Hamburg/Berlin. Drei Schulfreunde aus der Hansestadt bieten Cabins in der Natur an. Gerade ist ein neues Dorf entstanden. Was Besucher erwartet.

Mitten im Grünen, fernab der Großstadt, in touristisch noch nicht erschlossenen Gegenden liegen die insgesamt 48 Tiny Houses von drei Hamburger Freunden, die mit ihrem Start-up „Raus“ Naturerlebnisse in ganz Deutschland ermöglichen. Acht davon sind gerade an einem See zwischen Hamburg und Berlin entstanden – das Abendblatt hat eines getestet und dort einen Tag und eine Nacht verbracht.

Faszination Tiny House: Manche möchten sich gleich eines kaufen und für immer darin wohnen, anderen reicht ein Kurzaufenthalt. Die Tiny Houses heißen hier am See in Brandenburg „Cabins“ – so wie die kleinen Hütten in der Wildnis Nordamerikas. Und mit ein wenig Fantasie fühlt sich das hier am Rudower See in Lenzen in der Prignitz auch so an: Wald, hügelige Wiesen, der See – und sonst nicht viel. Verfärbt sich das Blätterwerk der Laubbäume in den kommenden Wochen herbstlich, erinnert das doch an den Indian Summer an der nordamerikanischen Ostküste.

Tiny House: Hamburger bauen bei Wittenberge acht Cabins mit Seeblick

All das in Brandenburg, nicht auf Sylt oder an der Lübecker Bucht – für manchen Hamburger klingt das sicherlich erst mal ungewohnt. Aber hier ist man mittendrin im Nirgendwo, rund eineinhalb Stunden Fahrt von Hamburg entfernt bei Wittenberge liegen die acht neuen Cabins, einige mit direktem Seeblick für geplagte Großstädter, die hier einmal zur Ruhe kommen können. Gemeinsam mit Freunden oder allein.

Vielleicht ist das in diesen Tagen, in denen das Weltgeschehen erschreckend ist, eine gute Möglichkeit, einmal Abstand zu allen negativen Einflüssen von außen zu bekommen und mit sich selbst, dem Partner, der Familie oder eben Freunden zu sein – ohne Ablenkung.

Platz für jeweils zwei Erwachsene bieten die Tiny Houses. Kleine Kinder passen aber problemlos auch noch in das große Doppelbett direkt hinter der riesigen Panoramascheibe, die einen fließenden Übergang von drinnen nach draußen schafft. Ja, es ist klein im Minihäuschen, und Ordnung halten ist da umso wichtiger.

Tiny House am See in Brandenburg: Die riesigen Panoramafenster lassen das Drinnen mit dem Draußen verschmelzen.
Tiny House am See in Brandenburg: Die riesigen Panoramafenster lassen das Drinnen mit dem Draußen verschmelzen. © Noel Richter | Noel Richter

Aber es ist auch sehr gemütlich, weil die Cabins liebevoll designed und eingerichtet sind, mit hochwertigem Keramikgeschirr einer Berliner Töpferei, mit einer Küche und einem Minibadezimmer. Ein Holzofen sorgt an kühlen Abenden für muckelige Temperaturen. Das Brennmaterial liegt bereit, ebenso die Beschreibung, wie der Ofen in Gang gesetzt wird. Das ist kinderleicht und für jeden zu schaffen.

Das ist nicht unwichtig, denn sämtliche Cabins deutschlandweit haben ganzjährig geöffnet. Inzwischen gibt es mehr als zehn Standorte, die in der Nähe von Hamburg liegen.

Hamburger Gründer wollen unkomplizierten Tiny-House-Aufenthalt in der Natur

Dennoch: So schön der Blick in die Natur ist, das Smartphone lockt wie eh und je. Und weil die Gründer von „Raus“ ihr Angebot nicht mit dem erhobenen Zeigefinger machen wollen, gibt es WLAN – und so ist mobiles Arbeiten an dem kleinen Tisch möglich. Das Passwort „Icantlivewithout“, ich kann nicht ohne leben, erinnert dann auch eher augenzwinkernd daran, Telefon und Laptop doch einfach mal zur Seite zu legen.

Warum auch nicht, warum die Zivilisation nicht mal draußen lassen? Dafür ist man doch hierhergefahren. Ein Spaziergang um den Rudower See dauert zwei Stunden, spätestens danach sollten Großstädter aus Hamburg und Berlin ein wenig mehr bei sich angekommen sein.

Tiny House: Klein, aber gemütlich. So sieht es im Innern der Cabins am See in Brandenburg aus.
Tiny House: Klein, aber gemütlich. So sieht es im Innern der Cabins am See in Brandenburg aus. © Noel Richter | Noel Richter

Und man muss auch erst mal nicht zurück in die Zivilisation: Ein Brötchenservice lässt sich buchen, Mittagessen und Abendessen können vom lokalen Feinkostladen angeliefert werden. Wer ein Auto hat, kann aber von jedem Cabin-Standort deutschlandweit kleinere Städte erreichen.

Auch eine Auswahl an Büchern, Spielen und zwei Yogamatten für noch mehr Achtsamkeit und Entschleunigung stehen bereit.

Tiny House bei Wittenberge: Hundemitnahme ist noch nicht erlaubt

Ja, diese Begriffe mögen abgedroschen sein, aber sie beschreiben doch am besten, wie es sich hier draußen anfühlen kann, wenn man sich darauf einlässt. Ein ganz normaler Tag am See könnte so aussehen: Ofen anschmeißen und erst mal Tee oder Kaffee im Bett trinken (Kaffee und Tee gehören zur Grundausstattung), frühstücken und anschließend einen Spaziergang um den See machen – leider ohne Hund, denn diese sind hier nicht erlaubt, das soll sich aber langfristig ändern.

Nach der Bewegung in der Natur am besten ausruhen und einfach mal nichts tun. Oder ein Buch lesen – bei gutem Wetter draußen in den Loungemöbeln auf dem Holzdeck, bei schlechtem Wetter drinnen auf dem Sofa mit Blick ins Grüne. Wer mag, kann noch eine Yogasession in der Cabin machen oder einfach nur daliegen und ins Grüne starren. Klingt ungewohnt, entspannt aber ungemein.

Und nicht vergessen: Den Hot Pod rechtzeitig mit Holz befeuern und die kleine Sauna-Cabin draußen auf der Wiese anschalten. Denn beides mit Blick auf den See ist hier ein absolutes Muss. Zum Abkühlen einfach ein paar Meter über die Wiese zum See laufen und: hinein. Aber Achtung: Der See ist flach und modrig. Natur eben.

Hamburger Schulfreunde hatten die Idee zu den Cabins mitten im Grünen

Ungefähr so hatten sich Christopher Eilers und seine Mitstreiter, Johann Ahlers und Julian Trautwein, es sich wohl auch vorgestellt, als sie vor zwei Jahren „Raus“ in Berlin gründeten. Bevor er und seine Mitstreiter das Areal am Rudower See in Brandenburg entdeckten, war auf der 35.000 Quadratmeter großen Fläche ein Campingplatz mit 120 Dauercampern, deren Pachtvertrag jedoch auslief.

Die drei Hamburger Gründer von „Raus“ (v. l.): Christopher Eilers, Johann Ahlers und Julian Trautwein.
Die drei Hamburger Gründer von „Raus“ (v. l.): Christopher Eilers, Johann Ahlers und Julian Trautwein. © Franz Gruenewald | FRANZ GRUENEWALD

Das Konzept von „Raus“ sieht vor, die mobilen Tiny Houses auf Grundstücken von Landwirten und Forstbesitzern zu errichten, infrastrukturschwache Gegenden so in den Fokus zu stellen und mit lokalen Partnern zusammenzuarbeiten.

Hier am Rudower See ist erstmalig eine kleine Siedlung entstanden, an den anderen Standorten stehen meist nur eine einzelne oder zwei Cabins. „Wir versiegeln keine Flächen und müssen nicht dauerhaft für Jahrzehnte an unseren Standorten stehen bleiben, sondern wollen das sanft machen“, so Eilers.

Urlaub am Rudower See: Gäste kommen sogar aus Mexiko und Taiwan

Die drei Gründer sind Hamburger Schulfreunde: Christoph Eilers ging aufs Gymnasium Blankenese, Julian Trautwein aufs Christianeum und Johann Ahlers aufs Johanneum. „Ich habe Julian mal Mathenachhilfe gegeben“, sagt Eilers und lacht. Auch heute noch ist der studierte Betriebswirt für die Zahlen im Unternehmen zuständig.

„Ich war lange Zeit in der harten Finanzwelt in Frankfurt beruflich zu Hause und habe die Zeit schon immer gern genutzt, um in die Natur zu kommen, raus aus der Bankenwelt“, sagt der 41-Jährige. Nun hat er diesen Drang zu seinem Beruf gemacht. Doch eher für andere, denn wie das so ist bei jungen Start-ups: Er schafft es selbst kaum mehr raus zum Entspannen, arbeitet mehr als 80 Stunden die Woche. Wenn er Urlaub macht, dann gern mit Frau und dem zweieinhalb Jahre alten Sohn auf Fehmarn.

Die Nachfrage nach einer Auszeit im Freien mit hohem Komfort ist riesig. 85 Prozent der Gäste kommen aus Deutschland, es gibt aber auch welche aus Mexiko oder Taiwan und Anfragen von der kanadischen Regierung. „Raus“ möchte expandieren, weitere Standorte in Süddeutschland, in Österreich und Portugal sind geplant.

Tiny House bei Wittenberge am Rudower See: Kosten für eine Nacht

„Wir leben in einer Welt, in der wir immer online und immer erreichbar sind. Manchmal braucht man einfach eine Auszeit vom Trubel der Stadt“, sagt Julian Trautwein. Ihn habe eine Auszeit in der Natur schon vor dem Burn-out bewahrt, aber das war vor der Gründung des Start-ups.

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Eine Nacht in einer Cabin am See kostet ab etwa 159 Euro. Infos unter www.raus.life.de

Der Aufenthalt in der Lodge am See wurde unterstützt von „Raus“.