Hamburg. Michael H. kümmert sich um die Sicherheit von Milliardären. Wie er vorgeht und warum er mit mehr Angriffen auf Reiche rechnet.

Andere Menschen drängen laufend ins Rampenlicht, Michael H. bleibt lieber im Hintergrund. Beim Treffen mit dem Abendblatt in der Hamburger City ist er zunächst nicht zu entdecken, steht dann wie aus dem Boden gewachsen plötzlich neben dem Reporter-Team. Wie ist das möglich? Den durchtrainierten Mann mit den muskulösen Armen und dem breiten Kreuz kann doch eigentlich niemand übersehen.

Michael H. kennt das Erstaunen schon und grinst hintersinnig. „Tja, genau das ist ja das Konzept“, sagt er, „so muss es laufen.“ Michael H. ist Personenschützer – er ist für die Sicherheit anderer Menschen verantwortlich.

Personenschützer Michael H. aus Hamburg: Diskretion ist lebenswichtig

Man könnte ihn auch einen Bodyguard nennen, doch diese Bezeichnung schätzt er gar nicht, weil sie nach seinem Eindruck ein falsches Bild vermittelt. „Bodyguard“, sagt der 47-Jährige etwas verächtlich. „Da denken die Leute gleich an dunkle Anzüge, Sonnenbrillen, Knopf im Ohr.“ Das mag es mal gegeben haben – vor allem in Hollywoodfilmen –, aber H.’s. Realität und die seiner Kollegen sieht anders aus.

Michael H., der als Selbstständiger eine Sicherheitsfirma betreibt und zugleich im Angestelltenverhältnis für ein Geldinstitut arbeitet, beschützt zwei sehr wohlhabende Hamburger Familien. Meistens ist er im Team im Einsatz, unter anderem im Hamburger Westen. Namen und genaue Wohnorte verrät er natürlich nicht – Diskretion ist in diesem Beruf keine Masche, sondern im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtig.

Dreh- und Angelpunkt der Arbeit eines Personenschützers ist heutzutage die sogenannte Aufklärung, also das pausenlose Beobachten des Umfelds desjenigen, der geschützt wird, beziehungsweise auch seiner Angehörigen. „Denn kriminelle Handlungen wie Entführungen und Erpressungen erfordern immer eine genaue Kenntnis der Lebensumstände des potenziellen Opfers“, erläutert H. Und diese Einblicke müssen verhindert werden.

Personenschützer H. aus Hamburg fährt mit ins Büro und bringt Kinder zur Schule

H. begleitet seine Auftraggeber aus den Bereichen Wirtschaft beziehungsweise Industrie in deren Büros und zu Sitzungen an verschiede Orte, bringt Kinder zur Schule, fährt auch mit in Familienurlaube. Dabei agiert er wie ein Schatten. Niemand kann ihn mit den sogenannten „Schutzpersonen“ in Verbindung bringen, für die allermeisten bleibt er unsichtbar. Das geht im Idealfall so weit, dass kleinere Kinder über Jahre gar nicht merken, dass sie bewacht werden.

Die genaue Dokumentation aller Beobachtungen und Ereignisse ist für ihn dabei genauso wichtig wie eine enge Zusammenarbeit mit der Polizei. Vereinfacht beschrieben muss der Job so laufen, dass über einen langen Zeitraum hinweg kein Außenstehender den Personenschützer wahrnimmt und jeder potenzielle Übeltäter – Michael H. spricht konsequent von „die Gegenseite“ – überrumpelt und beeindruckt ist, wenn dann plötzlich zwei kräftige Männer vor ihm stehen und streng und entschlossen nach seinem Ansinnen fragen.

Gute Zusammenarbeit zwischen Personenschützer und Auftraggeber ist wichtig

„Wir haben schon uns unbekannte Leute abgefangen, die aufs Grundstück kamen, und die dann aus allen Wolken gefallen sind“, erzählt er. Man wollte angeblich nur mal nach dem Weg fragen oder eine Abkürzung suchen, sei nur versehentlich auf Privatgrund geraten – so etwas oder Ähnliches werde dann von den Unbekannten behauptet. „Kann stimmen, kann nicht stimmen“, sagt H. „Entscheidend ist, dass die wissen, dass sie mit uns rechnen müssen.“

Dabei kommt es auch auf die permanente Mithilfe der Auftraggeber und deren Angehöriger an. „Das beste Konzept bringt nichts, wenn die Schutzpersonen ständig über soziale Netzwerke verbreiten, wo sie gerade sind und was sie gerade machen“, sagt H. Da helfen nur eindringliche Gespräche, das doch möglichst zu unterlassen – die dann für ihn aber meistens erfolgreich verlaufen.

Hamburger Personenschützer weiß: Die meisten Milliardäre leben völlig unscheinbar

Im Laufe seiner mehr als 20-jährigen Arbeit hat Michael H. für zahlreiche milliardenschwere Auftraggeber gearbeitet. Viele agieren ganz unscheinbar, nicht mal unmittelbare Nachbarn wissen, dass nebenan Menschen leben, die über prominente Millionäre nur müde grinsen könnten. Einmal hat sich die Tochter eines superreichen Klienten 50 Euro von ihm geborgt, weil ihre Urlaubskasse von den Eltern so knapp bemessen war.

Michael H., der in den Vier- und Marschlanden lebt, ist das, was man im Englischen einen No-nonsens Type nennt. Er spricht ernst und eindringlich, geht in seinem Beruf auf, arbeitet auch als Dozent bei der Handelskammer. Für Blödsinn ist er, wenn überhaupt, höchstens nach Dienstschluss zu haben – und dann mutmaßlich auch nur in wohldosierter Form.

Eine lange, gründliche Ausbildung hat er absolviert, war schon während der Bundeswehrzeit Sicherungssoldat. Man kann sich gut vorstellen, dass er mit dieser Art auch erfolgreiche Überzeugungsarbeit bei seinen Auftraggebern leisten kann, das auf das gehört wird, was er zum Thema Sicherheit vorbringt.

Personenschützer sind permanent psychischem Druck ausgesetzt

Ein Personenschützer sitzt den ganzen Tag über herum, sein Job muss im Grunde total langweilig sein, weil ja ohnehin nie etwas Schlimmes passiert. Das ist auch so ein Vorurteil derjenigen, die von diesem Beruf keine Ahnung haben. Michael H. kann viel von dem permanenten psychischen Druck berichten, den seine Arbeit verursacht.

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Rund 300 bis 350 Stunden ist ein guter Personenschützer monatlich im Einsatz. Dabei muss er ununterbrochen wachsam bleiben, ständig Situationen erfassen, beurteilen, abspeichern. Und: Wer über Jahre so arbeitet, übernimmt diese Muster automatisch in die Freizeit. H. sitzt – egal, ob im Job oder privat – an einem Tisch im Restaurant immer an einem Eckplatz, weil er von dort am schnellsten auf die Beine kommt. Beim Autofahren bevorzugt er stets die rechte Fahrspur, um im Notfall zur Seite ausscheren zu können.

Personenschützer H. aus Hamburg trainiert seine Fitness 365 Tage im Jahr

Ein gemütlicher Job sieht sicher anders aus. H. ist aber kein Typ, der darüber jammert. Ausgleichssport, der für die nötige Fitness sorgt, verschafft ihm physische und seelische Stabilität. Täglich trainiert er 45 Minuten lang – 365 Tage im Jahr, auch zu Weihnachten und Neujahr.

Wie viele Menschen mag H. quasi im letzten Moment gerettet habe, wie viele Entführer in die Flucht geschlagen? Das ist eine Frage, die der gebürtige Hamburger, der in Lokstedt aufwuchs, oft zu hören bekommt. Und geduldig macht er klar, dass sie eigentlich anders gestellt werden müsste.

Denn letztlich geht es darum, welche möglichen Verbrechen durch Personenschützer schon im Vorfeld verhindert werden konnten – eine Größe, zu der es logischerweise keine Statistik gibt. Auf jede offiziell bekannt gewordene Entführung kommen nach Einschätzung von Experten viele, über die nie etwas an die Öffentlichkeit dringt.

Sicherheit in Hamburg – Zahl der Entführungsversuche könnte steigen

H. sieht ganz klar eine steigende Tendenz für die kommenden Jahre voraus. „Die schlechte finanzielle Lage vieler Menschen trägt dazu bei, dass Entführung, Erpressung und Raub schon jetzt nicht mehr nur der organisierten Kriminalität zugeordnet werden“, sagt er. „Sie werden auch von Normalbürgern ausgeführt, die in ihrer verzweifelten Lage jegliche Hemmschwellen verloren haben.“

Erst kürzlich berichtete das Abendblatt über den Fall einer angedrohten Entführung in Harvestehude. Auch da sagt der Täter – ein Bekannter der betroffenen Familie – später vor Gericht, er habe aus einer Notsituation heraus gehandelt. Laien-Verbrecher machen Personenschützern dabei mehr Probleme als Profis – unter anderem, weil sie in der Regel schneller die Nerven verlieren und brisante Situationen so schneller eskalieren lassen.

Am Ende des Gesprächs verabschiedet sich H. – und verschwindet im Handumdrehen im Gewühl der Stadt. Und dann ist er nicht nur schwer zu entdecken. Er ist unsichtbar.