Hamburg. Neun Häuser für 192 Personen: Komplette Unterkunft vom Björnsonweg abzugeben. Warum Hamburg sie nicht braucht und was sie kostet.
So ungewöhnlich wie ihre Entstehung ist nun auch das Ende der Flüchtlingsunterkunft am Björnsonweg in Blankenese. Seit Kurzem steht der ganze Wohnpark zum Verkauf. Alle Gebäude samt Küchen, Duschen und Beleuchtung, die 192 Personen Platz bieten, werden zusammen für 1,71 Millionen Euro angeboten. Anlieferung und Aufbau ist möglich, kostet aber extra.
Mitten in einer Zeit, in der in Hamburg doch so dringend Wohnraum für Geflüchtete gebraucht wird, trennt man sich nicht nur von dem etablierten Standort, sondern eben auch von den Gebäuden. Wie es kommt, dass eine komplette Unterkunft in Hamburg zum Verkauf steht?
Blankenese: Die Flüchtlingsunterkunft am Björnsonweg war umstritten
Dafür muss man zurück zum ungewöhnlichem Anfang. Der Bau der Flüchtlingsunterkunft in Blankenese schlug damals hohe Wellen, weit über die Stadtgrenzen hinaus. Anwohner wehrten sich gegen den geplanten Bau, unter anderem wurde auch das Fällen von Bäumen verhindert. Aktivisten riefen deshalb zum „Kettensägenmassaker“ auf, zahlreiche Demonstranten zogen durch Blankenese.
Nach juristischem Tauziehen entstand die Unterkunft dann ab 2017 auf dem städtischen Grundstück am Björnsonweg. Dem war eine Einigung mit den klagenden Anwohnern vor Gericht vorausgegangen. Demnach musste die Unterkunft ab April 2023 wieder abgebaut werden. Also ausgerechnet zu einer Zeit, in der in Hamburg wieder dringend Plätze zur Unterbringung von Flüchtlingen gebraucht werden.
Flüchtlinge Hamburg: Deshalb steht das Blankeneser Asylheim jetzt zum Verkauf
„Wir haben den Abbau der Unterkunft am Björnsonweg in einem Auftrag an ein Unternehmen vergeben“, erklärt Sprecherin Susanne Schwendtke von Fördern & Wohnen auf Abendblatt-Anfrage. Das städtische Unternehmen war mit dem Bau und dem Betrieb der Blankeneser Unterkunft beauftragt worden. Da die Häuser noch in einem guten Zustand seien, habe man in dem Vertrag eine so nachhaltige Lösung wie möglich vereinbart. „Was mit den Häusern nun geschieht, darauf haben wir keinen Einfluss“, so Schwendtke.
Warum die Gebäude nicht an anderen Stelle in Hamburg genutzt werden? „Wir verwenden Häuser auch wieder, aber in diesem Fall war es nicht wirtschaftlich“, erklärt die Sprecherin. Es handele sich bei den Gebäuden um Häuser mit Fundament, die einem sehr guten Standard entsprechen. Dafür benötige es aber auch ein geeignetes Grundstück in Hamburg, das es derzeit nicht gebe. Anders hätte es sich bei Gebäuden in Modulbauweise verhalten.
Warum man die nicht verwendete, wenn die Nutzung doch absehbar war, erklärt Schwendtke damit, dass man, wenn möglich, mit hohem Standard baue. Ob die Stadt beziehungsweise Fördern & Wohnen nun draufzahlt oder Geld für den Abbau erhalte, dazu wollte sich die Sprecherin nicht äußern. Nur so viel: Es habe eine Ausschreibung für den Abbau gegeben und das beste Angebot den Zuschlag erhalten. „Wir haben alle Möglichkeiten geprüft und die wirtschaftlichste gewählt“, so Schwendtke.
Flüchtlingsheim für 1,7 Millionen im Angebot – Städte und Gemeinden sind zurückhaltend
Was man in Hamburg derzeit offenbar nicht braucht, kann nun also erworben und überall hingestellt werden. „Wir bringen es hin und bauen es auf“, sagt Til Maximilian Teuber. Er ist Chef der Adelshof Beteiligungs GmbH mit Sitz in Bremen, die die Häuser vom Abbauunternehmen übernommen hat und nun zum Kauf anbietet. Insgesamt umfasst die fertige Wohnanlage neun Häuser (ein Verwaltungsgebäude und acht Wohnhäuser) mit laut Exposé modernster Warmwasseraufbereitung und Heizungsversorgung in allen Gebäuden sowie LED-Beleuchtung.
Außerdem sind die Wohnungen mit Gemeinschaftsraum und Küche, WCs und Dusche ausgestattet. Der Preis von 1,71 Millionen Euro sei verhandelbar, so Teuber. Der Transport käme mit 15.000 Euro extra hinzu. Noch können Interessenten einige Häuser direkt in Blankenese begutachten, bis 31. Dezember muss das Gelände allerdings geräumt sein. Anschließend soll auf dem Gelände sozial geförderter Wohnungsbau entstehen.
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Neben dem kompletten Wohnpark aus Blankenese hat Teuber auch noch 200 Container im Angebot. Sie stammen aus Dubai von der WM und könnten ebenfalls für Wohnzwecke genutzt werden. „Wir haben Winter, und Menschen leben in Turnhallen und Zelten, trotzdem reagieren Städte und Gemeinden gar nicht auf mein Angebot“, berichtet Teuber von seinen bisherigen schlechten Erfahrungen. „Das kann eigentlich alles gar nicht wahr sein.“
Blankenese: Flüchtlingsbeauftragte sprachlos und sauer über Verkauf der Unterkunft
Wer noch denkt, dass das alles eigentlich gar nicht wahr sein kann, ist Helga Rodenbeck. Die Flüchtlingsbeauftragte der Evangelischen Kirchengemeinde Blankenese erfährt erst durch die Abendblatt-Anfrage vom Verkauf der Unterkunft.
„Ich bin sprachlos, dass das so abläuft“, sagt Rodenbeck, die sich mit vielen Mitstreitern immer für den Standort starkgemacht hat. Die Flüchtlingsbeauftragte ist sauer. „Es ist unverständlich und bitter, dass ausgerechnet die Häuser vom Björnsonweg nun nicht mal eine andere Verwendung in Hamburg finden.“