Bezirksamt herangetreten. „Wir sind der festen Überzeugung, dass wir mithilfe des Teilkonzepts für den Wirtschaftsverkehr gemeinsamen mit den Gewerbetreibenden gute Lösungen finden werden“, heißt es weiter.

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Die Schlussverschickung zum Umbau der Straße und der Realisierung des Konzepts soll in den kommenden Wochen veröffentlicht werden, heißt es aus dem Rathaus. Voraussichtlich im November solle es hierzu wieder einen Redestand in Ottensen geben, an dem das Bezirksamt die Pläne erläutert.