Hamburg. Tochter des Opfers war von den Schreien aufgewacht. Angeklagter schlief nach der Tat neben der Frau. Polizist schildert Einsatz.
Die Szenerie wirkte gespenstisch. Da lagen eine Frau und ein Mann in ihrer Küche am Boden, reglos, wie tot. Und überall um sie herum war Blut. War hier überhaupt noch jemand zu retten? Doch dann hörten die Polizeibeamten, die zu einem Einsatz in die Luruper Wohnung gerufen worden waren, ein Stöhnen – ein Lebenszeichen.
Die Hilfe kam gerade eben noch rechtzeitig. Womöglich wäre die Frau sonst verstorben. Hat der damalige Lebensgefährte der Hamburgerin die Frau so schwer verletzt, dass ihr Leben in Gefahr war? Dieser Verdacht steht jetzt im Prozess vor dem Schwurgericht im Raum, wo sich seit Dienstag der frühere Partner des Opfers wegen der Vorfälle vom November vergangenen Jahres verantworten muss. Die Staatsanwaltschaft legt dem 41-Jährigen versuchten Totschlag und gefährliche Körperverletzung zur Last.
Prozess Hamburg: Mann schlägt Lebensgefährtin fast tot
Den Ermittlungen zufolge griff Franco T. (Name geändert) am 3. November seine Lebensgefährtin in deren Wohnung in Lurup an und schlug mit den Fäusten auf ihren Kopf ein. Als die Frau zu Boden fiel, soll der Mann weiter auf sie eingeprügelt haben, sodass ihr Hinterkopf wiederholt auf dem Fußboden aufschlug. Bei seinem Angriff habe der Mann einen tödlichen Verlauf des Geschehens in Kauf genommen, heißt es weiter. Und mit den Schlägen war die Tortur laut Anklage noch nicht zu Ende.
Dass Hilfe geholt werden könnte, soll der Mann bewusst unterbunden haben: Die Frau habe um Hilfe geschrien, dadurch sei ihre 13-jährige Tochter aufgewacht. Um das Opfer an weiteren Schreien zu hindern, soll Franco T. seiner Lebensgefährtin einen Schwamm in den Mund gesteckt haben. Die 13-Jährige habe er ins Bett geschickt und sich selbst neben deren lebensgefährlich verletzten Mutter schlafen gelegt.
Frau lebensbedrohlich verletzt – Tochter vertraut sich Lehrerin an
Der Angeklagte habe keine Hilfe organisiert, obwohl die Frau „erkennbar lebensbedrohliche Verletzungen“ erlitten habe und nicht mehr ansprechbar war, so die Vorwürfe weiter. Unter anderem habe das Opfer ein offenes Schädelhirntrauma, einen Schädelbasisbruch und eine Fraktur des Schädeldaches erlitten. Gerettet wurde die Frau den Ermittlungen zufolge erst, nachdem sich die Tochter auf den Weg zur Schule gemacht und dort schließlich einer Lehrerin anvertraut hatte.
Nunmehr wurden Rettungskräfte alarmiert. Das Opfer wurde von Notärzten erstversorgt und kam dann in ein Krankenhaus. Schon zwei Tage vor diesem wuchtigen Angriff soll Franco T. die Hamburgerin bereits attackiert haben. Bei dieser Gelegenheit habe er sie mit einem Salz- und Pfefferstreuer so heftig gegen den Kopf geschlagen, dass das Opfer eine blutende Wunde und ein Hämatom am Auge erlitt, wirft die Anklage dem 41-Jährigen weiter vor.
Prozess Hamburg: Angeklagter gibt an, unter Halluzinationen zu leiden
Der Angeklagte, ein schmaler Mann mit Vollbart, hat zum Prozessauftakt seine Personalien angegeben, nun sitzt er aufrecht da und lauscht aufmerksam der Anklage und den ersten Zeugen. Bei dem Prozess geht es auch darum, ob er, falls das Gericht seine Verantwortung für die Taten feststellen sollte, überhaupt ins Gefängnis kommen kann oder ob eine Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik angezeigt wäre.
Vorläufig ist Franco T. in einer solchen geschlossenen Einrichtung untergebracht. Es besteht der Verdacht, dass der 41-Jährige unter einer psychischen Erkrankung leidet. Er selber soll angegeben haben, er leide unter Halluzinationen und sei deswegen bereits in Behandlung. Sein Mandant werde sich am nächsten Verhandlungstag zu den Vorwürfen umfassend äußern – sofern er sich an die Geschehnisse erinnern kann, gibt der Verteidiger an.
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Mann liegt neben Opfer – Polizist schildert Einsatz am Tatort in Lurup
Wie weit dies möglich sein wird, bleibt abzuwarten. An jenem verhängnisvollen Tag, als seine Lebensgefährtin so schwer verletzt wurde, schien Franco T. nicht wirklich ansprechbar zu sein. Ein Polizist schildert als Zeuge, wie er zusammen mit Kollegen den Einsatz bekam, dass in der Luruper Wohnung jemand in Not sei. Auf Klingeln und Klopfen habe niemand geöffnet, sodass die Beamten die Tür eintreten mussten.
In der Küche hätten sie auf dem Boden einen Mann und eine Frau „in Löffelchenstellung“ liegen sehen – die Brust des Mannes an den Rücken der Frau geschmiegt. Und beide waren umgeben von Blut, das die Fliesen bedeckte und gegen die Oberflächen der Schränke gespritzt war. Sie hätten erst gedacht, erzählt der Polizist, dass es sich um einen sogenannten erweiterten Suizid handelt.
Doch dann hätten sie ein leichtes Stöhnen wahrgenommen und sofort Rettungskräfte für die Frau alarmiert. Den Mann hätten sie von der Hamburgerin weggezogen und ihn gefesselt. „Wir sind von einem Gewaltdelikt ausgegangen.“ Der Prozess wird fortgesetzt.