Hamburg. Wie eine zweite Waitzstraße: Auch an der Dockenhudener Straße krachen Autos in Läden. Was Geschäftsleute und Politik fordern.
Eine bröckelnde Fassade, leere Schaufenster und Risse vom Keller bis in den ersten Stock: Für die Hamburger Goldschmiedin Petra Gutschow sind es außergewöhnliche Umstände, seit Anfang Februar ein SUV in ihren Laden krachte. Die historische Hauswand ihres Geschäfts hat sich um mehrere Zentimeter verschoben, sogar im angrenzenden Laden gibt es Bodenwellen. Gutschow kann zwar noch eingeschränkt arbeiten, die langfristige Zukunft ihrer Goldschmiede in Blankenese ist jedoch ungewiss.
Doch Gutschow ist nicht die einzige Unternehmerin auf der Ecke, die mit Unfallfolgen zu kämpfen hat. In den vergangenen Jahren kam es auf der Kreuzung in Blankenese immer wieder zu Unfällen. Wo die viel befahrene Dockenhudener Straße auf die Elbchaussee und kurz darauf auf die Hasenhöhe trifft, macht sie eine S-Kurve – und scheint für nicht wenige Autofahrer eine Herausforderung darzustellen.
Blankenese: Unfälle in Dockenhudener Straße erinnern an Waitzstraße in Groß Flottbek
„Hier muss in irgendeiner Form etwas passieren“, sagt die Goldschmiedin. Mehrere ansässige Geschäfte seien in der Vergangenheit schon durch Autos ramponiert worden. So beispielsweise das Hotel Behrmann, das Restaurant Rio Grande genau gegenüber und auch die Metzgerei Meinert auf der Ecke zur Elbchaussee.
Fast kommt es einem so vor, als sei die Dockenhudener Straße eine zweite Waitzstraße. In der bekannten Einkaufsstraße in Groß Flottbek kommt es immer wieder zu Unfällen, bei denen Autofahrer mit ihren Fahrzeugen in dortige Geschäfte krachen. Zuletzt verlor hier im Juni vergangenen Jahres eine 77-Jährige die Kontrolle über ihr Auto.
Polizei Hamburg: Anzahl der Unfälle nicht unverhältnismäßig hoch
Laut Polizei Hamburg sei die Anzahl der Unfälle in der Dockenhudener Straße allerdings nicht unverhältnismäßig hoch. Im Zeitraum von 2021 bis 2023 seien hier fünf Unfälle registriert worden – einer davon mit leichtem Personenschaden. „Die Straße ist also keine Unfallhäufungsstelle“, erklärt Polizeisprecher Patrick Schlüse.
Die Polizei habe jedoch auch ohne die offizielle Feststellung einer Unfallhäufungsstelle die Möglichkeit, zu handeln: „Im Moment sind in der Kurve 50 Kilometer pro Stunde zugelassen“, sagt Benjamin Harders, Grünen-Bezirkspolitiker und Mitglied im Verkehrsausschuss. Je nach Risikoeinschätzung müsse für eine Verkehrsberuhigung nicht die Definition einer Unfallhäufungsstelle erreicht werden.
Grüne in Altona wollen Einführung einer Tempo-30-Zone prüfen lassen
Gemäß der „Nullvision“ der Grünen in Altona, also dem Ziel von keinen Verletzten und Toten im Straßenverkehr, seien auch die Unfälle in der scharfen Kurve an der Dockenhudener Straße jetzt ein Thema. Die Leitlinie der Strategie: „Jeder Unfall ist einer zu viel.“
Ein möglicher Umbau der S-Kurve zu einer begradigten Kreuzung sei jedoch nicht realistisch. Stattdessen könne die Einführung einer Tempo-30-Zone geprüft werden. „Wir werden im nächsten Verkehrsausschuss bei der Straßenverkehrsbehörde anfragen“, sagt Harders.
Unfall in Blankenese: Gartenzaun von Metzger nicht zum ersten Mal demoliert
Fleischermeister Otto Meinert, dessen Familie schon seit mehr als 100 Jahren eine Metzgerei in dem denkmalgeschützten Eckhaus betreibt, sieht die Sache gelassen. Viele wollten aus der Kreuzung nun „eine Außenstelle der Waitzstraße machen“, so Meinert.
Er selbst könne sich jedoch nur an eine Handvoll Unfälle erinnern, seit er den Betrieb vor mehreren Jahrzehnten übernommen habe. Dabei ist erst vor wenigen Wochen auch bei ihm ein Carsharing-Fahrzeug in den Gartenzaun gefahren. Und das nicht zum ersten Mal.
Dockenhudener Straße: Blankeneser Metzger ist dagegen, die Fahrbahn zu begradigen
Für eine Neustrukturierung der Verkehrsführung spricht er sich trotzdem nicht aus. Vor vielen Jahren habe es bereits einmal den Versuch gegeben, den Knotenpunkt zu einer begradigten Kreuzung auszubauen. Umgesetzt wurde dieses Vorhaben laut Meinert jedoch nie.
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Das sei auch gut so. Schließlich müsste die Metzgerei aufgrund ihrer Lage bei einer Neustrukturierung der Kreuzung vermutlich weichen. Darüber hinaus sei das Haus auch denkmalgeschützt.
Nach Unfall mit SUV: Goldschmiedin kann noch arbeiten – mit Einschränkungen
Das Haus, in dem Petra Gutschow seit mehr als fünf Jahren ihre Goldschmiede betreibt, ist nicht denkmalgeschützt. Dennoch sei es sehr alt, die anstehenden Bauarbeiten seien entsprechend kompliziert und umfangreicher als zunächst angenommen. Gutachter und Handwerker hätten die Bauzeit auf ein halbes Jahr geschätzt, da auch der ganze Boden für die Reparaturarbeiten entfernt werden müsse.
Ihre schlimmsten Befürchtungen haben sich nach der Unfallnacht vom 10. Februar aber nicht bewahrheitet. Die Fensterscheibe ist – wenn auch mit einer großen Beule – noch in einem Stück, und ein Statiker hat das historische Gebäude für nicht einsturzgefährdet befunden. Die Feuerwehr hatte bereits in der Unfallnacht einen provisorischen Stützpfeiler angebracht.
Hamburg-Blankenese: Kunden der Goldschmiedin zeigen großes Verständnis
Ihre Arbeit kann Gutschow noch ausführen – wenn auch eingeschränkt. Ihre Rohstoffe lagert sie nicht mehr vor Ort, das sei zu gefährlich. Stattdessen arbeite sie mehr nach Termin, sagt Gutschow.
Laufkundschaft zu bedienen und zu beraten, sei unter diesen Umständen aber kaum möglich. Ihre Kundinnen und Kunden zeigten jedoch Verständnis für die Verzögerung ihrer Aufträge: „Es gab und gibt von meinen Kunden eine sehr große Anteilnahme“, sagt Gutschow.