Hamburg. Verteidigungsminister lobt beim Antrittsbesuch die Arbeit der Führungsakademie. Er fordert einen „Mentalitätswechsel“.

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) hat bei seinem Antrittsbesuch in der Führungsakademie der Bundeswehr in Hamburg-Nienstedten die Bedeutung der Streitkräfte angesichts zunehmender globaler Konflikte betont. Die regelbasierte internationale Ordnung werde weltweit zunehmend infrage gestellt und bedroht, sagte er am Freitag vor rund 300 Offizieren an der höchsten Ausbildungsstätte der deutschen Streitkräfte. „Krisenhafte Entwicklungen erfolgen in engerer Taktung und oft nicht vorhersehbar, Schlag auf Schlag … Ich bin jetzt seit neun Monaten im Amt, und es kommt mir vor wie neun Jahre.“

Die Bundesregierung werde im Bündnis mit den internationalen Partnern für Demokratie und Freiheit einstehen. „Wir müssen international Führung übernehmen – nicht als Führungsmacht, sondern als Führungspartner.“ Mehr denn je „bilden unsere Bündnisse den Rahmen für unser Handeln“, sagte Pistorius und warnte: „Parteien, die jetzt fordern, die EU müsse sterben und Deutschland müsse die Nato verlassen – egal ob von ganz links oder ganz rechts –, gefährden die Sicherheit Deutschlands.“

Pistorius lobt Ausbildung der Bundeswehr-Akademie in Hamburg

Die Arbeit der Führungsakademie lasse ihn „außerordentlich zuversichtlich in die Zukunft schauen“, sagte er. „Weil hier exzellentes Führungspersonal der Streitkräfte ausgebildet wird – werteorientiert, militärisch gut ausgebildet, mit allen Kompetenzen, die es braucht.“

Boris Pistorius sprach am Freitag vor etwa 300 Bundeswehr-Offizieren an der Führungsakademie in Hamburg.
Boris Pistorius sprach am Freitag vor etwa 300 Bundeswehr-Offizieren an der Führungsakademie in Hamburg. © DPA Images | Marcus Brandt

Das nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine von der Bundesregierung geschaffene Sondervermögen von 100 Milliarden Euro schaffe die Grundlage für nötige Verbesserungen bei der Ausrüstung der Truppe. Im kommenden Jahr werde damit auch das Ziel der Nato erreicht, das Verteidigungsaufwendungen in Höhe von zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts vorsieht. „Die Herausforderung beginnt in den Jahren 27/28. Da wird das Sondervermögen verbraucht sein“, sagte Pistorius.

Pistorius in Hamburg: Deutsche reden Bundeswehr schlecht

Schon Ende dieses Jahres werden demnach etwa 66 Prozent der 100 Milliarden Euro vertraglich gebunden sein. Die weitere Erfüllung des Zwei-Prozent-Ziels sei nach Verbrauch des Sondervermögens eine haushaltspolitische Herausforderung. „Zwei Prozent bedeutet dann summa summarum 20 Prozent mehr als heute.“

Unabhängig davon müsse die vom Bundeskanzler ausgerufene Zeitenwende auch in den Köpfen der Menschen geschehen, sagte Pistorius. „Es gibt kein Land auf der Welt, in dem so schlecht über die eigenen Streitkräfte geredet wird wie in Deutschland.“ Franzosen und Briten kämen nie auf die Idee, so über ihre Streitkräfte zu sprechen. „Und die sind auch nicht besser“, sagte der Minister.

Pistorius: Deutsche müssen sich an militärische Bedrohung gewöhnen

Nach Ende des Kalten Krieges und Auflösung des Warschauer Pakts seien seit den 1990er-Jahren in Deutschland Generationen herangewachsen, die keine Vorstellung von einer militärischen Bedrohung hätten haben müssen. Daran müsse man sich jetzt erst gewöhnen. „Das ist ein echter Mentalitätswechsel.“

Auf Nahost angesprochen, stellte Pistorius sich hinter die von der EU geforderten Feuerpausen zur Versorgung der Zivilbevölkerung in Gaza. „Gerade auch für unsere israelischen Freunde ist völlig klar: Das Leiden der Zivilbevölkerung in Gaza darf nicht überhandnehmen“, sagte er. „Wir müssen dafür Sorge tragen gemeinsam, dass die humanitären Grundsätze gewahrt bleiben – bei uneingeschränktem Selbstverteidigungsrecht der Israelis.“

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Es sei die Hamas, „die Zivilisten und zivile Einrichtungen als Schutzschilde nutzt, sich dahinter versteckt und damit militärisches Agieren auch deutlich erschwert“, sagte Pistorius. „Gleichzeitig muss es darum gehen, dass die Energieversorgung, Nahrungsmittel- und Wasserversorgung gewährleistet bleiben.“ Dazu diene der von den EU-Staats- und Regierungschefs getroffene Beschluss. „Und ich bin sicher, dass es dazu eine Lösung geben wird.“

Die Bundesregierung versuche alles, um eine Ausweitung des Konflikts und einen Flächenbrand in der Region zu vermeiden. Dennoch sei man auch auf den Fall, dass es wegen einer weiteren Eskalation nötig werden könnte, deutsche Staatsbürger aus der Region herauszubringen, vorbereitet. „Dazu haben wir alle Vorbereitungen getroffen“, sagte der Minister.