Hamburg. Ende 2018 flog das Gebäude in Bahrenfeld für Dreharbeiten in die Luft, seitdem steht es leer. Ein mysteriöser Aufkleber macht stutzig.

Kaputte Rollläden, Graffiti an den Scheiben, im Regenmatsch liegt ein verwittertes Schreiben an eine Firma mit der Adresse Mendelssohnstraße 13: An der Einmündung zur Paul-Dessau-Straße in Hamburg-Bahrenfeld deutet wenig darauf hin, dass dort jahrzehntelang eine der erfolgreichsten Vorabendserien der ARD-Geschichte beheimatet war.

Von 1990 an wurde in dem roten Backsteinbau für das „Großstadtrevier“ gedreht, ehe dort nach 409 Episoden mit einem Knalleffekt das jähe Ende kam: Am 13. Dezember 2018 flog das fiktive Polizeikommissariat 14 per Regieanweisung in die Luft. Der eigentliche Grund für die ins Drehbuch geschriebene Explosion: Der Mietvertrag für das dreigeschossige Gebäude war ausgelaufen.

9. Dezember 2018: Jan Fedder alias Kommissar Dirk Matthies blickt auf die explodierte „Großstadtrevier“-Wache an der Mendelssohnstraße.
9. Dezember 2018: Jan Fedder alias Kommissar Dirk Matthies blickt auf die explodierte „Großstadtrevier“-Wache an der Mendelssohnstraße. © imago images / News4HH | via www.imago-images.de

Umzug der „Großstadtrevier“-Wache: Bei Jan Fedder flossen Tränen

Es folgten der Umzug des „Großstadtrevier“-Sets auf das Produktionsgelände von Studio Hamburg in Tonndorf – und viel Wehmut bei Darstellern und Fans der Serie. Selbst Fernsehkritiker trauerten der Rotklinker-Patina nach. „Das ist alles so schön oll“, urteilte „Großstadtrevier“-Urgestein Maria Ketikidou („Harry“ Möller) liebevoll.

Und bei Kultkommissar Jan Fedder alias Dirk Matthies flossen sogar echte Abschiedstränen. „Ich werde wahrscheinlich noch ein paarmal heulen“, sagte Fedder in einer Umzugs-Dokumentation über die alte Wache. „27 Jahre in einem Gebäude, die wischt man nicht so einfach weg.“ Und: „Wenn wir hier den Laden zumachen, dann macht auch in meinem Herz bestimmt irgendwas zu.“

Mit einem achtfachen „Bumm“ wurde Ende 2018 das Aus der „Großstadtrevier“-Wache in Bahrenfeld besiegelt.
Mit einem achtfachen „Bumm“ wurde Ende 2018 das Aus der „Großstadtrevier“-Wache in Bahrenfeld besiegelt. © imago images / News4HH | News4HH/Lenthe

Ex-„Großstadtrevier“-Wache jetzt wieder eine Polizeidirektion?

Wenige Monate nach dem Auszug erlag Fedder einem langjährigen Krebsleiden. Nach dem Tod des beliebten Hamburger Volksschauspielers am 30. Dezember 2019 wurde die Mendelssohnstraße noch einmal zur Pilgerstätte, viele Trauernde legten Blumen, Kerzen und Bilder vor dem „PK14“ ab.

Nach Jan Fedders Tod suchten viele „Großstadtrevier“-Fans auch die alte TV-Wache an der Mendelssohnstraße in Hamburg-Bahrenfeld auf.
Nach Jan Fedders Tod suchten viele „Großstadtrevier“-Fans auch die alte TV-Wache an der Mendelssohnstraße in Hamburg-Bahrenfeld auf. © imago images/epd | Philipp Reiss via www.imago-images.de

Seither steht das Gebäude leer und versprüht mit großflächigen Schmierereien und angegriffenem Fensterglas den Charme eines „Lost Place“. Zumindest das großflächigste Graffiti wurde inzwischen entfernt – während vor allem ein Detail im Eingangsbereich seit geraumer Zeit stutzig macht: An der Tür prangt nun ein Aufkleber mit der Aufschrift „Polizeidirektion“.

Auch das „Großstadtrevier“-Team stellt sich die Zukunftsfrage

Was hat es damit auf sich? Wird das „Großstadtrevier“ etwa doch noch einmal an die alte Heimat Mendelssohnstraße zurückkehren? Und was soll überhaupt mit dem bundesweit bekannten Gebäude passieren?

Rätsel um einen „Lost Place“: Die alte „Großstadtrevier“-Wache ist inzwischen wieder als „Polizeidirektion“ gekennzeichnet.
Rätsel um einen „Lost Place“: Die alte „Großstadtrevier“-Wache ist inzwischen wieder als „Polizeidirektion“ gekennzeichnet. © FUNKE / Foto Services | Jakob Drechsler

Eine Frage, die auch das Team der ARD-Serie selbst brennend interessiert, auf die es bislang aber keine vollständigen Antworten gibt. Der geschäftsführende Verwalter der Immobilie, der in Bahrenfeld neben weiteren Objekten auch die Marzipanfabrik betreut, war zur wesentlichen Zukunftsfrage trotz mehrfacher Anfragen nicht zu sprechen.

Mendelssohnstraße 13: Ab und an Künstler – und sonst nichts?

Ein Mitarbeiter der Vermögensverwaltung ließ immerhin verlauten, dass keine Pläne für neue TV-Produktionen in dem Gebäude bekannt seien. In jüngerer Vergangenheit hätten hier aber sehr wohl auch andere Dreharbeiten stattgefunden. „Einige Räumlichkeiten in dem Haus vermieten wir zeitweise an Künstler“, sagte der Mitarbeiter in einer ersten telefonischen Anfrage.

Fragen nach der Größe des Objekts und der Anzahl der leer stehenden Räume ließ der Verwalter hingegen ebenso unbeantwortet wie die Frage, was mit dem Gebäude geschehen soll. Inzwischen ist die Immobilienfirma überhaupt nicht mehr zu erreichen – weder per E-Mail noch über Telefon, die Internetseite befindet sich seit Monaten im Überarbeitungszustand.

Jan Fedder im März 2015 bei Dreharbeiten in der Bahrenfelder „Großstadtrevier“-Wache. Für die Produktion der Kultserie hatten Studio Hamburg und Letterbox an der Mendelssohnstraße noch weitere Räume angemietet.
Jan Fedder im März 2015 bei Dreharbeiten in der Bahrenfelder „Großstadtrevier“-Wache. Für die Produktion der Kultserie hatten Studio Hamburg und Letterbox an der Mendelssohnstraße noch weitere Räume angemietet. © picture alliance / dpa | Christian Charisius

Alte „Großstadtrevier“-Wache bald unter Denkmalschutz?

Was feststeht: Denkmalgeschützt ist das Backsteingebäude nicht, eine Prüfung auf Denkmalwürdigkeit läuft aber. Einem möglichen Abriss stünde rein rechtlich also (noch) nichts entgegen. Beim Anblick des Nachkriegsbaus erscheint eine Sanierung äußerst aufwendig und nur schwer vorstellbar.

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Aber: Dem Bezirksamt Altona liegt weder ein Abriss- noch ein Bauantrag für das Gebäude vor. Sprecher Mike Schlink: „Aktuell wissen wir nichts über eine mögliche Nutzung des Gebäudes.“ Und auch das Denkmalschutzamt hat keine weiteren Informationen zur Nutzung der ehemaligen „Großstadtrevier“-Wache.

Die gröbsten Schmierereien sind zwischenzeitlich vom Eingangsbereich entfernt worden. So sah der Eingang der ehemaligen „Großstadtrevier“-Wache noch vor einziger Zeit aus.
Die gröbsten Schmierereien sind zwischenzeitlich vom Eingangsbereich entfernt worden. So sah der Eingang der ehemaligen „Großstadtrevier“-Wache noch vor einziger Zeit aus. © FUNKE / Foto Services | Jakob Drechsler

Mendelssohnstraße 13: Das Rätsel um die „Polizeidirektion“

Bleibt die Frage nach dem mysteriösen Tür-Schriftzug „Polizeidirektion“. Die Hamburger Polizei weiß davon nichts – aus gutem Grund. Denn bei genauerer Betrachtung wird klar: Es handelt sich um ein schleswig-holsteinisches Wappen.

Zwar gibt es durchaus auch Fernsehkrimis aus dem Nachbarland, die teilweise in Hamburg gedreht werden, aber auch die Abfragen bei NDR/ARD und ZDF sowie bei von Sendern mit Polizeiserien wie „Notruf Hafenkante“ oder „Solo für Weiß“ beauftragten Produktionsfirmen ergaben keine Treffer für die Mendelssohnstraße 13. Und eine temporäre „Großstadtrevier“-Rückkehr an die Mendelssohnstraße ist nach Abendblatt-Informationen ebenfalls nicht angedacht.

Alles etwas moderner, aber die Backstein-Optik bleibt: Jan Fedder & Co. kurz nach dem Einzug in die neue „Großstadtrevier“-Wache auf dem Gelände von Studio Hamburg in Tonndorf.
Alles etwas moderner, aber die Backstein-Optik bleibt: Jan Fedder & Co. kurz nach dem Einzug in die neue „Großstadtrevier“-Wache auf dem Gelände von Studio Hamburg in Tonndorf. © picture alliance/dpa | Georg Wendt

„Ich konnte mich nicht entscheiden, ob ich noch an meiner alten Wache hänge“, sagte Jan Fedder am Ende der Umzugs-Doku. Für Fans des Hamburger Originals dürfte die Sache klar sein – dennoch bleibt beim Blick auf das Rotklinker-Ensemble wohl weiter nur die nostalgische Erinnerung an knapp 30 Jahre „Großstadtrevier“ in Bahrenfeld – und ein Arrangement mit der ungleich moderneren Wache in Tonndorf.