Hamburg. Familie Timmermann bietet Gartenparzellen zur Miete an und stellt spezielle Erklärvideos zur Verfügung. Warum die Landwirte umsatteln.
Als Familie Timmermann noch den Hofladen auf ihrem Bauernhof in Sülldorf betrieb, bauten sie auf der Ackerfläche am Schlankweg einen Großteil ihres Gemüses an. Den Hofladen mussten sie aus Kostengründen vor Jahren schließen. Doch durch ihr neues Projekt wird auf der Fläche wieder ordentlich geackert – so viel wie vielleicht nie zuvor.
Die Landwirte haben einen großen Teil des Grundstücks an Hobbygärtner abgetreten. Rund 200 Parzellen stehen zur Vermietung bereit. Städter, die über keinen Garten verfügen, aber etwas über den richtigen Anbau lernen wollen oder einfach die Ruhe auf dem abgeschiedenen Acker mitten in der Sülldorfer Feldmark genießen möchten, können sich hier einen vorbereiteten Gemüsegarten für eine Saison sichern.
Hamburg-Sülldorf: Bauern vermieten ihren Acker jetzt an Hobbygärtner aus der Stadt
„Ernst hat schon seinen Tomatenschutz gebaut“, stellt Agnes Timmermann mit Blick auf den Acker und einen der Mietgärten fest. Erst seit einigen Tagen ist die Fläche für die Hobbygärtner freigegeben. Und doch sind schon kleine Unterschiede zu erkennen.
Mancher hat seine Parzelle mit Blumen oder Steinen verziert, was auch das Wiederfinden auf der großen Fläche erleichtert. Andere haben zwischen die bereits bestückten Reihen eigene vorgezogene Pflanzen gesetzt. Oder sie haben Netze über die Setzlinge zum Schutz gezogen. In manchen Gärten finden sich auch Gläser mit Briefen.
„Die Flaschenpost“, wie Agnes Timmermann erklärt, gehört zum Austausch der Nachbarn untereinander. Aus Datenschutzgründen darf die Landwirtin keine Kontakte weitergeben. Daher bedient man sich dieser Methode, um sich zu fragen, ob der Nachbar, vielleicht gegen Kartoffeln, den Garten mal mitgießt oder man sich gegenseitig im Urlaub vertritt.
Garten in Sülldorf: Alles ist erlaubt, außer der Anbau von Cannabis
„Eigentlich sind das Schrebergärten ohne Hecken und Vorschriften. Jeder kann in den freien Bereichen pflanzen, was er will“, erklärt Timmermann. „Außer psychedelische Pflanzen natürlich, also Cannabis.“ Das sei nicht erlaubt und stehe so auch im Saison-Vertrag, den jeder Gärtner unterschreibt.
In den vergangenen Wochen wurde der Boden von den Landwirten vorbereitet, die Furchen gezogen und die Jungpflanzen gesetzt. Ab diesem Wochenende übernehmen nun die Hobbybauern den Acker. Es gibt noch etwa 30 freie Parzellen.
Ein kleiner Gemüsegarten mit etwa 22 Quadratmetern – empfohlen für ein bis zwei Personen – kostet 185 Euro für die Saison von Mai bis November. Der große Garten ist etwa doppelt so groß und kostet 295 Euro. Dafür gibt es einen vorbereiteten Gemüsegarten – gedüngt und bepflanzt mit etwa 25 Gemüse-, Kartoffel- und Kräutersorten. Und das in zertifizierter Bioland-Qualität, wie die Biobauern versprechen.
Hamburger Bauern in der Feldmark müssen Kreativität beweisen
Timmermanns Gärten nennen die Bauern ihr neues Projekt, das ihre wirtschaftliche Zukunft mit absichern soll. Denn wegen ihres vergleichsweise kleinen landwirtschaftlichen Betriebes mit Sitz kurz hinter der S-Bahn-Schranke in der Feldmark muss die Familie Kreativität beweisen. In neunter Generation führen Agnes und Heinz Wilhelm Timmermann den Hof und setzen dabei auf verschiedene Standbeine.
So betreiben sie einen kleinen Pensionsstall für Pferde. Dort, wo einst der Hofladen war, ist nun eine Tierarztpraxis eingezogen. Agnes Timmermann arbeitet noch in Teilzeit für einen sozialen Träger. Und bis vor Kurzem haben die Landwirte als weiteres Standbein Bio-Kürbisse angebaut und an den Handel verkauft. Doch wegen des erhöhten Preisdrucks und einem Erreger im Boden gaben die Timmermanns den Anbau jetzt auf.
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Bauern aus Hamburg-Sülldorf: „Türklinken vergolden kann man damit nicht“
Nun stecken sie ihre Kraft ins neue Projekt. Nach einer Pilotphase im vergangenen Jahr geht es 2024 in die erste normale Saison. „Die Türklinken kann man damit nicht vergolden“, sagt Agnes Timmermann auf die Frage, ob sich die Mietgärten denn rechnen würden. Es gebe allerdings noch eine zweite Währung: „Dankbarkeit und gute Laune.“
Ausgesprochen gut gelaunt bei der Ackerarbeit dabei sind an diesem Morgen Karin Hense und Neuling Christine Thamm. Sie teilen sich ein Beet. Hense gehört zu den etwa 50 Prozent der Gärtner aus dem Pilotjahr, die diesmal wieder dabei sind. „Ich wollte es eigentlich nur ausprobieren und bin geblieben“, erklärt die Schulsekretärin aus Iserbrook. „Der Boden hier ist perfekt.“
Bei der Premiere brauchte sie kein Gemüse zuzukaufen. Es war eher manchmal schwer, alles zu verarbeiten. Dadurch wurde aber ein leckeres Rezept für Mangold aufgetan, und sie habe sehr viel gelernt, obwohl sie sogar einen Kleingarten besitzt.
YouTube-Videos mit Erklärungen sollen Hobby-Landwirten helfen
Im Hamburger Westen sind die Timmermanns Gärten das erste Ackerprojekt dieser Art. In Hamburg und dem Umland finden sich allerdings schon einige dieser Gemüsemietgärten, wie beispielsweise Erntezeit in Appen oder Fischbek, die Ackerhelden in Tangstedt oder im Spadenland nahe der Norderelbe.
„Was uns von anderen Gartenprojekten unterscheidet, ist, dass wir es sehr niederschwellig machen“, sagt die Landwirtin Timmermann. Damit auch jeder seinen Mini-Acker hinbekommt, erklären die Profis, wie es geht. Geben Tipps und Tricks und ihr jahrzehntelanges Wissen weiter. Dafür haben sie extra Erklärvideos aufgenommen, die sie als Rund-E-Mail verschicken. Wie geht richtiges Gießen, wie setzt man den Porree ein, worauf sollte man beim Unkrautjäten achten: Acht YouTube-Videos gibt es bislang – und weitere Episoden sollen folgen.