Hamburg. Auf einer Seite gibt es keinen Fußweg – der Radweg verläuft direkt vor den Grundstücken. Anrainer sehen großes Sicherheitsrisiko.

Der Bridge Club HamburgElbvororte ist unter anderem für Stil und Diskretion bekannt. Das schöne Clubhaus an der Elbchaussee lässt sich hinter einer hohen Hecke kaum ausmachen, die Zufahrt wirkt unauffällig. Die rund 150 Mitglieder, viele von ihnen nicht mehr jung, sind nicht dafür bekannt, sich in die Öffentlichkeit zu drängen. Tun sie es doch einmal, muss etwas Unerfreuliches geschehen sein.

So ist es auch. Die Bridge-Freunde sind zurzeit so verärgert wie wohl noch nie, manche wirken geradezu wütend. Der Anlass ist vor Ort schnell auszumachen. Denn hier wurde die Elbchaussee bereits umgebaut – und unmittelbar vor dem Club verläuft ein nagelneuer Radweg nach dem Modell Kopenhagen.

Verkehr Hamburg: Elbchaussee nach Umbau – so gefährlich ist der neue Radweg

Das klingt eigentlich nach einer guten Sache. Doch der Weg liegt fast unmittelbar zwischen der Grundstücksgrenze und der Fahrbahn, einen Fußweg gibt es dort nicht (mehr), nur einen ganz schmalen Streifen.

Im Klartext: Wer aus dem Zugang nach draußen tritt, steht nicht auf einem Fuß-, sondern auf dem Radweg, und wer auf der Nordseite zu einer der nächsten Querstraßen gehen möchte, müsste sich darauf permanent bewegen. Laut Straßenverkehrsordnung ist ein Radweg aber ausschließlich Radfahrerinnen und Radfahrern vorbehalten.

So oder ähnlich ist die Lage auf der Nordseite der Elbchaussee jetzt fast auf dem gesamten Abschnitt zwischen Christian-F.-Hansen-Straße und Sieberlingstraße – und so wird jetzt auch Richtung Westen weiter gebaut. Betroffen sind davon neben dem Bridge Club bereits jetzt mindestens zehn weitere Anrainer. Die Elbchaussee ist hier einfach zu schmal, die jetzige Lösung ist nach Darstellung der Behörde die einzige Möglichkeit.

„Das ist doch unglaublich“, sagt Clubmitglied Dietrich Scheele. „Die jetzige Konstruktion ist für uns Fußgänger gefährlich – und letztlich für die Radfahrer auch.“

Nienstedten: Neuer Radweg an der Elbchaussee – Anrainern geht es um Sicherheit

Scheele und seine Mitstreiter sprechen von einem Schildbürgerstreich. Statt einen Radweg unten an der Elbe abzuteilen, werde die Elbchaussee „auf Teufel komm raus vollgepackt“. Und Evemarie Jaden sagt: „Das ist jetzt alles ganz fürchterlich geworden – und für uns Ältere eine Zumutung Wir fühlen uns abgeschnitten und ausgegrenzt.“

Der Umbau der Elbchaussee zur Fahrradstraße wurde lange vorbereitet und erläutert. Doch je weiter die Umgestaltung voranschreitet, desto energischer werden die Proteste in den Elbvororten. Erst kürzlich hatten sich Anrainer aus Nienstedten massiv über das Herausreißen alter Bordsteinkanten und Kopfsteinpflaster-Überfahrten und den ersatzweisen Einbau ortsfremder Materialien beschwert.

Den Protestierenden vom Bridge Club geht es vor allem um einen Aspekt: den der Sicherheit.

Elbchaussee: Behörde unterscheidet zwischen Fußweg und Hochbankett

Die Behörde für Verkehr und Mobilitätswende (BVM) macht geltend, dass sich für Fußgänger im Grunde gar nichts geändert habe. Denn das, was die Bridge-Freunde und wohl auch alle Nachbarn vor dem Umbau als Fußweg wahrgenommen und benutzt haben, sei nie einer gewesen sei.

Es habe sich bei dem befestigten Grandweg vielmehr um ein sogenanntes Hochbankett gehandelt. Dabei handelt sich um einen „gehwegähnlichen Weg“ an Stellen, an denen es keinen „offiziellen“ Gehweg gibt. Dieser darf von Fußgängern, aber nicht von Radfahrern genutzt werden.

Radweg an der Elbchaussee: Behörde spricht von „Sicherheitsgewinn“

Nach Darstellung einer Behördensprecherin sei dieses Hochbankett nicht entfernt worden, sondern im Zuge der Instandsetzungsmaßnahme in voller Breite „saniert und optimiert“ worden. Es grenze nun nicht mehr direkt an die Auto-Fahrbahn, sondern an den neuen Radweg. Das sei „ein deutlicher Sicherheitsgewinn gegenüber dem ursprünglichen Zustand“.

Wie sich vor Ort allerdings zeigt, ist von dem angeblich ein Meter breiten Hochbankett kaum mehr etwas zu sehen. Zwischen Radweg und den Hecken der Grundstücke befindet sich nur noch ein kleiner Streifen mit Grandbelag – so schmal, dass keine Person darauf gehen kann.

Der neue Radweg vor dem Bride Club. Neben der Hecke verläuft ein schmaler Streifen („Hochbankett“), der für Fußgänger vorgesehen ist. An vielen Stellen der nördlichen Elbchaussee-Seite ist er ähnlich schmal.
Der neue Radweg vor dem Bride Club. Neben der Hecke verläuft ein schmaler Streifen („Hochbankett“), der für Fußgänger vorgesehen ist. An vielen Stellen der nördlichen Elbchaussee-Seite ist er ähnlich schmal. © Michael Rauhe

Anwohner und Besucher müssen die Elbchaussee kreuzen, um den Fußweg zu nutzen

Wer auf dem entsprechenden Abschnitt vor die Gartenpforte oder Zufahrt tritt, um beispielsweise einen Spaziergang zu unternehmen, muss die Elbchaussee nun erst kreuzen, um dann auf dem südlich der Straße gelegenen Fußweg weiterzugehen. Anwohner und deren Besucher müssen also erst den Radweg überqueren und dann die Fahrbahn mit zwei Spuren.

Die zweite (südlichere) Fahrspur teilen sich Autos und Radfahrer („Mischverkehr“), jedenfalls soll das mithilfe von Schildern und Markierungen deutlich werden. Dort ist also quasi doppelte Aufmerksamkeit gefordert.

„Viele unserer Mitglieder sind betagt und in der Mobilität stark eingeschränkt“, sagt Clubbesitzer Cezary Krzeminski. „Für sie ist der Club nun deutlich schwerer zu erreichen und auch wieder zu verlassen. Und das bei einer so stark befahrenen Straße. Es ist ein unmöglicher Zustand.“

Elbchaussee in Nienstedten: Straße wird zurzeit nicht stark befahren

Die Betroffenen dürfen sich im ach so toleranten Hamburg vermutlich jetzt wieder vorhalten lassen, ihre Probleme seien die einiger weniger Privilegierter. Fakt ist aber, dass die Querung der viel befahrenen Elbchaussee plus Radweg eine sportliche, nicht ungefährliche Sache ist – für Seniorinnen und Senioren allemal.

Die protestierenden vom Bridge Club weisen zudem darauf hin, dass die Elbchaussee wegen der noch andauernden Sommerferien und wegen zahlreicher Sperrungen zurzeit deutlich weniger befahren wird als sonst. „Wenn die Sperrungen aufgehoben sind, wird das hier total eng“, schimpft Rechtsanwalt Christian Andreae, der nun für einen Zebrastreifen vor Ort kämpfen will.

Und Christian von Guggenberger, der auf ein Elektromobil angewiesen ist, fragt: „Wie soll ich nur schnell genug über die Elbchaussee kommen?“

Verkehr Hamburg: Elbchaussee – Behörde sieht „keine Verschlechterung des Zustands“

Laut der Behördensprecherin führe der Kopenhagener Radweg im betroffenen Bereich bergauf, sodass die Radfahrerinnen und Radfahrer dort durchschnittlich langsamer fahren. Ihr Fazit: „Von einer Verschlechterung des Zustandes kann keine Rede sein.“

Ansonsten gelte, so die Sprecherin „das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme, vor allem gegenüber mobilitätseingeschränkten Menschen und schwächeren Verkehrsteilnehmerinnen und -teilnehmern“.