Hamburg. Der Hamburger Verein „Der Hafen hilft!“ leitet im großem Stil Sachspenden weiter – unter anderem vom ZDF-„Traumschiff“.
Der Anblick ist ungewöhnlich. In einer riesigen Halle an der Schnackenburgallee in Hamburg-Bahrenfeld stapeln sich Matratzen, Sessel und Stühle in großer Zahl. Das Ganze erscheint auf den ersten Blick wie ein Lager für Secondhand-Möbel, die allerdings sehr einheitlich und bemerkenswert gepflegt wirken. Es handelt sich um Spenden, die im Logistikzentrum des Vereins „Der Hafen hilft!“ zwischengelagert sind.
Die Spender sind Reedereien, die dem Verein gezielt ausrangiertes Mobiliar zur Verfügung stellen. Das vielköpfige Helfer-Team leitet dann alles an Bedürftige weiter. Ziel kann das Krisengebiet Ukraine sein, wo vor allem Matratzen dringend gebraucht werden, Empfänger sind aber auch Sozialeinrichtungen in Hamburg und Umgebung. Diese geben die Spenden an ihre jeweilige Klientel weiter – zum Beispiel ehemalige Obdachlose, die eine Wohnung beziehen, Frauenhäuser, Einrichtungen der Familienhilfe oder Seniorenbetreuung.
Etwa vom „Traumschiff“ – Möbel von Kreuzfahrtschiffen als Spenden
Anja van Eijsden, Erste Vorsitzende des Vereins, und die Zweite Vorsitzende Svenja Weil führen durch die weitläufigen Gänge und erläutern, was es dort zu sehen gibt. Aussortierte Clubsessel und Tische – für den Transport in schützende Folie eingepackt – stammen von Phoenix Reisen in Bremerhaven. Deren bekanntestes Schiff, die MS „Amadea“, ist übrigens Haupt-Drehort der „Traumschiff“-Produktion.
Man mag sich über diesen schnellen Austausch wundern, aber Ressourcenverschwendung ist das nicht. Das Mobiliar auf Luxusschiffen wird genauso routinemäßig erneuert, wie das bei Hotel- oder Büromöbeln der Fall ist – und die dem Verein ebenfalls vielfach geschenkt werden.
Auch Luxusmöbel von privaten Yachten werden regelmäßig gespendet
Diese Dinge haben irgendwann Gebrauchspuren oder geraten aus der Mode. Geschmäcker, Standards und Ansprüche ändern sich, aber die kritischen Blicke der Passagiere bleiben. Faszinierend: Nebenan lagern Deck Chairs und andere Möbel einer ausrangierten privaten Luxusyacht, deren frühere Eigner sehr bekannt sind, aber aus Diskretionsgründen nicht genannt werden.
Sogar in diesem Segment hilft der Hafen eben mit – und ein intaktes Netzwerk sorgt dafür, dass der Fluss an ausrangierten, aber eben noch sehr hochwertigen Gütern praktisch nie abreißt. Sogar ein komplettes intensivmedizinisches Versorgungszentrum wurde dem Verein auf diese Weise schon zur Verfügung gestellt – in einem Krisengebiet dringend benötigt und schnell dorthin geliefert. Auch Theaterrequisiten diverser Bordshows sind schon in der Bahrenfelder Halle gelandet – gefreut hat sich darüber unter anderem ein Kindergarten.
Hafen Hamburg: Gründerin des Hilfsvereins war früher Ingenieurin im Hafen
„Der Hafen hilft!“ wurde 2009 von Anja van Eijsden gegründet, die damals bei der Werft Blohm + Voss als Schiffsingenieurin beschäftigt war. „Die Idee einer neuartigen Plattform zur Umverteilung von Sachspenden entstand unter anderem, weil ich täglich sah, dass bei Umbauten und Reparaturen von Schiffen oft große Teile des Bordmobiliars erneuert werden mussten“, erläutert van Eijsden. „Dabei wurden noch gut verwendbare Gegenstände entsorgt, was ich nicht okay fand.“ Die Initiative zur Vereinsgründung sei quasi „zwischen Docks und Containerbrücken“ entstanden.
Und Svenja Weil sagt: „,Im Hamburger Hafen hilft man sich’, das ist ein Satz, den man dort oft hört, der aber eben kein leerer Spruch ist.“ Ein zweiter, dazu passender Satz lautet: „Nicht lang schnacken, zupacken.“ Gesagt, getan.
„Der Hafen hilft!“: Kreuzfahrtreedereien machen mit – Cunard einer der Spender
Schon ein Jahr nach der Gründung zählte der Verein 50 Mitglieder und circa 30 Unterstützer, darunter Firmen aus den Bereichen Technik und Handwerk. Ausrangiertes Schiffsmobiliar entgegenzunehmen und weiterzuverteilen blieb ein Schwerpunkt der Tätigkeit.
Und viele machten mit. 2010 spendete die Reederei des Kreuzfahrtschiffs „Queen Victoria“ Bücher, Bettwäsche und Kleinmöbel, 2017 wurde eine Großspende des Kreuzfahrtschiffs und Transatlantikliners „Queen Mary 2“ an Hamburger Einrichtungen der Flüchtlingshilfe und an Seniorenheime weitervermittelt, darunter Tausende Kissen, Bettwäsche und Stühle. Seitdem besteht auch eine regelmäßige Kooperation zwischen der Reederei Cunard und dem Verein. Zu den Klassikern, die ausgemustert und gespendet werden, gehören auch Decken, Handtücher, Laken, Bettbezüge, Kissen und Bademäntel.
Hilfe für die Ukraine – große Matratzen-Spende von der MS „Europa“
Die jüngste Spende kam Anfang August von der MS „Europa“. Mehr als 200 immer noch sehr hochwertige Matratzen wurden damals turnusgemäß gegen neue ausgetauscht, die alten – erst wenige Jahre alt – waren für eine schnöde Entsorgung viel zu schade.
Der Anruf bei „Der Hafen hilft!“ ist in solchen Fällen schon Routine. Man kennt sich seit Jahren und hilft schnell und unbürokratisch. Die meisten der Matratzen sind mittlerweile in die Ukraine verschickt worden, ein fast beladener Container wartet auf den Start. Diese Container sind übrigens Spenden von Hapag-Lloyd – auch so eine schnelle, unkomplizierte Hilfe, die man in der Kaufmannsstadt Hamburg nicht an die große Glocke hängt.
Die Weiterleitung von Spenden aus der Hafenwirtschaft sind Alleinstellungsmerkmal und auch Schwerpunkt von „Der Hafen hilft“ – allerdings kommen die Spenden nicht ausschließlich von dort.
Vom Traumschiff zu Bedürftigen: Viele Vereinsmitglieder arbeiten im Umfeld des Hafens
Auch zahlreiche Firmen und Privatpersonen spenden – von wenig genutzten PCs und Schränken bis zu Kaffeemaschinen wird alles angenommen und weitergereicht. „Viele Menschen in Hamburg befinden sich in einer materiellen Notlage – und es fehlt ihnen an ganz konkreten Dingen des Alltags, um ihre Lebenssituation zu verbessern“, sagt Anja van Eijsden. Dabei sei es ganz gleich, ob es sich um Möbel für die erste Wohnung nach der Obdachlosigkeit handele oder um Schulranzen für die Kinder einer geflüchteten Familie. „Egal ob Fahrrad, PC oder Hausrat – oft machen wenige Dinge den schwierigen Alltag leichter“, sagt Svenja Weil.
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Bis heute haben viele Vereinsmitglieder ihren beruflichen Schwerpunkt im Umfeld des Hafens, was der Logistik an allen Ecken und Enden zugutekommt „Männer und Frauen mit den verschiedensten Berufen und Berufungen sind bei uns im Verein und helfen unermüdlich“, sagt Svenja Weil, „der Feuerwehrmann und die Lehrerin, der Werk-Vorarbeiter und der Maschinenbaumeister, die Unternehmerin und der Koch, der Gerüstbauer und die Sozialarbeiterin, der Schiffbauingenieur und die Zahnärztin.“