Hamburg. Hamburger Start-up vermittelt spezielle WGs, die viele Vorteile haben. In solch einer lebt auch Christina Vogt. Ihre Erfahrungen.
Für Alleinerziehende bleibt oft wenig Zeit für die schönen Dinge im Leben. Den Alltag mit Kindern bewältigen, arbeiten gehen, einkaufen und den Haushalt schmeißen – all das wird alleine zur Herausforderung. Ein Problem, von dem viele Menschen in Hamburg betroffen sind. 2021 wurde jeder vierte Haushalt mit Kindern in der Stadt von Alleinerziehenden geführt.
Schwierigkeiten, vor denen auch Christina Vogt stand, als sie sich vor einigen Jahren vom Vater ihres Sohnes trennte. Für die Lehrerin kam damals ein weiteres Problem hinzu: auf die Schnelle eine bezahlbare Wohnung in Hamburg zu finden.
WG Hamburg: Start-up vermittelt Wohngemeinschaften für Alleinerziehende
Im Gespräch mit ihrer Freundin Nanette Sommer reifte die Idee für Wohngemeinschaften von Alleinerziehenden: Warum sollten sich nur Menschen in Partnerschaften, die Aufgaben und eine Wohnung teilen? Warum nicht jemanden in der gleichen Situation suchen und eine Alleinerziehenden-WG gründen? Bis Christina „Tine“ Vogt selbst in einer solchen WG leben würde, sollte noch einige Zeit vergehen. Aber die Idee für die Plattform Lemulike war geboren.
2020 gründeten die Frauen die Online-Wohnungsbörse. Als drittes Gründungsmitglied holten sie Tommy Ahrens ins Boot, der als IT-Experte für die Website und die Datenbank zuständig ist. „Lemulike richtet sich speziell an die Bedürfnisse von Alleinerziehenden mit Kindern“, sagt Vogt. Für die seien bei der Wohnungssuche andere Dinge wichtig als beispielsweise für Studierende.
WGs in Hamburg für Alleinerziehende – Wohnungsbörse mit spezieller Suchabfrage
Die Plattform Lemulike funktioniert wie eine normale Wohnungsbörse, richtet sich aber explizit an Alleinerziehende. So kann etwa die Anzahl der benötigten Zimmer schon bei der Suchabfrage angegeben werden, ebenso wie die Anzahl und das Alter der Kinder.
Außerdem können Details und Sonderwünsche angegeben werden – beispielsweise wenn Haustiere einziehen sollen, nur männliche oder weibliche Mitbewohner gesucht werden oder jemand einen ganz besonderen Sinn für Ordnung hat. Es gibt Wohnungsangebote, Gesuche und auch die Möglichkeit, zusammen nach einer Wohnung zu suchen.
Registrierung bei Plattform Lemulike ist für alle Nutzer kostenlos
Wer ein neues Zuhause sucht, kann dies ganz ohne Anmeldung tun. Erst für die Kontaktaufnahme zu potenziellen WG-Partnern wird eine Registrierung notwendig. Auch wer inserieren möchte, muss sich registrieren. Die Registrierung ist aber für alle Nutzerinnen und Nutzer kostenlos.
Geht es nach Tine Vogt, soll das auch so bleiben. Lemulike soll sich durch Werbung und Sponsoren finanzieren. Mittlerweile gibt es Angebote und Gesuche aus ganz Deutschland, vor allem aus Großstädten, aber auch aus ländlicheren Gebieten. Anmelden können sich auch Menschen, die keine Kinder haben, etwa Studenten oder Senioren, die freie Zimmer haben. Den Kontakt können die Interessenten direkt über die Plattform herstellen.
Alleinerziehende leben in Mama-WG in Othmarschen
Dass ihre Idee funktioniert, erfährt Tine Vogt mittlerweile jeden Tag. Denn die 43-Jährige und ihr neunjähriger Sohn leben seit Juli 2023 selbst in einer Alleinerziehenden-WG – in einem Reihenhaus in Hamburg-Othmarschen. Ihre Mitbewohner sind Sarah Grochulski und ihr Sohn. Die beiden Jungen sind im selben Alter, gehen auf dieselbe Schule.
Die beiden Frauen sitzen im Erdgeschoss, in dem sich das Wohnzimmer und die Küche befinden – der Gemeinschaftsbereich der WG. Jede Familie hat ein eigenes Stockwerk in dem Reihenhaus, Grochulski und Kind bewohnen den ersten Stock, Vogt und ihr Sohn haben im zweiten Stock ihren privaten Bereich.
Zwei Frauen und zwei Kinder leben in Hamburger Alleinerziehenden-WG
Ständige Absprachen bilden die Grundlage für das Zusammenleben in der Mama-WG. „Wir haben viele Dinge besprochen, bevor Sarah eingezogen ist. Was ist dir wichtig? Worauf hast du keine Lust? In einer Partnerschaft macht man das eher nicht“, erzählt Tine Vogt. Viele feste Regeln gebe es aber nicht. Zwanglos soll es sein, ein lockeres Zusammenleben.
„Wir sind eben keine Patchwork-Familie, sondern Mitbewohnerinnen“, sagt Vogt. Es gebe keine Verpflichtungen, Dinge zusammenzumachen. „Jeder kann für sich zu Abend essen, wir kaufen getrennt ein, jede wäscht ihre Wäsche selbst“, so die 43-Jährige. Jede Familie hat einen eigenen Tagesablauf. Die Frauen sind gemeinsam alleinerziehend.
Alleinerziehende leben in Mama-WG: Kinder und Mütter profitieren
Jede der Mitbewohnerinnen habe ihren eigenen Erziehungsauftrag. So gibt es für die beiden Jungs unterschiedliche Vorgaben, etwa was Fernseh- und Computerzeiten angeht. „Die Kinder können dabei einiges lernen, zum Beispiel Grenzen zu setzen. Aber sie lernen auch, zu verstehen: Nur weil jemand etwas darf, heißt es nicht, dass das auch für mich gilt“, sagt Vogt.
„Wir leben ein wenig nebeneinander her, aber auf eine gute Weise“, erklärt Sarah Grochulski. Diese Konstellation mache vieles einfacher. „Man kann Dinge offen ansprechen, weil es auf organisatorischer Ebene stattfindet. Das löst viele Probleme.“
Gegenseite Unterstützung in Mama-WG schafft Freiheiten für die Frauen
Für die beiden Frauen ist das Zusammenleben eine große Erleichterung im Alltag. „Ich habe die Möglichkeit, mal wieder allein etwas zu unternehmen, auf Dienstreise zu gehen und weiß, dass sich jemand um meinen Sohn kümmert“, sagt Grochulski.
Dafür passt sie beispielsweise auf WG-Hündin Mala auf, damit Tine Vogt abends zum Handballtraining gehen kann. „Es ist beruhigend zu wissen, dass eine Erwachsene im Haus ist, wenn ich weg bin“, sagt Vogt.
WG-Börse für Alleinerziehende brachte die beiden Familien zusammen
Auch in der zwischenmenschlichen Interaktion sehen die beiden Mitbewohnerinnen einen großen Vorteil. „Wir können zusammen sitzen, uns über unseren Tag austauschen, gemeinsam ärgern oder freuen. Es ist schön, wenn eine andere erwachsene Person im Haushalt ist, mit der man sprechen kann“, sagt Vogt.
Gefunden haben sich die beiden über die Plattform Lemulike. „Eine Freundin hatte mir von der Plattform erzählt“, sagt Sarah Grochulski. Das junge Unternehmen suchte damals Alleinerziehende, die bereit waren, sich bei ihrer Wohnungssuche filmen zu lassen. Sarah Grochulski meldete sich, so kamen die beiden Frauen in Kontakt.
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WG Hamburg: Experiment für die beiden Alleinerziehenden gelungen
„Wir haben uns gleich sehr gut verstanden“, sagt Tine Vogt. Schnell stand fest, dass die beiden eine WG gründen würden. Das Reihenhaus mit den drei Stockwerken und dem kleinen Garten sei ein echter Glücksgriff gewesen, so Vogt. So hätten alle ihren Rückzugsraum. Jede Familie hat ihr eigenes Bad – ein wichtiges Kriterium für Sarah Grochulski. „Sonst wäre ich wohl nicht eingezogen.“
Anfangs habe sie Zweifel gehabt, erklärt Grochulski. „Ich hatte noch gar keine WG-Erfahrung, für mich war diese Konstellation völlig neu.“ Bereut habe sie es nicht. „Wir haben es als ein Experiment gesehen, ohne Druck und Erwartungshaltung. Wenn es nicht funktioniert hätte, wären wir eben wieder ausgezogen“, sagt die 46-Jährige.
Alleinerziehende in der Mama-WG: Mehr Zeit für die schönen Dinge im Leben
Das Experiment ist offenbar gelungen. „Man hat mehr Zeit, ist weniger abgehetzt und es ist auch finanziell eine große Erleichterung“, sagt Tine Vogt. Die Geheimnisse des Erfolgs der Mama-WG: „Respekt, Rücksichtnahme und offene Kommunikation“, sagt Vogt.
Die gegenseitige Unterstützung, auch in den kleinen Dingen im Alltag – sie ist einer der großen Vorteile, den die beiden Frauen im Zusammenleben sehen. „Zu meinem Geburtstag hat Tine mir einen Kuchen gebacken“, sagt Sarah Grochulski. „Ich habe seit Jahren keinen Geburtstagskuchen mehr bekommen. Da hatte ich Tränen in den Augen.“ In der Alleinerziehenden-WG ist eben mehr Zeit für die schönen Dinge im Leben.