Hamburg. Ein Ehepaar kaufte elf der maroden Bauwerke und ließ sie restaurieren. Nun sollen sie als “Historical Townhouses“ Touristen locken.
Sie gehören zu diesen architektonischen Preziosen, die viele Menschen in Hamburg kennen, aber über die nur wenige Genaueres wissen: die langgestreckten Instenhäuser in der Nähe des Jenischparks. Vor einigen Jahren hat das Unternehmerehepaar Prof. Lutz Fischer und Dr. Karin Sievert-Fischer einige dieser Häuser vor dem Verfall bewahrt und aufwendig sanieren lassen. Seit kurzem nun können sie von Interessierten auf Zeit gemietet werden. Besuch bei einem ungewöhnlichen Wohnprojekt.
Entspannt und stolz sitzen Lutz Fischer und seine Frau Karin in einem der bildschönen Häuser an der Jürgensallee. Mit Mut und Energie ist dem charismatischen Paar gelungen, was andere immer mal „angedacht“ haben mögen. Gleich elf der so genannten Instenhäuser in der Nähe des Bahnhofs Klein Flottbek haben sie gerettet. Hinzu kommt das Gebäude der ehemalige Schmiede an der Ecke Baron-Voght-Straße, das ihnen auch gehört und das seit 13 Jahren das Restaurant „Zur Flottbeker Schmiede“ beherbergt.
Wie ein Ehepaar die Tagelöhnerhäuser beim Jenischpark rettete
Alle Häuschen und auch die Schmiede gehörten einst zu dem großen Mustergut, das der Kaufmann und Sozialreformer Baron Caspar Voght (1752-1839) im ausgehenden 18. Jahrhunderts anlegen ließ. Teil seiner „Ornamented Farm“ waren die Instenhäuser, die kurz vor 1800 als langgezogene Budenreihen an den heutigen Straßenzügen Jürgensallee und Baron-Voght-Straße erbaut wurden. „Inste“ oder „Instleute“ nannte man in Norddeutschland einst Guts-Tagelöhner, die weder eigenes Land noch einen eigenen Wohnort besaßen. Gegen eine geringe Miete konnten sie „Inste“ (vom niederdeutschen Wort für Insasse) der nur rund 25 Quadratmeter großen Häuser werden.
„Man darf nicht vergessen, dass diese Häuser einst für Landarbeiterfamilien erbaut wurden“, sagt Karin Sievert-Fischer. „Da wurden natürlich nur einfache Materialien verwendet, und Komfort spielte überhaupt keine Rolle.“ Auch über die heute so oft bemühte Nachhaltigkeit wurde damals noch nicht nachgedacht, und kein Zeitgenosse dürfte damit gerechnet haben, dass die Häuser rund 225 Jahre stehen würden.
Ehepaar erwarb Grundstück für relativ moderaten Preis
Als das Ehepaar Grundstück und Häuser im Jahr 2003 für einen relativ moderaten Preis erwarb, war die Bescherung entsprechend groß. Die beiden zeigen Fotos, die verstören: Die Bausubstanz war nicht nur total marode, sondern die jahrzehntelangen chaotischen Ausbesserungsversuche hatten auch die ganze Außenwirkung ruiniert. Kaum ein Fenster passte zum anderen, die Dächer waren unterschiedlich gedeckt und an vielen Stellen geflickt, Farbe hatte man nur dorthin geklatscht, wo es unbedingt nötig war. Im Inneren trafen Resopal-Fußböden auf herumbaumelnde Kabel, Wasserschäden und gesplitterte Fensterrahmen. Die Treppen hatten die Qualität von Hühnerleitern, die Dächer waren nicht isoliert. Wenige Jahrzehnte vorher wären solche Bruchbuden sang- und klanglos abgerissen worden, aber der Denkmalschutz verhinderte das. Zum Glück – kann man heute sagen.
Neben dem nötigen Kleingeld verfügten die Fischers offenkundig über Nervenstärke und vor allem: Erfahrung mit der Sanierung von Baudenkmälern. Etliche haben sie schon wiederbelebt, darunter vor Jahren das Landhaus Flottbek. „Mein Mann kann ja ganz gut mit Zahlen umgehen“, sagt Karin Sievert-Fischer und zwinkert hintersinnig, „mir liegt das Dekorative mehr.“ Lutz Fischer, emeritierter Professor für Betriebswirtschaftslehre, ist ein sehr bekannter Experte für Internationales Finanz- und Steuerwesen. Sievert-Fischer ist Orthopädin und gilt im Hamburger Westen manchen als Stilikone. Die beiden stürzten sich in das Projekt wie zwei Dreißigjährige, obwohl es, wie Lutz Fischer sagt, „dann doch viel mehr Arbeit war als wir alle erwartet hatten“.
Tagelöhnerhäuser Jenischpark: Alte Bausubstanz wurde sorgfältig wieder hergestellt
Mehr als vier Jahre dauerte die Bauzeit. Nach einem komplizierten Baugenehmigungsverfahren musste die alte Bausubstanz sorgfältig wieder hergestellt und zum Teil ergänzt werden – alles unter den wachsamen Augen des Denkmalamts. Durch Gauben und kleine Wintergärten ließ sich die Wohnfläche vergrößern, ohne den äußeren Eindruck zu verändern. Die alten Baumaterialien mussten – wo möglich – wieder verwendet werden, die Fenster sind inzwischen dreifach verglast.
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Nach der Fertigstellung im Jahr 2007 wurden die Häuser zunächst vermietet, dann gingen die Fischers im vergangenen Jahr (wieder) aufs Ganze. Diesmal gab es eine sehr aufwendige Innenrenovierung, und zum Abschluss richtete Karin Sievert Sievert-Fischer alles neu ein. „Ich hatte schon den Anspruch, dass jedes Haus innen anders aussieht“, so Sievert-Fischer cool, „das wäre ja sonst langweilig.“
Tagelöhnerhäuser Jenischpark: Historical Townhouses können gemietet werden
Die so genannten Historical Townhouses firmieren inzwischen unter dem Namen „Landhaus Jenischpark“ und sind für Interessierte zu mieten. Sie bestehen aus Erdgeschoss, Obergeschoss und eigener Terrasse mit Garten. Es gibt moderne Küchenzeilen, Kaminöfen und Klimaanlagen. Als Gäste werden Kurzurlauber angepeilt, die einstigen Katen sind als Ferienhaus, Homeoffice oder Zweitwohnsitz geeignet. Helena Gouveia, Betreiberin der Flottbeker Schmiede sowie bundesweit bekannte und ausgezeichnete Köchin, kümmert sich um die Betreuung.
Von Weitem sehen die Häuser aus wie in alten Zeiten, aber ansonsten ist nichts mehr wie Früher. Caspar Voght und seine Zeitgenossen würden sich verwundert die Augen reiben.