Mit besserer Ausrüstung hätte die Feuerwehr das Giftgas-Drama vergangene Woche im Harburger Phoenix-Viertel verhindern können. Ein Betroffener hält sie deshalb am Tod dreier Menschen für mitverantwortlich
Harburg. Sein Bekannter, Richard R., 67, liegt seit einer Woche im Krankenhaus auf der Intensivstation. Der 54 Jahre alte Harburger Diplom-Psychologe Thomas Jahnke war am Dienstag vergangener Woche selbst in dem Haus Beckerberg 9, als Rettungskräfte, Feuerwehr und Polizei zum Großeinsatz in die Straße ins Phoenix-Viertel gerast waren, um überlebende Menschen aus dem mit tödlichem Kohlenmonoxid-Gas (CO) belasteten Wohnhaus zu bergen. Jahnke konnte das Krankenhaus nach 16 Stunden reiner Sauerstoffzufuhr wieder verlassen. Sein Bekannter ist hingegen gesundheitlich noch immer nicht überm Berg, und Jahnke erhebt schwere Vorwürfe gegen die seiner Meinung nach unzureichend ausgerüstete Hamburger Berufsfeuerwehr aber auch die Einstellung der Hamburger Landespolitik. Besser ausgerüstet, so Jahnke, hätte die Katastrophe von der Hamburger Feuerwehr verhindert werden können. Er fordert eine sofortige Ausrüstung mit CO-Warngeräten.
In zwei Erdgeschosswohnungen des Hauses waren drei Männer im Alter von 32, 56 und 72 Jahren ums Leben gekommen. 15 weitere Hausbewohner, darunter ein ein Jahr altes Kind, waren in zum Teil lebensbedrohlichen Zustand in Krankenhäuser eingeliefert worden. In der Zwischenzeit ist ein Defekt an der im Keller des Hauses installierten Gaszentralheizung als Ursache des Kohlenmonoxid-Dramas ausgemacht worden. Jahnke kann es kaum fassen, dass bei einer derartigen Katastrophe der Hamburger Bürgermeister nicht selbst ins Phoenix-Viertel gekommen ist, um sich ein Bild von der Lage zu machen. Es wäre seiner Ansicht nach auch von höchster Dringlichkeit, dass von politischer Seite aus alles unternommen wird, um umgehend für Einsatzkräfte die entsprechende Ausrüstung vorzuschreiben. „Für mich ist Hamburg in diesem Fall nicht besser als ein Provinznest in der Dritten Welt“, sagt er.
Bevor die Toten am Dienstag vergangener Woche gegen 13 Uhr in den Erdgeschosswohnungen entdeckt worden waren, hatten Rettungssanitäter der Feuerwehr während der Nachtstunden im Haus Beckerberg 9 bereits drei Einsätze wegen eines Beinbruchs, akuten Herzrasens und Übelkeit. „Drei Einsätze in so kurzer Zeit in einem Haus. Da hätte doch jemand schon beim zweiten Einsatz stutzig werden müssen“, wundert sich Jahnke, „hätten die Sanitäter CO-Warngeräte dabei gehabt, würden die Hausbewohner noch leben und es wären nicht so viele Menschen verletzt worden.“
Der Diplom-Psychologe war gegen 11 Uhr in den ersten Stock des Hauses gekommen und hatte mit eigenem Schlüssel die Wohnungstür des Bekannten aufgeschlossen, weil er an dessen Computer bereits seit einiger Zeit an einem Buch schreibt. „Richard lag im Bett und schlief“, sagt Jahnke, ich wollte ihn nicht stören. Dann machte ich mich an die Arbeit und war gegen 13 Uhr von Klopfgeräuschen an der Tür unterbrochen worden. Ein Feuerwehrmann mit Gasmaske vorm Gesicht sagte, ich solle sofort das Haus verlassen. Richard reagierte kaum noch und wurde anschließend mit einer Trage nach draußen und danach ins Krankenhaus gebracht.
Thorsten Grams, Pressesprecher der Hamburger Berufsfeuerwehr, weist auf eine noch nicht abgeschlossene Studie der Arbeitsgemeinschaft der Leiter Deutscher Berufsfeuerwehren (AGBF) hin. Grams: „Die Studie befasst sich mit der Frage, ob die Anschaffung von CO-Warngeräten Sinn macht für unserer Einsätze. In unserer Hamburger Akademie laufen dazu noch Tests. Vergangenes Jahr sind bundesweit 380 Menschen durch Kohlenmonoxyd-Vergiftung ums Leben gekommen. Die Höhe der Anschaffungskosten für CO-Warngeräte ist noch nicht ermittelt.“ Jahnke: „Für mich hat die Feuerwehr hochgradig versagt und den Tod der drei Menschen entscheidend mit zu verantworten.“