Hamburg. Zirkusse müssen inzwischen in andere Bezirke ausweichen – doch auch das wird immer schwieriger. Das sind die Hintergründe.

Für viele Hamburgerinnen und Hamburger gehörte er noch vor wenigen Jahren zum Freizeitprogramm: der Besuch bei einem Zirkus, der irgendwo in der Stadt sein Zelt aufgeschlagen hatte. Doch mittlerweile wird es damit immer schwieriger, denn die Zahl der Gastspiele ist in Hamburg seit Jahren rückläufig.

Im Bezirk Altona könnten Zirkusbesuche bereits ganz der Vergangenheit angehören, wie die Antworten auf eine Anfrage der Altonaer FDP-Fraktionschefin Katarina Blume zeigen.

Altona: Kein Platz für den Zirkus – auch andere Schausteller betroffen

Demnach gab es, wie das Bezirksamt mitteilt, schon seit Jahren keine Anträge mehr von Zirkusbetreibern für eine entsprechende Nutzung für die Stadtteile des Bezirks. Das gelte generell für sogenannte „Fliegende Bauten“, also rechtlich definiert „bauliche Anlagen, die geeignet sind, an verschiedenen Orten wiederholt und befristet aufgestellt und wieder abgebaut zu werden“.

Dazu gehören zum Beispiel auch Puppentheater und ähnliche Schausteller aus dem Unterhaltungsmilieu, die noch vor wenigen Jahren immer mal einen Platz in Altona fanden. Wie berichtet, hatte kürzlich der Circus Roncalli Schwierigkeiten, die Moorweide zu nutzen. Doch in Altona ist das Problem viel komplexer.

Zirkus in Altona: Bezirk kann keine Flächen mehr anbieten

Der Hauptgrund für die Misere: Im Bezirk gibt es keine freien Flächen mehr, die einem Zirkus zur Verfügung gestellt werden könnten. Auf die entsprechende Frage von Katarina Blume antwortet das Bezirksamt wörtlich: „Es gibt grundsätzlich keine geeigneten Flächen für Zirkusse in Altona.“

Als Beispiel für eine Fläche, die einst für Zirkusauftritte genutzt werden konnte, nennt das Amt das Gelände Holmbrook, das aber zuletzt zur Unterbringung von Geflüchteten genutzt worden war. Ein Gelände westlich des Elbe Einkaufszentrums (EEZ), auf dem ebenfalls viele Jahre lang Zirkusse zu Gast waren, ist mittlerweile bebaut.

Fläche im Schanzenpark eignet sich höchstens für einen kleinen Zirkus

Das Bezirksamt verweist zwar auf eine Veranstaltungsfläche im Schanzenpark, auf der „theoretisch ein kleiner Zirkus“ untergebracht werden könnte, was Blume aber aus Platz- und organisatorischen Gründen für „Unsinn“ hält.

Die Fläche sei zu klein und auch ständig ausgebucht. Ein traditioneller Familienzirkus ist der Zirkus Frank, der mittlerweile in der fünften Generation besteht und zurzeit in Lübeck gastiert. Direktor Joschi Frank bestätigt dem Abendblatt am Telefon, dass sein Unternehmen lange auch nach Altona gereist war und unter anderem in Osdorf, Blankenese und Nienstedten gastieren konnte.

Altona: Zirkus Frank muss in andere Bezirke ausweichen

„Nun hat es leider keinen Sinn mehr, für Altona anzufragen“, sagt Frank, „denn man kann uns keinen Platz anbieten.“ Es blieben nur Ecken in anderen Hamburger Stadtteilen – zum Bespiel in Fuhlsbüttel.

In Altona hatte der Zirkus Frank zuletzt auf einer Freifläche an der Luruper Hauptstraße gastiert, die mittlerweile aber auch bebaut ist. Dieses Gelände war dem Zirkus damals von privater Seite zur Verfügung gestellt worden. Private Unterstützer – das könnte auf den ersten Blick auch eine Lösung für die Zukunft sein.

Zirkus Frank gastierte zuletzt auf einer Freifläche an der Luruper Hauptstraße (Archivbild).
Zirkus Frank gastierte zuletzt auf einer Freifläche an der Luruper Hauptstraße (Archivbild). © Marcelo Hernandez / FUNKE Foto Services

Verbandschef mahnt: Für Zirkusse wird es in Städten immer schwieriger

Doch Joschi Frank schränkt ein: „Wir sind natürlich sehr dankbar für jedes Angebot. Aber öffentlicher Grund ist in der Regel doch besser geeignet, weil dort in der Regel Strom und Wasser vorhanden sind.“ Auf unerschlossenen Privatgeländen, die beispielsweise Immobilienfirmen zur Verfügung stellen, müsse der Strom oft mit Generatoren erzeugt werden, was keine ideale Lösung sei. Frank bedauert das – derzeitige – Aus für Altona sehr.

„Wir waren dort immer gerne“, so der Direktor. „Viele Besucher waren Stammkunden, die unsere Kinder von klein auf kannten und fast schon Familienanschluss hatten. Wir waren dort wohlgelitten und hatten erfolgreiche Gastspiele.“

Wie Ralf Huppertz, Vorstandsvorsitzender des Verbands deutscher Circusunternehmen e. V. (VDCU), sagt, ist das Beispiel Altona nur eines von vielen. Für die noch bestehenden rund 300 Zirkusbetriebe werde es vor allem in den Städten immer schwieriger, Freiflächen zu finden, weil immer mehr bebaut oder für die Unterbringung von Geflüchteten genutzt wird. Das sei besonders beklagenswert, weil Zirkus erst im vergangenen Februar in die Liste des Immateriellen Kulturerbes aufgenommen wurde.

Zirkusverband appelliert an Städte und Gemeinden: Helft uns!

In einem Schreiben an diverse Bürgermeister und Landräte bittet Huppertz darum, den Zirkus-Unternehmen stärker zu helfen. „Endlich hat unsere Branche es geschafft. Wir sind nun kulturell anerkannt. Dies sollte aber auch zu einem Umdenken in den jeweiligen Stadt- und Gemeindeverwaltungen führen“, so Huppertz.

Er verweist auch auf einen grundsätzlichen Rechtsanspruch auf „Inanspruchnahme von gemeindeeigenen Plätzen, die für öffentliche Veranstaltungen gewidmet sind“. In dem Brief, der dem Abendblatt vorliegt, heißt es dazu aber auch kompromissbereit: „Wir wollen uns aber nicht mit Ihnen streiten, sondern Sie dafür sensibilisieren.“

Altona ohne Zirkus? FDP-Politikerin sieht „Fantasiewelt der Kinder“ gefährdet

Katarina Blume spricht von einer unerfreulichen Situation – sowohl für die Menschen in Altona als auch für die Zirkusbetreiber. „Gerade kleine Zirkusse sind auf wohnortnahe Standorte in den Quartieren angewiesen“, sagt Blume, doch gerade dort seien aufgrund der Flächenverwertung immer weniger Standorte vorhanden.

Blume verweist darauf, dass der Bezirk rund 250.000 Einwohner hat, was viel Potenzial bedeute. „Es ist traurig“, so Blume. „Die alten Familienbetriebe sind in ihrer Existenz bedroht – und zugleich wird die Fantasiewelt der Altonaer Kinder ärmer.“ Das Thema soll jetzt im bezirklichen Planungsausschuss auf die Tagesordnung kommen.