Hamburg. Seit 1993 gibt es die Zeise Kinos in der Friedensallee schon. Am Wochenende lädt das Lichtspielhaus daher zum Feiern ein. Das steht an.
In Ottensen ist das große Versprechen auf cineastisches Glück stets präsent: In überdimensionalem Ausmaß prangt das Poster eines aktuellen Films über dem Eingang der Zeisehallen. Ein Blick – und schon beginnt das Kopfkino. Schon steigt die Sehnsucht auf, im Dunkeln abzutauchen und sich ganz von einer Geschichte auf der Leinwand einnehmen zu lassen.
In den Zeise Kinos an der Friedensallee ist diese kollektive Magie seit nun 30 Jahren in besonders atmosphärischem Ambiente zu erleben. Und seinen runden Geburtstag feiert das Lichtspielhaus an diesem Wochenende mit einem prallen Programm. Mit Lieblingsfilmen, Livemusik und reichlich Lokalkolorit.
Kino Hamburg: Zeise Kinos feiern 30-jähriges Bestehen
Zahlreiche Gäste haben sich angekündigt, um zu gratulieren. Darunter Regisseur Fatih Akin, Schauspielerin Pheline Roggan sowie ihr Kollege Adam Bousdoukus. Diese dem Haus treu verbundene Riege lädt noch einmal in die „Soul Kitchen“ aus dem Jahr 2009, also in den bis dato erfolgreichsten Film der Zeise Kinos.
Allein diese Verbindung zeigt: Das Zeise ist elementarer Bestandteil der Kino- und Kulturstadt Hamburg. Und seit jeher ist der größte der drei Säle mit seinen 367 Plätzen ein gern gewählter Schauplatz, um Filmpremieren zu feiern. Selbst in der schwierigen Pandemiezeit.
Das Filmfestival in Cannes fiel 2020 aus
Im Sommer 2020 präsentierte der Filmemacher Eric Friedler gemeinsam mit Co-Regisseur Campino die Dokumentation „Wim Wenders – Desperado“ im Zeise. Und auch der porträtierte Regisseur selbst war zu Gast. „Erst kurz vorher hatte ich erfahren, dass dies die Weltpremiere wird. Die hätte eigentlich in Cannes stattfinden sollen.
Aber in dem Jahr war Cannes wegen Corona abgesagt worden“, erzählt Matthias Elwardt, vormals Chef des Abaton Kinos, der Anfang 2019 die Leitung des Zeise von Heidrun Podszus übernommen hatte. „Das Gespräch nach dem Film wurde sehr emotional. Wim Wenders hatte sich durch den Film mit Francis Ford Coppola und seinen schwierigen Jahren in den USA versöhnt.“
Der Austausch zu den Filmen macht das Kino so besonders
Gerade die Gespräche vor und nach den Filmen machen das Zeise zu einem äußerst wichtigen Ort, um ein tiefergehendes Verständnis von Kinokultur und letztlich vom Leben an sich zu befördern. „Im letzten Sommer meldete sich Kaspar Welten bei mir – ein ehemaliger Radiojournalist, der jetzt Lehrer ist“, erzählt Matthias Elwardt.
„Ihm würden die Publikumsgespräche so gut gefallen, ob wir die aufnehmen könnten.“ So entstand das Zeiseradio. Ein Podcast, bei dem Maria Schrader, Anke Engelke, Lars Eidinger, Lars Jessen und weitere Gäste zu hören sind. „Ein tolles Geschenk!“, sagt Elwardt.
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Fabrik für Schiffsschrauben war Namensgeber
Ein großes Geschenk an die Bevölkerung waren auch die Zeise Kinos an sich, als sie im Jahr 1993 mit Detlev Bucks „Wir können auch anders ...“ Eröffnung feierten. Namensgeberin ist die Schiffsschraubenfabrik von Theodor Zeise, die 1979 aufgrund der Werftenkrise nach 111 Jahren schließen musste. Ein Stück Hamburger Geschichte, das für den Wandel steht vom einstigen Arbeiterquartier hin zum heutigen Ottensener Mix aus Kultur, Wohnen, Gewerbe und Gastro – Gentrifizierung inklusive.
Zahlreiche Anwohner befürchteten Ende der 1980er-Jahre, dass in die unter Denkmalschutz gestellten Zeisehallen zu viel Schickimicki einzöge, was zu teils amüsanten, teils handfesten Protesten führte. Die Zeise Kinos mit ihrem anspruchsvoll kuratierten Angebot versöhnten viele und sorgten für eine neue Balance. Ein Frieden, der durch eine geplante Erweiterung des Lichtspielhauses in den 1990er-Jahren kurz in Gefahr geriet. Doch Ottensen demonstrierte. Und so blieben Flair und Größe des Zeise erhalten.
Zeise Kinos bieten noch immer Vintage-Atmosphäre
Die Anfangsjahre wurden geprägt von dem ersten Geschäftsführer Jürgen Fabritius sowie seiner Nachfolgerin Sabine Matthiesen. Das Hamburger Abendblatt schrieb vier Jahr nach der Eröffnung: „Hier treffen sich eingefleischte Filmfans, darunter viele Studenten und (Lebens-)Künstler. Die verrenken sich dann auch mal den Kopf in den vordersten Reihen, um einen Blick auf die Leinwand zu erhaschen und verknoten ihre Beine zwischen den engen Sitzreihen. Ihr Stammkino können sie auch mieten.“
Der Verkaufstresen aus Holz, der sich in das historische Backsteinambiente schmiegt. Die große Tafel daneben, auf der in Kreide die kommenden Filme und Veranstaltungen angekündigt werden. Und der gesamte rau-mondäne Industriecharme von Foyer und Sälen. All diese Details machen das Zeise zu einer ganz eigenen wie einzigartigen Kinokulisse. Und in lauen Sommernächten lassen sich die Fans des Hauses auch mal unter freien Himmel locken: ins Zeise-Open-Air im Innenhof des Altonaer Rathauses.
Doku über das Gängeviertrel war besonders beliebt
Charakteristisch für das Zeise ist auch der Glaube an und die Förderung von Filmkultur aus der Hansestadt. So entwickelt sich derzeit etwa „Wir waren das dunkle Herz der Stadt – der Untergang der Hamburger Gängeviertel“ zum heimlichen Dauerbrenner. Mehr als 5000 Gäste haben die dreiteilige Doku-Reihe seit Oktober 2022 bereits gesehen. „Die erste Mail von Andreas Karmers zu seinem Projekt bekam ich schon 2013“, erinnert sich Matthias Elwardt.
„Im letzten Sommer waren wir dann das einzige Hamburger Kino, das auf sein Angebot positiv reagiert hat. Wir haben mit ihm auch die Kinokopie erstellt und das Konzept entwickelt, dass er zu jeder Vorstellung immer sonntags zu Gast ist.“ Nur zur Jubiläumssause kommt Andreas Karmers ausnahmsweise an einem Sonnabend an die Friedensallee.
Auch ein Poetry-Slam ist Teil des Programms
Bereits diesen Freitag wird wiederum ein höchst erfolgreiches Format gefeiert, dass 2005 im Zeise seinen Ursprung hatte: die von Jan-Oliver Lange und Michel Abdollahi gegründete Reihe „Kampf der Künste“, bei der Talente im Poetry-Slam oder musizierend gegeneinander antreten.
Als „Special Guest“ spielt da beim Singer-Slam nun der Hamburger Ove. Einer von vielen Musikschaffenden, deren Karriere durch Auftritte in dem Altonaer Kinosaal ordentlich befeuert wurde. „Das Zeise war eine meiner ersten Bühnenstationen in Hamburg und hat maßgeblich dazu beigetragen, meinen Weg als Songschreiber zu bestreiten“, sagt Ove. „Erst danach hab ich es auch als Kino lieben gelernt.“
2005 stand das Kino in der Krise
Eine abgewendete Insolvenz im Jahr 2005, die Umstellung auf digitale Technik sowie die Konkurrenz durch DVDs und später durch Streaming sowie durch hyperkomfortable Multiplex-Kinos – all diese Herausforderungen hat das Zeise überstanden. Und so schlängelt sich das Publikum dieser Tage häufig wieder unter dem lichten Glas-Stahl-Dach, um Einlass zu erhalten zu Filmen aus Deutschland, Europa und der ganzen Welt.
Für die Zukunft der Zeise Kinos wünscht sich Matthias Elwardt eine Art lebendige Kontinuität: „Starke Filme, gute Gäste und weiterhin ein tolles Team.“
Das ist das Festprogramm
Die Zeise Kinos feiern vom 3. bis 5. März ihren 30. Geburtstag mit einem üppigen Programm. Den Anfang machen am Freitag eine Vorführung von „Soul Kitchen“ mit Gästen (19 Uhr, ausverkauft) sowie der Singer Slam (22.30 Uhr). Am Sonnabend geht die Feier u. a. mit dem zweiterfolgreichsten Film der Zeise-Geschichte weiter – mit „Die fabelhafte Welt der Amélie“ (12.30 Uhr).
Zur selben Zeit startet eine ukrainische Fassung von „Tom & Jerry“ (Eintritt frei). Spätabends gibt es ein Special der Sneak-Preview: Angekündigt ist ein „absoluter Zeise-Klassiker, der auf die große Leinwand gehört“, verrät das Team (22.45 Uhr, inklusive Gratispopcorn und Filmquiz, 6 Euro). Am Sonntag rundet u. a. eine Preview von Steven Spielbergs Oscar-nominiertem Film „The Fabelmans“ das Geburtstagswochenende ab (12 Uhr, OmU). Tickets: www.zeise.de